Franckesche Stiftungen ziehen Weltkulturerbe-Antrag zurück

Franckesche Stiftungen ziehen Weltkulturerbe-Antrag zurück
Die Franckeschen Stiftungen zu Halle erhalten in absehbarer Zeit keinen Weltkulturerbe-Titel. Der Antrag auf Aufnahme in die Unesco-Liste wird zurückgenommen, entschied das Stiftungskuratorium am Donnerstag in der Saalestadt.

Er sei überzeugt, "dass damit am meisten Schaden von den Franckeschen Stiftungen abgehalten werden kann", sagte Direktor Thomas Müller-Bahlke. Langfristig solle aber an dem Ziel festgehalten werden, die Franckeschen Stiftungen auf die Unesco-Liste zu bringen.

Mit ihrem Rückzug der Bewerbung ziehen die Franckeschen Stiftungen die Konsequenzen aus einer Bewertung des Internationalen Rates für Denkmalpflege (Icomos). Bei den Experten war der Antrag Anfang Dezember komplett durchgefallen - von vier möglichen Stufen hatte die Bewerbung die schlechtmöglichste Bewertung erhalten. Dem Ensemble aus historischem Waisenhaus und Schularchitektur wurde kein universeller Wert zuerkannt. Icomos bereitet die Entscheidung für das Welterbekomitee der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) vor. In der Regel folgt die Unesco der Empfehlung.

Mit der Rücknahme des Antrags fallen die Franckeschen Stiftungen nun wieder auf die nationale Tentativliste für das Weltkulturerbe zurück. Dort sind Kulturdenkmäler verzeichnet, die Deutschland der UN-Organisation vorschlagen will. Die Stiftungen ließen sich von der vorerst gescheiterten Bewerbung aber "nicht entmutigen", sagte der Kuratoriumsvorsitzende Helmut Obst. Das Projekt sei nicht abgeschlossen und werde "in einer noch nicht näher zu bezeichnenden Zeit" weiter verfolgt.

Kultusminister Dorgerloh versprach weitere Unterstützung

Müller-Bahlke zufolge wird es aber mindestens ein paar Jahre bis zu einem neuen Anlauf dauern. In "aller Ruhe" solle die derzeitige Lage geprüft werden, sagte der Direktor. Die pauschale Ablehnung durch Icomos könne er aber noch immer nicht verstehen. Seiner Ansicht nach zeuge sie von einem "hohen Maß an Unkenntnis", sagte Müller-Bahlke.

Die Grundstruktur in ihrer Argumentation für einen Titel würden die Franckeschen Stiftungen auch in einen neuen Antrag übernehmen, erklärte der Direktor weiter. Nachzudenken sei aber über eine andere Akzentuierung - so könnte zum Beispiel die internationale Ausstrahlung der Francke'schen Ideen besser herausgearbeitet werden.

Profitiert hätten die Franckeschen Stiftungen in jedem Fall auch schon jetzt von der Bewerbung, zeigte sich der Direktor überzeugt. Neben neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen habe auch eine größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gewonnen werden können.



Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD), der zu der Sitzung des Kuratoriums als Gast geladen war, versprach ausdrücklich weitere Unterstützung des Landes für das Projekt und die Franckeschen Stiftungen. Sachsen-Anhalt hatte rund 230.000 Euro für die Bewerbung zur Verfügung gestellt. Für das Land ist der gescheiterte Antrag schon der zweite Rückschlag innerhalb nur weniger Jahre. Auch eine Bewerbung aus Naumburg musste vor kurzem überarbeitet werden.

Die Franckeschen Stiftungen wurden 1698 von dem evangelischen Theologen und Pädagogen August Hermann Francke (1663-1727) als Armenschule und Waisenanstalt gegründet. In der Folge entstand eine Schulstadt, zu der heute mehr als 40 Bildungs- und Sozialeinrichtungen gehören. Nach Auffassung der Franckeschen Stiftungen handelt es sich bei dem Ensemble um eine international beispielgebende Architektur.