Theologe Huber kritisiert "taktische Manöver" in Sterbehilfe-Debatte

epd-bild/Juergen Blume
Der Berliner Altbischof Wolfgang Huber.
Theologe Huber kritisiert "taktische Manöver" in Sterbehilfe-Debatte
Kommende Woche Freitag stimmt der Bundestag über eine mögliche Neuregelung der Suizidbeihilfe ab. Der evangelische Theologe Wolfgang Huber mahnt mehr Respekt unter den Vertretern der verschiedenen Entwürfe an.
30.10.2015
epd
Corinna Buschow (epd-Gespräch)

Ihn störe ein Diskussionsklima, "in dem die Zielsetzung von bestimmten Vorschlägen verzerrt dargestellt wurde", sagte der Altbischof in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine "Sternstunde" des Parlaments könnten solche Debatten über Gewissensentscheidungen nur sein, "wenn die taktischen Manöver, die zur Politik gehören, in den Hintergrund treten und eine gemeinsame Suche nach dem besten Weg entsteht".

"Da müsste sich gegenüber dem, was wir in den vergangenen Wochen erlebt haben, am 6. November noch ein deutlicher Schritt nach vorn vollziehen", ergänzte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Als Beispiel für eine Verzerrung nannte Huber den Vorwurf der Kriminalisierung von Ärzten in Richtung der Gruppe um Kerstin Griese (SPD) und Michael Brand (CDU), die organisierte Suizidbeihilfe unter Strafe stellen und damit das Aus für Sterbehilfevereine bewirken wollen.

"Ein solcher Vorwurf wird diesem Vorschlag nicht gerecht", sagte der 73-Jährige, der lange dem Deutschen Ethikrat angehörte. Die Gruppe wolle die Rechtslage nicht verschärfen für Ärzte, "die in konkreten Situationen Hilfe leisten, auch wenn diese in tragischen Ausnahmefällen bis hin zur Suizidassistenz gehen mag".

Definition des ärztlichen Ethos notwendig

Huber sprach sich klar für diesen Entwurf aus. Die organisierte, geschäftsmäßige Suizidassistenz müsse unterbunden werden, "weil nicht der Eindruck entstehen darf, dies sei eine gesellschaftliche Normalität und damit auch ein normaler Teil ärztlicher Tätigkeit". Demgegenüber gibt es einen Entwurf einer Gruppe um Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD), die Ärzten die Beihilfe zum Suizid ausdrücklich erlauben wollen, und den Vorschlag einer Gruppe um Renate Künast (Grüne), die auch Sterbehilfe-Organisationen weiter erlauben will, solange sie nicht kommerzielle Interessen verfolgen.

Huber forderte in der Debatte um die Hilfe beim Suizid eine klarere Definition des ärztlichen Ethos. Es gebe die Angst davor, "dass die Maximalmedizin so eingesetzt wird, dass sie das Leben selbst dann noch verlängert, wenn medizinisch die Fortsetzung von Therapien gar nicht mehr indiziert ist", sagte der frühere Berliner Bischof. "Die richtige Antwort ist eine Medizin mit menschlichem Maß", argumentiert Huber. In anderen Ländern beschäftige man sich intensiver mit dem Phänomen der "therapeutischen Übertreibung".