TV-Tipp: "Der Liebling des Himmels" (ARD)

TV-Tipp: "Der Liebling des Himmels" (ARD)
18.9., ARD, 20.15 Uhr: "Der Liebling des Himmels"
Der Psychiater braucht eigentlich selber einen: Es gibt ohne Frage originellere Filmideen. Aber natürlich kommt es immer drauf an, was man draus macht, und wenn man die Hauptrolle Axel Milberg auf den Leib schreiben darf, muss schon viel schief gehen, damit das Projekt nicht großartig wird.

Tatsächlich hatte Dani Levy, der viel zu selten fürs Fernsehen arbeitet, nur eine Vorgabe, als der NDR ihm diesen Auftrag übertrug: eine Komödie mit Axel Milberg. Der Schauspieler hat sich womöglich noch mehr gefreut als der Regisseur, denn eine Figur wie den bekannten Hamburger Psychiater Magnus Sorel hat auch er bislang noch nicht gespielt. Der Mann ist nicht nur ein Sklave seines Terminplaners, sondern auch der Inbegriff des Zwangsneurotikers. Er leidet unter Hyperosmie, weshalb er extrem empfindlich gegenüber Geruchsreizen aller Art ist. Gleiches gilt allerdings auch für Schmutz und Geräusche; kein Wunder, dass er die Welt außerhalb seiner Wohnung als überaus anstrengend empfindet. Allein Milbergs Körpersprache, wenn Sorel tänzelnd dem Dreck auf dem Bürgersteig ausweicht, ist ein Genuss; eigentlich würde es schon genügen, diesem lebensuntüchtigen Menschen dabei zuzuschauen, wie er an Zumutungen und Herausforderungen scheitert, die alle anderen nicht mal zur Kenntnis nehmen.

Figuren, die alle eine Macke haben

Tatsächlich jedoch hat Levy ein Drehbuch von geradezu überbordender Handlungsfülle geschrieben, bevölkert mit Figuren, die im Grunde alle eine Macke haben. Den Film hat er mit bis zu drei Kameras gedreht (Bildgestaltung: Carl-Friedrich Koschnick), so dass fast dauernd was passiert, zumal er den Schauspielern so viel Freiraum wie möglich gelassen hat. Auf diese Weise ist ein Werk von bemerkenswerter Komplexität entstanden. Dabei ist der Kern der Geschichte sogar überschaubar: Magnus Sorel droht innerhalb kürzester Zeit alles zu verlieren, was ihm wichtig ist. Seine dralle Patientin Masha (herrlich übersexualisiert: Andreja Schneider) hat ihn aus enttäuschter Liebe wegen sexueller Nötigung angezeigt, weshalb Leumund und Zulassung in Gefahr sind, seine Ex-Frau (Jenny Schily) liegt mit Bauchspeicheldrüsenkrebs im Sterben, sein jugendlicher Sohn Leopold (Jakub Gierszal) hat eine Stinkwut auf ihn, und dann sind bei einem Einbruch auch noch seine Tagebücher, die er als sein Lebenswerk betrachtet, gestohlen worden; der Einbrecher will 100.000 Euro dafür.

Und das ist nur der rote Faden des Films, den Levy mit vielen zum Teil prominent besetzen Nebensträngen verknüpft. Sorel steht im Schatten seines als Psychiater noch prominenteren Althippie-Übervaters (Mario Adorf), seine Sekretärin (Anna Böger) ist eine frühere promovierte Studentin, die ihn vor dem Leben beschützen will, und im Reigen der Miniauftritte seiner Patienten erhascht man auch einen Blick auf Karl Dall, von dem Sorel wissen will, woher dieser Drang zur zwanghaften Witzigkeit komme. Markus Hering schließlich spielt einen Mann, der seinen Nachbarn geköpft hat und Sorel später mit einem Schrumpfkopf überrascht. Großartig ist auch die Idee, dass der Einbruch fingiert war, weil Leopold seinen Vater aus der Reserve locken will. Der Erpresser ist sein arabischer Freund (Omar El-Saeidi), der einen großartigen Auftritt als vermeintlich türkischer Ganove hinlegt. Beide müssen ihre Scharade allerdings bitter bezahlen, als Sorel kurzerhand zwei Schläger engagiert, die dem Erpresser einen Denkzettel verpassen sollen.

Auch das weitere Ensemble ist vorzüglich. Stefan Kurt spielt Sorels Freund und Kollegen, Martin Feifel den aggressiven Gatten der liebestollen Patientin, und in winzigen Rollen wirken unter anderem noch Hark Bohm und Rudolf Krause mit. Herausragend aber wird "Der Liebling des Himmels" durch Levys Erzählweise, die trotz der vielen Gags durchaus subtil ist. Erst spät zeigt sich zum Beispiel, dass der Film die ganze Zeit eine Romanze war; dabei ist die beschlagene Brille Sorels bei einer Sitzung mit Masha eigentlich ein eindeutiger Hinweis.