Seehofer schlägt Flüchtlingsobergrenze vor, erntet Widerspruch

Seehofer schlägt Flüchtlingsobergrenze vor, erntet Widerspruch
Scharfe Töne aus Bayern: Die CSU unterstreicht ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik und dringt auf eine nationale Obergrenze bei der Aufnahme Asylsuchender.

CSU-Chef Horst Seehofer heizt die Debatte um eine deutsche Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen wieder an. Vor der traditionellen Drei-Königs-Tagung der CSU am 6. Dezember in Wildbad Kreuth nannte am Wochenende er eine konkrete Zahl: 200.000 Flüchtlinge pro Jahr. "Diese Zahl ist verkraftbar, und da funktioniert auch die Integration", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Bild am Sonntag": "Alles was darüber hinaus geht, halte ich für zu viel."

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley kritisierte die Äußerungen Seehofers, der damit erneut seine Distanz zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik betonte. "Der Friede in der Union hat nur kurze Zeit gehalten", sagte Barley am Sonntag in Berlin. Der Streit zwischen Merkel und Seehofer verunsichere die Menschen.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund eine Million Flüchtlinge registriert. Seehofer sagte: "Das zentrale Ziel für 2016 muss lauten, die Zahl der Zuwanderer zu begrenzen". Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) forderte im Münchner Nachrichtenmagazin "Focus", die Anreize für Flüchtlinge zu reduzieren, den Weg nach Deutschland zu suchen. "Wer das deutsche Asylrecht missbraucht und die Einwanderung in das deutsche Sozialsystem für attraktiver hält, als in seinem Heimatland einer Arbeit nachzugehen, der muss die Botschaft kennen, dass er nicht in Deutschland bleiben kann", sagte Dobrindt.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mahnte in der "Welt am Sonntag", Flüchtlings- und Einwanderungspolitik voneinander zu trennen. Kein Land in Europa sei so dringend auf qualifizierte Einwanderer angewiesen wie Deutschland. In der Flüchtlingspolitik gehe es darum, Grenzen effektiv zu kontrollieren, aber nicht zu schließen. Zugleich räumte er ein, dass Deutschland nicht jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen könne. "Es geht ja darum, die Flüchtlinge nicht nur notdürftig unterzubringen und zu versorgen", sagte Oppermann. Wer ein Bleiberecht hat, müsse integriert werden.

Der CSU-Vorsitzende Seehofer sprach sich unter anderem für restriktive Kontrollen an den Grenzen aus. "Wer nach Deutschland einreisen will, muss sich ausweisen können", sagte er.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner kritisierte die Forderung. Die meisten Flüchtlinge ohne Papiere kämen aus Diktaturen, wo sie gar keine Pässe bekämen oder wo man sie ihnen abgenommen habe, sagte Stegner am Sonntag dem Radiosender NDR Info: "Es wäre geradezu ein Treppenwitz, wenn Deutschland mit diesen Diktatoren zusammenarbeiten würde."

Klöckner: "Unsere Hausordnung aufs Kopfkissen legen"

Auch der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Rudolf Seiters, mahnte, nicht jene unter Generalverdacht zu stellen, die keine Ausweispapiere haben. "Ich denke mal, die Einzelfallprüfung ist immer noch wichtig", sagte der ehemalige CDU-Politiker Seiters, der Anfang der 90er Jahre Bundesinnenminister war, dem Deutschlandfunk.

Unterdessen unterstrich die CDU-Bundesvize Julia Klöckner ihr Forderung, die Neuankömmlinge in Deutschland zu Integration anzuhalten. "Schon in der Erstaufnahme sollten wir jedem Flüchtling unsere Hausordnung aufs Kopfkissen legen", sagte die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende: "Es muss von Anfang an klar sein, dass wir bestimmte Dinge nicht durchgehen lassen. Wenn ein Vater nicht mit einer Lehrerin spricht, weil sie eine Frau ist, sollten wir nicht den Weg des geringsten Widerstands gehen und einen männlichen Lehrerkollegen schicken."

Nach Berechnungen des Münchner ifo-Institutes für Wirtschaftsforschung wird die Integration der Flüchtlinge Deutschland in diesem Jahr 21 Milliarden Euro kosten. Im Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe) warnte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn davor, die Ausgaben über neue Schulden zu finanzieren. "Wir müssen auf den laufenden Haushalt zurückgreifen", sagte der Institutschef.

Um die Ausgaben für die Flüchtlinge zu finanzieren, müssten Abstriche gemacht und Ausgaben gekürzt werden, sagte Sinn: "Das ist eine schwierige politische Entscheidung." Er warnte vor Verteilungskämpfen zwischen Flüchtlingen und sozial schwachen deutschen Haushalten. Der Sozialstaat werde durch die freie Zuwanderung zwangsläufig lädiert, sagte der Ökonom: "Jedenfalls wird es wohl auch die Ärmsten treffen."