Muslime und Christen malen in Frieden

Foto: Evangelische Kirchengemeinde Arsten-Habenhausen
Evangelische und muslimische Jugendliche aus Bremen haben Verse aus der Bibel und Suren aus dem Koran auf Großplakaten illustriert.
Muslime und Christen malen in Frieden
Christliche und muslimische Jugendliche in Bremen haben Bibelverse und Suren aus dem Koran illustriert. Ihre Arbeiten sind derzeit in einer kleinen Ausstellung und auf Großplakaten zu sehen. Das Besondere: Die Christen haben sich mit den Suren aus dem Koran und die Muslime mit den Bibelversen beschäftigt – aus Sicht der Initiatoren ein erster Schritt zur Verständigung beider Religionen.

Nein, einen Moslem hatte Klaas bislang nicht gekannt. Und wenn er etwas von dieser anderen Religion mitbekam, ging es um Gewalt, Krieg, Attentate. Jetzt hat Klaas ein anderes Bild. Ihm fehlen ein bisschen die richtigen Worte und er ist ein bisschen verlegen. Klaas bringt es schließlich auf die Formel "Netter Moslem". Und: "Ich will damit sagen, dass die Leute auch okay sind." Die Mädchen und Jungen links und rechts von ihm nicken. "Ja, das passt", sagt Klaas' Nachbar zwei Plätze weiter.

Beide gehören zu den Konfirmanden der Bremer Kirchengemeinde Arsten-Habenhausen. Die 15 Mädchen und Jungen im Alter von zwölf bis 14 Jahren hatten in den vergangenen Wochen eine für erstmalige Begegnung: Sie trafen muslimische Gleichaltrige der Bilal-i Habeşi-Moschee-Gemeinde im gut sieben Kilometer entfernten Bremer Ortsteil Huckelriede. Ihre Aufgabe schien auf den ersten Blick nicht ganz einfach. Die Konfirmanden sollten Suren aus dem Koran, die Muslime Verse aus der Bibel jeweils auf Großplakate sprayen. "Crossover Bibel-Koran" nennt sich das Projekt.

Die Motive der muslimischen Jugendlichen stehen als Plakate vor dem evangelischen Gemeindehaus in Arsten-Habenhausen.

Die Konfimanden setzten diese Sprüche in Bilder um: "Gewiß, Allah bleibt nichts verborgen, weder auf Erden noch im Himmel.", "Kein Zwang gilt in der Religion!", "Nur Allah ist euer Maula, und ER ist der Beste der Beistehenden.", "Spioniert nicht, und die einen von euch sollen keine Ghibah gegen die anderen begehen.", "Wir sind ihm näher als die Halsschlagader.", "Du bist fürwahr von edler Natur.", "Sei darum aufrecht, wie dir geboten wird." und "Wir gehören Allah und zu ihm kehren wir".

Die Muslime illustrierten diese Sprüche: "Liebt eure Feinde.", "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.", "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?", "Dein Reich komme.", "Vergib uns unsere Schuld.", "Selig sind, die arm sind vor Gott; denn ihrer ist das Himmelreich.", "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.", "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.", "Gott ist die Liebe." und "Aus Gnade seid ihr selig geworden, durch Glauben".

Das Projekt hatte ein gutes Jahr Vorlaufzeit. Anfangs ging es um die Frage, ob die Konfirmanden sprayen möchten. Als sich die Christen unter der Leitung von Pastor Christian Schulken klar geworden waren, in welche Richtung es gehen sollte, nahmen sie Kontakt mit den Muslimen auf. Die jungen Leute dort waren genauso neugierig wie ihre christlichen Altersgenossen. Das Projekt nahm Fahrt auf. Der Imam der Bilal-i Habeşi-Moschee-Gemeinde und Schulken hatten eine Vorauswahl von Koran-Suren und Bibelversen getroffen. Den Suren widmeten die Konfirmanden bei einer Freizeit ihre Aufmerksamkeit, danach ging es in mehreren Gruppen los. Bei der grafischen Umsetzung half eine Werbeagentur.

Neugierde auf beiden Seiten, sich einlassen auf etwas ganz anderes als bislang – all das sorgte dafür, dass Crossover ein Erfolg wurde, der durchaus länger Bestand hat. "Ich finde, es war etwas völlig Neues", sagt beispielsweise Moritz. Sich über die Suren Gedanken zu machen, sei "spannend" gewesen.

Ein neuer Horizont hat sich seitdem auch für Mia aufgetan. Sie blickt zurück: "Ich fand das interessant." Wenn sie jetzt ihre muslimischen Freunde trifft, weiß sie ein bisschen mehr von ihnen. Denn: "Wenn ich mit ihnen zusammen bin, reden wir nicht über Religion." Das ist bei Darry anders. "Ich wusste darüber aus der Schule schon vorher Bescheid", meint er, "ich diskutiere auch mit meinen Freunden über den Glauben."

Serdar Atak, Vertreter der Bilal-i Habesi-Moschee-Gemeinde berichtet von ähnlichen Erfolgen. Die Jugendlichen seien extrem neugierig und sehr offen für das Ansinnen der christlichen Kollegen aus dem Nachbar-Ortsteil gewesen. "Sie hatten viele Fragen", erinnert sich Serdar Atak. Anfangs habe er etwas Bedenken gehabt, ob sich der Nachwuchs der Gemeinde daran beteiligen würde – unnötig, "wir hatten ganz schnell 18 Leute zusammen, und die waren pünktlich und zuverlässig zur Stelle."

Serdar Atak muss im Gespräch noch immer ein bisschen schmunzeln, wenn er über die Reaktionen der Jugendlichen nachdenkt: Ihnen habe es gar nicht schnell genug vorangehen können. Inzwischen sei das Cross-Over-Projekt bei einigen Teilnehmern sogar in der Schule angekommen. "Sie halten Referate darüber", sagt Serdar Atak. Dabei räumt er mit dem Vorurteil auf, dass Mädchen in den muslimischen Gemeinden nicht zum Zuge kämen und dass es Geschlechtertrennung gäbe: "Von unserer Seite beteiligten sich Mädchen und Jungen daran. Wir hatten sogar mehr Mädchen in der Gruppe."

Dass sich das Crossover-Projekt so gut entwickelt hat, freut auch Arstens Pastor Christian Schulken. Für ihn ist es "ein Signal des Kommens und der Gastfreundschaft". Doch auf dem Weg zu einer echten, alltäglichen Gesprächs- und Begegnungskultur zwischen Christen und Muslimen ist es nach seiner Überzeugung noch ein weiter Weg. Aber ein Anfang sei gemacht. Dabei komme den Jugendlichen eine Schlüsselfunktion zu. "Sie sind unvoreingenommen", sagt Christian Schulken, "wir haben sie bei diesem Projekt einfach laufen lassen."

Die Motive zu den Bibelversen und Suren sind zurzeit im Aster Gemeindehaus ausgestellt.

Damit rennen die Christen aus Arsten-Habenhausen bei Volker Keller offene Türen ein. Der Beauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) für den Dialog der Religionen hält viel vom Cross-Over-Projekt. Keller stellt den Begegnungscharakter in den Vordergrund. "In der Begegnung weichen Feindbilder auf", sagt Keller, "wir brauchen viele davon, auch bei Erwachsenen." Seine Begründung: "Die Situation der Muslime in Deutschland wird schlimmer." Durch die Terrorakte seit dem 11. September 2001 würden sie immer mehr mit Gewalt in Verbindung gebracht.

Volker Keller ist überzeugt davon, dass Aktionen wie das Cross-Over-Projekt den Blick dafür schärfen könnten, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen der Bibel und dem Koran gibt. Dies gelte für Christen und Muslime gleichermaßen. "Der Koran ist eine Bestätigung der Offenbarung der Bibel und der Thora", sagt Volker Keller. Allein Jesus werde 93 Mal im Koran erwähnt.

Dass es da etwas gibt, was gleich ist, haben die Jugendlichen merken können, weiß Pastor Christian Schulken: "Sie haben mal etwas gefühlt." Mit anderen Worten: Die Erkenntnisse müssen jetzt erst einmal sacken. Die beteiligten Erwachsenen sind sicher, dass sich für die Jugendlichen eine Tür geöffnet hat. Bis die Konfirmanden und die jungen Muslime das alles verinnerlicht haben und verstehen, dürfte aber noch einige Zeit vergehen. Und dann wird Klaas sicherlich die richtigen Worte finden.