TV-Tipp: "Tatort: Das Recht, sich zu sorgen" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Das Recht, sich zu sorgen" (ARD)
Seinen ersten Fall hat das "Tatort"-Duo aus Franken vor über einem Jahr gelöst. Das ist so lange her, dass sich viele Zuschauer vermutlich kaum noch an Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) erinnern werden, was sich wiederum leicht erklären lässt: Im Vergleich zu vielen Kommissarskollegen, die nicht teamfähig sind oder andere Macken haben, sind die beiden ganz normale Zeitgenossen.

Ähnlich unspektakulär war auch die Erzählung des ersten Falls, "Der Himmel ist ein Platz auf Erden": Der Film war ein klassischer Krimi. Für den zweiten gilt das nicht minder, selbst wenn die stimmungsvoll rätselhaften Wasserbilder zum Auftakt auf reizvolle Weise mysteriös wirken. Erst später stellt sich raus, dass sie mit dem Mord, den das Duo aus Nürnberg zunächst aufklären soll, gar nichts zu tun haben: In einem einsamen Gasthof findet eine junge Frau die Leiche ihrer erwürgten Mutter; vom Vater fehlt jede Spur. Die Aufnahmen einer Überwachungskamera dokumentieren den Mord zweifelsfrei, und da sich der zunächst im Wald verschwundene Mann später freiwillig stellt, ist dieser Teil der Geschichte, die sich die mehrfach für ihre Drehbücher mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Autorin Beate Langmaack ("Guten Morgen, Herr Grothe", "Zeit der Helden") ausgedacht hat, rasch erzählt; rascher jedenfalls, als dies im Film geschieht. Buch und Regie nehmen sich viel Zeit, um die Tochter näher vorzustellen, die von Barbara Prakopenka jedoch allzu sehr als Klischee einer zornigen jungen Frau verkörpert wird.

Der zweite Fall, um den sich Ringelhahn und Voss zunächst eher widerwillig kümmern, ist viel interessanter: In einem renommierten Würzburger Anatomie-Institut, in dem Studenten und Doktoranden Leichen sezieren dürfen, wird ein herrenloser Männerschädel gefunden. Oder richtiger gesagt: Das Skelett, zu dem der Kopf nur scheinbar gehört, ist viel zu alt für den Schädel. Der Institutsleiterin (Sibylle Canonica) ist der gute Ruf der Einrichtung eindeutig wichtiger als die Aufklärung des möglichen Verbrechens, weshalb ihr guter Freund, der Nürnberger Polizeipräsident (Stefan Merki), seine Untergebenen zu höchster Diskretion anhält, was wiederum zur Folge hat, dass der Film unversehens die Tonart wechselt: Gerade war die Geschichte noch tragisch, nun nimmt sie komische Züge an, denn die Beamten aus Nürnberg sollen in Würzburg vor allem kein Aufsehen erregen. Da sich Ringelhahn und Voss von der jungen Kollegin Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) begleiten lassen, geben sie sich als Paar aus, dessen Tochter Medizin studieren will. Wanda wird zwar angesichts der Vorgänge im Institut erst mal schlecht, aber auf diese Weise kann sie zarte Bande zu einem jungen Mann knüpfen, die sich später als nützlich erweisen.

Eigentlich seltsam, dass sich Autorin Langmaack und der Schweizer Regisseur Andreas Senn, der unter anderem den Afghanistan-Heimkehrerfilm "Willkommen zuhause" gedreht hat, nicht auf diesen zweiten Fall konzentriert haben, zumal er nicht nur dramatische, sondern auch romantische Züge aufweist. Krimispannung hat der Film zwar nicht zu bieten, doch dafür neben dem außerhalb des Bayerischen Sendegebiets gänzlich ungewohnten fränkischen Dialekt noch eine dritte Ebene, die immerhin gewisse Bezüge zum Würzburger Fall hat: Vor dem Revier schlägt eine alte Frau ein Zelt auf. Sie will, dass die Polizei endlich nach ihrem vor einigen Monaten verschwundenen Sohn sucht. Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Mann um den Besitzer des körperlosen Schädels handeln könnte, und im Gegensatz zu den etwas ruppigen Kollegen kümmert sich Ringelhahn rührend um die ältere Dame; bis sie erfährt, dass die verwirrte Frau nie einen Sohn hatte. Und so erzählt "Das Recht, sich zu sorgen" gleich drei Dramen, wobei zumindest zwei echte Beziehungstragödien sind. Oder, wie es Voss angesichts des Gasthofmords knapp und präzise formuliert: "Mann, Frau, Katastrophe".