Ein humanitärer Korridor für wenige Erwählte

Die syrische Mutter Yasmine studiert mit ihren Sohn Hussein in einer kirchlichen Einrichtung in Rom eine Weltkarte.
Foto: epd-bild/Romano Siciliani
Hussein (re) gelangte gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester über ein Pilotprojekt für einen humanitüren Korridor vom Libanon aus auf sicherem Weg nach Italien.
Ein humanitärer Korridor für wenige Erwählte
Während ihre Mutter nebenan einen italienischen Sprachkurs besucht, malt Falak gemeinsam mit ihrem Bruder Hussein mit bunten Filzstiften ein Haus nach dem anderen auf große weiße Papierbögen.

Die siebenjährige Syrerin trägt ein rosa Kopftuch mit weißen Punkten und einer Stoffblume auf dem nackten Kopf, denn seit ihrer Ankunft in Rom erhält sie in einem kirchlichen Krankenhaus Chemotherapie. Gemeinsam mit ihren Eltern gelangte sie über ein Pilotprojekt für einen humanitären Korridor vom Libanon aus auf sicherem Weg nach Italien.

"Im Libanon haben wir jahrelang in einer Garage gelebt", erzählt Falaks Vater Suliman Al Hourani. Mit der Reparatur von Elektrogeräten hielt der 34-Jährige seine Familie dort über Wasser, seit sie 2013 aus Homs geflohen waren. Die Al Houranis gehören zu den insgesamt 1.000 Flüchtlingen, die die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio im Rahmen des mit der italienischen Regierung abgestimmten Projekts zunächst vom Libanon aus, später auch von Marokko und Äthiopien nach Italien bringen will.

"Wir wählen die Flüchtlinge aus", sagt Daniela Pompei, eine der Verantwortlichen von Sant'Egidio für das Projekt, stolz. Sie erhielten auf unterschiedlichen Wegen Empfehlungen für in Frage kommende Personen. Die italienische Regierung vertraue darauf, dass Sant'Egidio die Flüchtlinge nach den vorgeschriebenen Kriterien aussuche.

Demnach dürfen nur besonders gefährdete Personen das Visum erhalten und mit Linienflügen nach Rom gebracht werden. Dazu gehören vor allem kranke und alte Menschen sowie alleinstehende Mütter mit ihren Kindern. Die italienische Botschaft beschränkt sich nach der im vergangenen Dezember getroffenen Übereinkunft darauf, die Personalien der ausgewählten Flüchtlinge zu überprüfen.

Den italienischen Steuerzahler koste das Projekt keinen Euro, betont Poggioli. Da Sant'Egidio nach eigenen Angaben nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, holte die ohnehin ökumenisch aktive Gemeinschaft die evangelischen Kirchen Italiens und die Waldenserkirche ins Boot. Diese finanzieren die Flüge und den Aufenthalt der Flüchtlinge aus Kirchensteuermitteln.

Die ersten knapp hundert Ankömmlinge wurden nach ihrer Ankunft im römischen Flughafen Fiumicino in kirchlichen Einrichtungen zwischen Mittel- und Norditalien untergebracht. Dort erhalten sie Unterkunft, ärztliche Versorgung und Integrationshilfen. Das Visum aus humanitären Gründen erhält nur, wer in Italien Asyl beantragen will. Es sei es nicht leicht gewesen, Kandidaten zu finden, da die meisten nach Nordeuropa weiterziehen wollten, heißt es vom evangelischen Projektpartner.

Keine Weiterreise nach Nordeuropa

Während Flüchtlinge in Italien in der Regel über ein Jahr auf die Bearbeitung ihres Asylantrags warten müssten, erreichte Sant'Egidio, dass die ersten Ankömmlinge binnen eines Monats eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Die Familie der krebskranken Falak Al Hourani teilt sich derweil in einem Nebengebäude der Basilika Santa Maria im römischen Stadtteil Trastevere ein Zimmer. Küche und Bad nutzen sie gemeinsam mit anderen Flüchtlingen.

"Für uns ist das wichtigste, das unsere Tochter behandelt wird, damit ist für uns ein Traum in Erfüllung gegangen", sagt ihre Mutter Yasmine glücklich. Eine Rückkehr nach Syrien ist für die Al Houranis undenkbar, auch wenn dort wieder Frieden herrschen sollte. "Wir wollen hier arbeiten", sagt die Frau mit dem schüchternen Lächeln unter dem rosa Schal hervor, mit dem sie als gläubige Muslimin ihre Haare bedeckt.

Welche Arbeit sie suchen möchte, weiß die 27-jährige noch nicht. Hauptsache, sie müsse nicht nach Syrien zurück. Ihre Tochter zeichnet derweil weiter Gebäude mit kleinen grünen Fenstern. "Das soll unser Zuhause werden", sagt sie freudig. Ihr jüngerer Bruder malt unter großen blauen Wolken Windmühlen. Die hat er hier zum ersten Mal im Fernsehen gesehen.