Migrationsexperte: Integration betrifft Flüchtlinge und Einheimische

Migrationsexperte: Integration betrifft Flüchtlinge und Einheimische
Der Osnabrücker Migrationsexperte Andreas Pott hat davor gewarnt, beim Thema Integration den Blick zu verengen und sich nur auf die Flüchtlinge zu konzentrieren.
07.03.2016
epd
Martina Schwager (epd-Gespräch)

"Die Integrationsprozesse schließen alle Menschen der deutschen Gesellschaft mit ein", sagte Pott dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir sollten nicht immer nur auf die jeweils Neuankommenden starren. Denn eine Migrationsgesellschaft verändert sich für alle, die in ihr leben."

Viele ethnische Minderheiten

Auch die Einheimischen und die schon länger in Deutschland lebenden Migranten müssten sich unter den neuen Bedingungen am Arbeitsmarkt, in der Schule oder in der Familie neu orientieren. Die Gesellschaft werde in sprachlicher, kultureller und sozialer Hinsicht vielfältiger und komplexer, erläuterte der Direktor des Instituts für Migrationsforschung und interkulturelle Studien. Proteste von Pegida und anderen resultierten deshalb auch daher, dass manch einer diese Gesellschaft nicht mehr verstehe. "Viele fühlen sich nicht mehr integriert und nicht mehr mitgenommen in diese neue Migrationsgesellschaft."

In vielen Regionen ändere sich nach den Worten Potts die Zusammensetzung der Bevölkerung deutlich. "In einigen Stadtvierteln besteht schon heute die Mehrheit aus Minderheiten." Der Anteil der Bevölkerung ohne familiäre Einwanderungsgeschichte liege dort unter 50 Prozent. Neben den Einheimischen entstehe aber keine neue Mehrheit, sondern es entstünden viele ethnische Minderheiten, erklärte der Professor für Sozialgeographie. In vielen Geburtskliniken, Kindergärten oder Grundschulen sei das jetzt schon deutlich sichtbar.

Daueraufgabe Integration

In naher Zukunft werde das in Deutschland für ganze Städte gelten, sowohl für Großstädte wie Stuttgart und Frankfurt als auch für kleinere Städte wie Sindelfingen. In Europa seien die niederländischen Städte Rotterdam und Amsterdam oder Genf in der Schweiz die ersten sogenannten "mehrheitlich Minderheitenstädte". Auch diese Zusammenhänge müssten berücksichtigt werden beim Thema Integration, forderte Pott.

Der Migrationsexperte wies zudem darauf hin, dass Integrationsprozesse über mehrere Generationen verliefen und viel Geld kosteten. "Das ist kein einmaliger Kraftakt, sondern eine Daueraufgabe, die mit jeder Zuwanderung wieder aufs Neue beginnt." Frühe Investitionen zahlten sich jedoch später mehrfach aus.

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Pott monierte, dass das Bildungssystem nicht gut auf die Integration von Flüchtlingen eingestellt sei. Es erlaube zu wenige Quereinstiege. Die Übergänge von der Schule in den Beruf müssten besser begleitet werden. Schulen und andere Bildungseinrichtungen bräuchten mehr entsprechend qualifiziertes Personal, das die Ressourcen der Zuwanderer erkennen und fördern könnte. "Deutschland ermöglicht zu wenig Aufsteigergeschichten. Wir sehen die Bringschuld zu sehr auf Seiten der Migranten. Damit verschenken wir ganz viel Potenzial."