Kritik und Zustimmung zur Neuauflage von "Mein Kampf"

Kritik und Zustimmung zur Neuauflage von "Mein Kampf"
Begleitet von Kritik und Zustimmung hat das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) am Freitag die wissenschaftlich kommentierte Gesamtausgabe von Adolf Hitlers Propagandaschrift "Mein Kampf" vorgestellt.

IfZ-Direktor Andreas Wirsching bezeichnete die Edition bei der Präsentation in München als politisch-moralisch notwendig. Ein Verbot sei der falsche Weg. Es wäre "schlicht unverantwortlich, dieses Konvolut der Unmenschlichkeit gemeinfrei und kommentarlos vagabundieren zu lassen, ohne ihm eine kritische Referenzausgabe entgegenzustellen", sagte Wirsching. Mehr als 100 Journalisten aus aller Welt und knapp 20 Fernsehstationen waren der Einladung zur Pressekonferenz gefolgt.

Die kritische Edition beruhe auf dem aktuellsten Stand der wissenschaftlichen Forschung, betonte Wirsching. Sie enttarne die von Hitler gestreuten Falschinformationen und Lügen. Um ein kommerzielles Interesse mit der Neuauflage vorzubeugen, werde das Buch im Eigenverlag publiziert. Derzeit gebe es bereits mehr als 15.000 Bestellungen.

Jüdischer Weltkongress spricht von einem "abscheulichen und giftigen Buch"

Unterschiedliche Einschätzungen zu der Veröffentlichung haben die deutsche und die internationale Vertretung der Juden. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, sprach mit Blick auf die kommentierte Ausgabe von "Unsinn" und fordert, die NS-Propagandaschrift in den "Giftschrank der Geschichte" zu verbannen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hingegen hat "nichts einzuwenden". Er hoffe, dass die wissenschaftliche Einordnung und Erläuterung des Textes dazu beitrage, "die menschenverachtende Ideologie Hitlers insgesamt zu entlarven und Antisemitismus entgegenzuwirken", sagte Präsident Josef Schuster am Freitag.

Für richtig hält der deutsche Zentralrat aber, "dass die Verbreitung der unkommentierten Fassung strafbar bleibt und von den deutschen Behörden konsequent verfolgt wird".  Hitlers Machwerk "Mein Kampf" sei eine volksverhetzende, niederträchtige Propagandaschrift, die einen "vulgären Antisemitismus" transportiere.



"Mein Kampf" von Adolf Hitler wurde bis 1945 mehr als zwölf Millionen Mal gedruckt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der Freistaat Bayern die Rechte an dem Buch inne und konnte so Nachdrucke untersagen. Ende 2015 - also 70 Jahre nach Hitlers Todesjahr - sind die Urheberrechte nun erloschen.

Aus Sicht des Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Lauder, verdient "Mein Kampf" keine kritische Ausgabe. Es sei zwar richtig, wenn sich deutsche Studenten mit dem Inhalt und den "schrecklichen Auswirkungen" des Buches auseinandersetzen. Doch dafür gebe es bereits genügend Ausgaben dieses "abscheulichen und giftigen Buches" in Antiquariaten und im Internet.

Germanisten Adler: Einzelne Textpassagen hätten ausgereicht

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hingegen sieht in der kommentierten Ausgabe einen "ganz wichtigen Beitrag für die politische Bildung", wie sie in der Sendung "RTL Aktuell" sagte. Es sei wichtig, dass Lehrer und Schüler nun auf "dieses zentrale Buch zurückgreifen können, um das es auch viele Mythen gibt". Die Gefahr, dass junge Leute nun vom Gedankengut Hitlers beeinflusst werden könnten, sieht Wanka nicht. Die Jugendlichen könnten nun selbstständig denken und eben nicht auf populistische Verführer hereinfallen, sagte sie.

Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, hält hingegen die kommentierte Neuauflage nicht geeignet für Schüler. Als Unterrichtsmaterial berge sie die Gefahr, dass der Nationalsozialismus auf die Person Hitler zentriert und nicht ausreichend als System wahrgenommen werde, sagte Krüger am Freitag dem Südwestrundfunk (SWR).  

Auf scharfe Kritik stößt die zwei Bände umfassende Neuauflage der NS-Propagandaschrift beim Londoner Germanisten Jeremy Adler. Niemand könne kontrollieren, wie der rassistische Text aufgenommen werde, warnte der Professor für Deutsche Sprache am Londoner King's College am Freitag im Deutschlandfunk. Es hätte ausgereicht, einzelne Textpassagen im Kontext eines kritischen Kommentars zu veröffentlichen. Eine gewissenhafte Institution dürfe keine Hetzschriften verbreiten.