Warum gibt es zwei Gebetswochen für die Einheit der Christen?

Betende Gottesdienstbesucher in der evangelisch-lutherischen Gartenkirche St. Marien in Hannover.
Foto: epd-bild/Jens Schulze
Warum gibt es zwei Gebetswochen für die Einheit der Christen?
Vom 8. bis zum 15. Januar betet die Evangelische Allianz, vom 18. bis zum 25. Januar die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. So beten viele Christen direkt nacheinander für ihre Einheit. Warum tun sie das nicht zusammen?

Es gibt "38.000 verschiedene (!) christliche Konfessionen und Denominationen", schrieb Hartmut Steeb, Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) in seinem Vorwort für die Allianzgebetswoche 2016. Möglicherweise ist die Frage, warum man es nicht schafft, gemeinsam zu beten, mit dieser Zahl schon so gut wie beantwortet. Trotzdem fühlt es sich komisch an: Wir Christen werden zwei Wochen hintereinander dazu aufgerufen, für unsere Einheit zu beten - von zwei Organisatoren (nicht 38.000): Warum schaffen sie es nicht eine gemeinsame Gebetswoche zu veranstalten?

Zuerst betet die Evangelische Allianz vom 8. bis zum 15. Januar 2017 (Allianzgebetswoche). Im Anschluss folgt die Gebetswoche für die Einheit der Christen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK). Beide Gebetswochen für 2017 wurden von Deutschland aus vorbereitet, weil die Reformation hier vor 500 Jahren ihren Ausgang nahm. Das Motto der ACK 2017 lautet: "Versöhnung - die Liebe Christi drängt uns" (2 Kor 5,14-20). Das der EAD ist: "EINS! Gemeinsam Glauben - Miteinander Handeln."

Jede Gebetswoche setzt also ihren eigenen Schwerpunkt. Aber das Ziel ist doch gleich: Einmal im Jahr soll sowohl die eine als auch die andere Gebetswoche Christinnen und Christen weltweit an Jesu Gebet für seine Jünger erinnern: "damit sie alle eins seien [...], damit die Welt glaube" (Joh 17,21). Beide Gebetswochen haben mittlerweile eine lange Tradition. Die Allianzgebetswoche gibt es schon seit 1861, die Gebetswoche von ÖRK und ACK geht auf einen katholischen Geistlichen zurück, der diese 1909 zum ersten Mal ausrief.

In dieser jeweiligen langen Tradition liege ein Grund dafür, dass die Organisatoren bisher nicht zusammengefunden haben. "Wir haben eine starke Tradition an der Basis. Wir lassen alle mitmachen", sagt Hartmut Steeb, Generalsekretär der EAD. Deswegen würde die Gebetswoche ihren Sinn verfehlen, wenn man durch eine fusionierte Organisation die Hälfte der Leute verlöre, die jetzt mitarbeiteten.

Auch Pfarrer Marc Witzenbacher, der für die Ökumenische Centrale der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) die Gebetswoche in der ACK begleitet, hält einen Zusammenschluss der Gebetswochen aus praktischen Gründen für schwierig, da die jeweiligen Abläufe so eingespielt seien, dass an einer Fusionierung kein ausgesprochenes Interesse bestehe.

Einigen Christen fällt es schwer für "alle" Christen zu beten

Die ÖRK-Gebetswoche habe den "genuinen Schwerpunkt" für die Einheit der Christen zu beten, so Marc Witzenbacher. Die Allianzgebetswoche hingegen sei liturgisch anders ausgerichtet, "auf mehrere Gebetsanliegen". Doch sie stünden weder in Konkurrenz oder Gegnerschaft, betonen sowohl Witzenbacher als auch Steeb. Beide weisen daraufhin, dass es, zumindest in Deutschland, einige Menschen gäbe, die an beiden Gebetswochen beteiligt seien.

Auf internationaler Ebene sind es jedoch anscheinend nicht nur die Tradition und praktische Gründe, die eine gemeinsame weltweite Gebetswoche für die Einheit der Christen verhindern. "Zwischen evangelikalen Christen gibt es einen ausgeprägten Widerstand gemeinsam mit und für die Einheit mit der römisch-katholischen Kirche zu beten", sagt Odair Pedroso Mateus, Direktor der "Kommission für Glauben und Kirchenfassung" des ÖRK, der die Gebetswoche mit vorbereitet und durchführt. Besonders die lateinamerikanischen evangelikalen Kirchen, die auf ihrem katholisch geprägten Kontinent eine Minderheitenkirche seien, gäben ein Beispiel für diese ablehnende Haltung.

Außerdem hätten die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) und der ÖRK vor allem während der Zeit des Kalten Krieges unterschiedliche, und damit trennende, Ansätze entwickelt, was christliche Einheit und Mission bedeuteten. Das mache es vielen Mitgliedern der WEA schwer, für die Einheit "aller" Christen zu beten, so Odair Mateus.

Geduldig arbeiteten beide Parteien an diesen trennenden Themen - und der ÖRK habe die WEA eingeladen, für die Vorbereitungen der Gebetswoche für die Einheit der Christen einen Beobachter zu entsenden, sagt Odair Mateus.

Ob das WEA die Einladung angenommen hat, ist bisher nicht bekannt. Fest steht: Die Vorbereitungen für die Gebetswoche des ÖRK für das Refomationsjahr 2017 kommen aus der ACK in Deutschland - und sind bereits abgeschlossen. Ohne gemeinsame Vorbereitungen.

Dieser Artikel ist zuerst im Januar 2016 erschienen.