Neues Tauziehen um Asylpaket

Neues Tauziehen um Asylpaket
Der Streit über das zweite Asylpaket geht in eine neue Runde. Beim Thema Familiennachzug für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kam es am Wochenende zu Irritationen zwischen den Berliner Koalitionsparteien.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel distanzierte sich laut ARD von der entsprechenden Klausel des im Kabinett beschlossenen Gesetzestextes. Dort taucht dem Sender zufolge der in einem früheren Entwurf enthaltene Passus nicht mehr auf, wonach minderjährige Flüchtlinge von dem vorgesehenen Aussetzen des Familiennachzugs ausgenommen bleiben sollen.

Gabriel erklärte, dies sei so mit ihm nicht verabredet gewesen. Er habe erst jetzt von der gravierenden Veränderung im Gesetzestext erfahren. Gabriel hatte dem Asylpaket II am Mittwoch im Kabinett zugestimmt. Die Union reagierte mit Unverständnis, aus der Opposition kam scharfe Kritik an dem anhaltenden Tauziehen und an den geplanten Verschärfungen des Asylrechts.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der "Bild am Sonntag", die Aussetzung des Familiennachzugs sei "ohne Wenn und Aber" in der Koalition beschlossen worden. "Wir sind über die Arbeitsweise und das Verhalten der SPD sehr verwundert", bekräftigte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thomas Strobl.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt erklärte: "Es ist unfassbar: Bei einem so schlechten Vorhaben, mit so heftigen Auswirkungen auf minderjähriger Flüchtlinge, weiß die eine Regierungsseite nicht, was die andere macht." Der Linke-Fraktionsvorsitzende Dietmar Barsch nannte die Regierung in der "Welt" (Montagsausgabe) eine "Chaostruppe". Laut einer Vorab-Meldung der Funke Mediengruppe sollen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) eine Klärung herbeiführen und einen Kompromiss finden.

Der bayerische evangelische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bedford-Strohm, wandte sich im Bayerischen Rundfunk gegen eine Begrenzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge: "Die Familie ist eine der wichtigsten Dimensionen des Menschseins", betonte er. Das Abgeschnittensein von der Familie sei ein Integrationshindernis.

Marx: Nicht nur Barmherzigkeit, auch mit Vernunft

"Es ist keine gute Idee, den Familiennachzug für Flüchtlinge auszusetzen. Erst recht ist es keine gute Idee, wenn minderjährige Flüchtlinge ihre Eltern nicht mehr nachholen können", kritisierte der evangelische Theologe. Er appelliere daher an die Bundesregierung, das Asylpaket zu überdenken und an dieser Stelle zu ändern.

In der Debatte um eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen mahnte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx ein vernünftiges und faires Vorgehen an. "Deutschland kann nicht alle Notleidenden der Welt aufnehmen", räumte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in der "Passauer Neuen Presse" (Samstagsausgabe) ein. Es gehe nicht allein um Barmherzigkeit, sondern auch um Vernunft. Die Situation müsse aber fair gegenüber allen Beteiligten gemeistert werden. Der Kardinal betonte, dass Barmherzigkeit keine Grenzen kenne. "Jeder, der europäischen Boden betritt, muss anständig behandelt werden und ein faires Verfahren erhalten."