Fortsetzung des Detmolder Auschwitz-Prozesses könnte sich verzögern

Fortsetzung des Detmolder Auschwitz-Prozesses könnte sich verzögern
Überraschende Entwicklung im Detmolder Auschwitz-Prozess: Die Nebenkläger stellen einen Befangenheitsantrag gegenüber den Richtern. Wird dem Antrag stattgegeben, könnte sich der Prozessverlauf erheblich verzögern.

Detmold (epd) Im Detmolder Auschwitz-Prozess haben Anwälte der Nebenkläger einen Befangenheitsantrag gegen die Richter gestellt. Über diesen Antrag muss jetzt entschieden werden, wie ein Gerichtssprecher am Freitag sagte. Wird dem Antrag stattgegeben, werde der Prozess zunächst ausgesetzt. Bei einer Ablehnung werde das Verfahren voraussichtlich wie geplant in einer Woche fortgesetzt. (AZ: 4 Ks- 45 Js 3/13- 9/15)

Vor dem Landgericht Detmold muss sich ein 94-jähriger ehemaliger SS-Mann verantworten, der im KZ Auschwitz als Wachmann eingesetzt war. Die Staatsanwaltschaft Dortmund wirft dem Mann aus dem lippischen Lage Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen vor.

"Nicht nur Spaziergänger in Auschwitz"

Die Nebenkläger hatten am Freitag die Aussage des 88-jährigen KZ-Überlebenden Joshua Kaufmann beantragt. Das Gericht lehnte die Anhörung ab mit dem Verweis, dass das Ausmaß der Verbrechen und Massentötungen in den KZs unstrittig sei. Ein Anwalt der Nebenkläger erklärte, der extra aus den USA angereiste KZ-Überlebende Kaufmann sei einer der wenigen Zeugen, der über die Massenmorde im KZ Auschwitz Auskunft geben könne. Dass der Zeuge nicht gehört werde, sei ein Skandal. Der Befangenheitsantrag wurde nur von einem Teil der Nebenkläger-Anwälte unterstützt.

Die Nebenkläger hatten zuvor die Erklärung des Angeklagten als enttäuschend kritisiert. Die Stellungnahme des früheren SS-Mannes sei verharmlosend gewesen, sagte Nebenkläger-Anwalt Thomas Walther. Die Darstellung habe den Eindruck vermittelt, als sei der Angeklagte nur ein Spaziergänger in Auschwitz gewesen, kritisierte er. Einzig positiv sei jedoch, dass der Angeklagte bestätigt habe, dass ein Massenmord stattgefunden habe. Das sei ein wichtiges Signal gegenüber den Leugnern des Holocausts.

Der Angeklagte hatte am 29. April eingeräumt, von Massenmorden im KZ gewusst zu haben. Er habe sich jedoch gegen die Einberufung und den Einsatz als Wachmann nicht wehren können. Er bat die Holocaust-Überlebenden und Angehörigen der Opfer um Entschuldigung: "Ich schäme mich dafür, dass ich das Unrecht sehend geschehen lassen und dem nichts entgegengesetzt habe."

Angeklagter verweigert Stellungnahme

Der Angeklagte wollte am Freitag über seine Erklärung hinaus keine weiteren Stellungnahmen abgeben, wie sein Verteidiger Johannes Salmen erklärte. Ursprünglich waren am Freitag Nachfragen zu der Stellungnahme des früheren SS-Mannes vorgesehen. Das Gericht entschied, dass der Sohn und die Schwiegertochter des Angeklagten, die mit ihm im gleichen Haus wohnen, nicht vom Gericht befragt werden. Sohn und Schwiegertochter hatten sich auf ihr Recht der Aussageverweigerung berufen.

Der frühere SS-Mann soll im Januar 1942 in das Konzentrationslager im damals deutsch besetzten Polen versetzt und dann unter anderem für die Bewachung des Lagers Auschwitz I zuständig gewesen sein. Als Angehöriger der Wachmannschaft soll er an der Tötung von mindestens 170.000 Menschen in der Zeit von Januar 1943 bis Juni 1944 beteiligt gewesen sein. Der Rentner hat laut Staatsanwaltschaft zwar eingeräumt, dass er in Auschwitz I eingesetzt war. Er bestreitet jedoch eine Beteiligung an den Morden.