Papst Franziskus setzt auf Gewissensfreiheit

Deutsche Bischöfe würdigen "realistischen Blick" des Papstes

Papst Franziskus setzt auf Gewissensfreiheit Deutsche Bischöfe würdigen "realistischen Blick" des Papstes
Meist positive Reaktionen ruft das päpstliche Schreiben zur Familie bei deutschen Katholiken hervor. Dessen Botschaft: Keine Vorgaben zu Geschiedenen und Homosexuellen, aber die Aufforderung, ausnahmslos alle Gläubigen in die Kirche zu integrieren.

Rom, Bonn, Frankfurt a.M. (epd) In seinem nachsynodalen Schreiben "Amoris laetitia" (Die Freude der Liebe) hat Papst Franziskus konkrete Vorgaben für eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion vermieden. Er fordert die katholische Kirche aber zu mehr Realismus im Umgang mit Familien auf. In dem am Freitag im Vatikan veröffentlichten Schreiben wendet er sich gegen eine "kalte Schreibtisch-Moral" und warnt davor, "nur moralische Gesetze anzuwenden, als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft". Generell müsse den Gläubigen mehr Raum für Gewissensentscheidungen gegeben werden.

Homosexuelle Lebensweisen anerkennen

Mit Blick auf Homosexuelle fordert der Papst die Katholiken in dem 188 Seiten langen Schreiben dazu auf, solche Lebensweisen anzuerkennen, die den Partnern Stabilität und Halt geben. Die Kirche müsse ihnen eine "respektvolle Begleitung" gewährleisten. Eine Gleichstellung mit der Ehe schloss er jedoch aus.

Nach Ansicht der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist der Text "in erster Linie eine herzliche, gleichermaßen tiefgehende wie lebenspraktische Einladung zur Lebensform von Ehe und Familie, die ihre Inspiration aus den Quellen des christlichen Glaubens erfährt".

Es sei konsequent, dass Papst Franziskus keine generelle Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion ausgesprochen habe, schreiben der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof Heiner Koch und Bischof Franz-Josef Bode, die an den beiden Familiensynoden im Vatikan im Oktober 2014 und 2015 teilgenommen hatten. Nur im Blick auf die jeweilige Lebensgeschichte lasse sich "gemeinsam mit den betroffenen Personen klären, ob und wie in ihrer Situation Schuld vorliegt, die einem Empfang der Eucharistie entgegensteht".

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte, der Papst gebe der "Gewissensentscheidung der Gläubigen und der Seelsorger neues Gewicht". Hinter die vom Papst hervorgehobene Nächstenliebe könne "keine Pastoralordnung" mehr zurück.

Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" sprach von einem "Epochenwechsel auch in der Sexualethik", kritisierte aber, dass Franziskus sich "nur indirekt an homosexuelle Menschen wendet". Er gebe der Kirche aber "die Freiheiten des Dialogs zurück". Die deutschen Bischöfe müssten jetzt für die Kommunion "für geschiedene Wiederverheiratete Wege für eine angemessene Einzelentscheidung entwickeln, die nicht vom jeweiligen Gemeindepriester abhängig sein darf".

Erotik: keine Last

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn betonte bei der Vorstellung des Dokuments im Vatikan, der Papst fordere die Kirche auf, alle Gläubigen ohne Ausnahme zu integrieren. "Niemand darf sich ausgeschlossen oder verachtet fühlen", formulierte der österreichische Erzbischof die Hauptaussage des Papstschreibens.

Im Vergleich zu früheren kirchlichen Lehrschreiben über die Familie habe sich vor allem der Ton geändert, sagte Schönborn. "Amoris laetitia" überwinde die Trennung zwischen regulären und irregulären Familien, indem der Papst die Wertschätzung gegenüber allen betone. Dieses Prinzip der Integration aller Gläubigen sei ein Beweis für die organische Weiterentwicklung der katholischen Lehre ohne Brüche im Zeichen von Innovation und Kontinuität, reagierte Schönberg damit auf Sorgen konservativer Kirchenkreise.

In seinem Schreiben fasst Papst Franziskus die kontrovers geführten Diskussionen der beiden Bischofssynoden zu Ehe und Familie zusammen, die in den vergangenen zwei Jahren im Vatikan getagt hatten. Da diese nur beratenden Charakter haben, zieht der Papst seine eigenen Schlussfolgerungen.

Im Umgang mit Geschiedenen und wiederverheirateten Geschiedenen müssten Gewissensentscheidungen mehr Platz haben, schreibt Franziskus. Die Kirche müsse untersuchen, "welche der verschiedenen derzeit praktizierten Formen des Ausschlusses" überwunden werden könnten.

Ausführlich widmet sich Franziskus der Sexualität: "Wir dürfen die erotische Dimension der Liebe keineswegs als ein geduldetes Übel oder als eine Last verstehen", schreibt er. Sie müsse "als Geschenk Gottes" betrachtet werden. Auch in der Ehe setze eine "gesunde Erotik" die Zustimmung beider Seiten voraus. "Zwangseingriffe des Staates zugunsten von Verhütung, Sterilisation oder gar Abtreibung" lehnt er ab. Verantwortete Elternschaft bedeute aber auch, "die Kinderzahl aus genügend ernsten Gründen zu begrenzen".

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Kardinal Woelki sagte, Papst Franziskus wende sich "geradezu akribisch dem einzelnen Menschen und seiner Lebenssituation zu".