7 Wochen Ohne, Woche 4: "Ist verziehen"

Mann hält Blumen in den Händen.
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Jemandem zu verzeihen macht das eigene Herz weit.
7 Wochen Ohne, Woche 4: "Ist verziehen"
Die Fastenzeit läuft - und damit auch die evangelische Fastenaktion "7 Wochen Ohne". Das Motto lautet dieses Jahr: "Großes Herz! Sieben Wochen ohne Enge". Damit das Herz weit werden kann, schlägt Pastor Frank Muchlinsky für jede Woche eine Übung vor, die zum jeweiligen Bibeltext passt.

(1. Mose 33,1–10)

Jakob hob seine Augen auf und sah seinen Bruder Esau kommen mit vierhundert Mann. Und er verteilte seine Kinder auf Lea und auf Rahel und auf die beiden Leibmägde und stellte die Mägde mit ihren Kindern vornean und Lea mit ihren Kindern dahinter und Rahel mit Josef zuletzt. Und er ging vor ihnen her und neigte sich siebenmal zur Erde, bis er zu seinem Bruder kam.
Esau aber lief ihm entgegen und herzte ihn und fiel ihm um den Hals und küsste ihn, und sie weinten. Und Esau hob seine Augen auf und sah die Frauen mit den Kindern und sprach: Wer sind diese bei dir? Er antwortete: Es sind die Kinder, die Gott deinem Knecht beschert hat. Und die Mägde traten herzu mit ihren Kindern und neigten sich vor ihm. Lea trat auch herzu mit ihren Kindern, und sie neigten sich vor ihm. Danach traten Josef und Rahel herzu und sie neigten sich auch vor ihm.
Und Esau sprach: Was willst du mit all den Herden, denen ich begegnet bin? Er antwortete: Dass ich Gnade fände vor meinem Herrn. Esau sprach: Ich habe genug, mein Bruder; behalte, was du hast. Jakob antwortete: Ach nein! Hab ich Gnade gefunden vor dir, so nimm mein Geschenk von meiner Hand; denn ich sah dein Angesicht, als sähe ich Gottes Angesicht, und du hast mich freundlich angesehen.

 

Liebe Fastengemeinde,

ich grüße Sie zur Halbzeit unserer gemeinsamen Reise hinaus aus der Enge und hinein in die abenteuerliche Weite! Diesmal soll es um das Verzeihen gehen. Es ist sicherlich keine Frage: Jemandem zu verzeihen macht das eigene Herz weit. Andererseits ist es ebenso sicher, dass es extrem schwer sein kann, jemandem zu verzeihen, wenn die Verletzungen so groß sind, die man durch diese Person erfahren hat. Schauen Sie also gemeinsam mit mir, ob wir in der biblischen Geschichte, die uns für diese Woche ausgesucht wurde, Hinweise darauf finden, was es zum Verzeihen braucht. Der Text für diese Woche hat eine lange Vorgeschichte. Jakob und Esau, die beiden Zwillingsbrüder, versöhnen sich nach einem Streit, den sie bereits im Mutterleib begonnen haben. Jakob hat seinem Bruder sämtliche Privilegien weggenommen, die der hatte. Selbst den Segen ihres Vaters hat Jakob seinem Bruder weggeschnappt. Esau hatte Mord im Blick, als Jakob vor ihm floh.

Erster Schritt: das Problem kennen

Auch wenn Sie die Geschichte von Jakob und Esau bereits kennen, so lautet doch der erste Teil meiner Anregung für diese Woche, dass Sie sich die Vorgeschichte durchlesen. Gönnen Sie sich die Viertelstunde! Sie werden vielleicht überrascht sein, was Sie Neues entdecken. Darum nehmen Sie sich eine Bibel Ihrer Wahl und beginnen Sie mit dem 1. Buch Mose, Kapitel 25, Vers 19. Lesen Sie bis zu unserem Text für diese Woche und – wo Sie gerade dabei sind – am besten noch ein wenig darüber hinaus bis zum Ende von Kapitel 33. Sie haben gerade keine Bibel zur Hand? Macht nichts, dann klicken Sie bitte hier.

Zweiter Schritt: Einsicht haben und zeigen

Als Jakob nach Jahren vor seinen Bruder tritt, ist er ein anderer Mensch als bei seiner Flucht. Sicher, er hat immer noch viel Glück und kämpft bis zur Erschöpfung um seinen Segen, aber er liefert sich der Gnade seines Bruders vollständig aus. Er wirft sich immer wieder zu Boden vor ihm und macht unmissverständlich deutlich: Ich habe etwas falsch gemacht. Ich stehe in deiner Schuld. Nur deine Gnade kann mich noch retten.

Dritter Schritt: Ausgleich anbieten

Auch wenn sich Esau sträubt, die Geschenke seines Bruders anzunehmen, Jakob ist es sehr wichtig, ihm etwas von dem, was er ihm weggenommen hat, zurückzugeben. Beide wissen: Der Segen des Vaters hat dafür gesorgt, dass Jakob zu solch einem Reichtum gekommen ist. Jakob will etwas davon abgeben, denn es ist eine Last im Angesicht dessen, dem er es weggenommen hat. Jakob will zeigen, dass er es ernst meint mit seiner Bitte um Versöhnung. Er will ein Gleichgewicht herstellen, und dafür muss er weniger und sein Bruder muss mehr bekommen.

Vierter Schritt: gemeinsam weinen

Wer sich versöhnen will, muss Erschütterung zulassen. Versöhnung geht zu Herzen, sie bewegt. Sie lässt einem deutlich werden, was man in der letzten Zeit alles falsch gemacht hat, was man alles verpasst hat, wie viel Zeit man vergeudet hat, wie viel Liebe man hätte spüren können, wie viel Glück man verhindert hat – alles, weil man sich eben erst jetzt versöhnt. Darum soll man weinen, wenn man sich versöhnt, und erschüttert sein, damit man sich erinnern kann, wenn es das nächste Mal zu Streit kommt. Wer auf diese Erschütterung verzichtet, dem wird das Erinnern wesentlich schwerer fallen.

Fünfter Schritt: Entschuldigung annehmen

Dieser Schritt fehlt leider im Ausschnitt, der uns für diese Woche ausgesucht wurde, aber zum Glück haben wir die Geschichte ja bis zum Ende gelesen. In Vers 11 bereits spricht Jakob zu Esau noch: "Nimm doch diese Segensgabe von mir an, die ich dir zugebracht habe; denn Gott hat sie mir beschert und ich habe von allem genug." Und dann heißt es: "So nötigte er ihn, dass er sie nahm." (1. Mose 33,11) Dieser Punkt ist sehr wichtig. Erst in dem Moment, in dem Esau auch die Geschenke von Jakob annimmt, weiß Jakob, dass Esau versteht, wie ernst es ihm ist mit der Bitte um Vergebung. So lange Esau mit großer Geste die Geschenke seines Bruders ablehnt, so lange sagt er nicht "Ist verziehen", sondern eher so etwas wie "Schwamm drüber". Echte Versöhnung aber kann nicht durch ein "Schwamm drüber" geschehen.

Liebe Mitfastende, das sind die fünf Schritte für eine Versöhnung, die ich in der Geschichte gefunden habe. Noch habe ich Ihnen bis auf die Bibellektüre noch keine praktischen Anregungen gegeben. Aber natürlich kommt nun noch etwas. Sorgen Sie in dieser Woche für eine Versöhnung! Es spielt keine Rolle, ob Sie eher etwas zu verzeihen haben oder ob Sie eher um Verzeihung bitten wollen. Es muss auch kein Konflikt sein, der seit Jahrzehnten schwelt oder der ähnlich dramatisch ist wie in unserer Geschichte. Wichtig ist nur, dass Sie einen einzigen Schritt machen. Irgendwo haben wir alle noch Rechnungen offen. Ich bin sicher, dass Ihnen etwas einfällt. Wie gesagt, setzen Sie nicht auf Dramatik! Suchen Sie nach einem Schritt, der noch getan werden will. Und dann tun Sie ihn. Es winkt ein weites Herz.

Eine gesegnete Woche wünscht Ihnen

Ihr Frank Muchlinsky