Privatschüler sollen Auskunft über das Leben Bachs geben

Privatschüler sollen Auskunft über das Leben Bachs geben
Leipziger Bach-Archiv startet neue Forschung zum Komponisten
Mit Hilfe der Privatschüler Johann Sebastian Bachs (1685-1750) will das Leipziger Bach-Archiv dem Leben und Wirken des berühmten Komponisten näherkommen. In Bachs Biografie gebe es noch viele "weiße Flecken", die sich oft über Jahre erstreckten, sagte Bach-Archiv-Direktor Peter Wollny am Dienstag in Leipzig.

Seine Schüler hätten vermutlich all das gewusst, "was wir heute gern über Bach wissen würden", fügte er hinzu. Das gelte für Bachs Unterrichtsstil und seine Aufführungspraxis ebenso wie für sein Alltagsleben oder seine Persönlichkeit.

Bei dem neuen Forschungsprojekt soll in mehr als 200 Archiven nach den Hinterlassenschaften von rund 125 Privatschülern Bachs gesucht werden. Dafür werden die Forscher zum Teil weite Reisen auf sich nehmen müssen: Die späteren Wirkungsstätten der ehemaligen Schüler Bachs finden sich in zehn Ländern Mittel- und Osteuropas, eine sogar im russischen St. Petersburg. Um neues, bislang unbekanntes Material für die Grundlagenforschung zu entdecken, sei es aber unerlässlich, sich "die Finger vor Ort schmutzig zu machen", sagte Wollny.

Alle Bach-Schüler wurden Musiker

Das Projekt ist zunächst auf zwei Jahre angelegt und wird von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert. Es schließt an ein früheres Projekt an, bei dem die Lebenswege von rund 350 Thomanern untersucht wurden, die dem Chor zu Bachs Zeiten als Thomaskantor in Leipzig angehörten. Dabei sei aber nicht der "ultimative Zeitzeuge" gefunden worden, sagte Projektleiter Michael Maul. Von den Privatschülern, die Bach sein ganzes Leben lang hatte, erhoffen sich die Forscher nun wertvolle Hinweise.

Dass solche unter den Privatschülern zu finden sind, gilt als nicht unwahrscheinlich: Anders als bei den Thomanern seien nämlich alle ehemaligen Schüler Bachs später auch als Musiker tätig gewesen und hätten sich weiter mit dessen Lehren beschäftigt, erklärte Maul. Außerdem wissen die Forscher schon jetzt von einigen jungen Männern, die als Stipendiaten Unterricht bei dem Komponisten nahmen. Ihren Geldgebern mussten sie regelmäßig Bericht erstatten - Erkenntnisse gibt es somit etwa darüber, wie viel Honorar Bach pro Jahr verlangte.



Neue Erkenntnisse haben die Forscher außerdem kürzlich durch den Nürnberger Theologen Christoph Birkmann (1703-1771) gewonnen. Dieser hatte zwischen 1724 und 1727 in Leipzig studiert und wirkte dabei nachweislich als Musiker an Bachs Kantatenaufführungen mit. Allerdings war seine Rolle offenbar weitaus größer: Wie die Leipziger Wissenschaftlerin Christine Blanken herausfand, war Birkmann auch Verfasser der Texte für einige Bach-Kantaten. Dazu gehört wohl auch die Solo-Kantate "Ich will den Kreuzstab gerne tragen".

Für das Bach-Archiv ist diese Entdeckung die bedeutendste zur Urheberschaft von Bachs Leipziger Kantaten-Texten seit mehr als 40 Jahren. Denn nur wenige Dichter der Kantaten sind bisher namentlich bekannt. Hinzu kommt, dass die Forschung zuvor keine Hinweise darauf hatte, dass studentische Texter an den Werken Bachs mitarbeiteten. Die Quellen, die das Bach-Archiv in den kommenden zwei Jahren sammeln wird, sollen nach Abschluss der Auswertung für die internationale Forschergemeinschaft unter anderem über die freie Datenbank www.bachdigital.de zugänglich gemacht werden.