Migrationsforscher: Asylproblematik und Zuwanderung voneinander trennen

Foto: Okla Michal/dpa/picture alliance
Schuhe von Flüchtlingen am Budapester Keleti Bahnhof
Migrationsforscher: Asylproblematik und Zuwanderung voneinander trennen
Der Freiburger Historiker Ulrich Herbert fordert eine klare Trennung der beiden Themen Asylproblematik und Zuwanderung. Der Asylparagraph sei nicht als Einwanderungsweg definiert, sagte der Migrationsforscher am Mittwoch in einem Gespräch mit dem epd. Aber Politik und Gesellschaft müssten sich langfristig auf armutsmotivierte Massenmigration einstellen.

Herbert kritisierte, dass es in Deutschland keine zielgerichtete Migrationspolitik gebe. Der wirtschaftliche Bedarf an Arbeitskräften müsse von der Regierung regelmäßig definiert werden, sagte der Migrationsforscher. Problematisch sei, dass die Wirtschaft in Zeiten guter Konjunktur auf starke Einwanderung dränge und in Zeiten der Krise die Leute wieder freistelle. Dadurch flössen die Gewinne der Zuwanderung den Unternehmen zu, die Verluste aber würden auf den Staat abgewälzt.

Angst bei sozial Schwächeren am größten

Die hohe Zahl von Flüchtlingen bringe aber auch soziale und kulturelle Belastungen mit sich. Dabei würden die Belastungen vor allem von den sozial schwächeren Deutschen getragen. "Hier ist die Angst am größten - vor Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt oder bei den Sozialleistungen", sagte Herbert.

Die anhaltend steigende Zahl von Flüchtlingen werde Deutschland und Europa noch lange beschäftigen, sagte Herbert. "Wer glaubt, dass sich armutsmotivierte Massenmigration durch Befehl oder Gesetz einfach abstellen ließe, der irrt", betonte der Historiker. In einer Weltwirtschaft mit extremen sozialen Unterschieden sei Massenmigration nicht der Sonderfall, sondern der Normalfall. Es sei deshalb klug, sich darauf wirtschaftlich, politisch und kulturell einzustellen.

Abnehmende Kinderzahlen würden ausgeglichen durch Zuwanderung

Die Asylregelung von 1993, den europäischen Innenraum zuzumachen und damit allein die Grenzländer zu belasten, habe sich nicht bewährt, sagt der Historiker: "Wir können nicht Staaten wie Ungarn oder Griechenland die Hauptlast der Flüchtlinge überlassen." Deshalb sollten auch wirtschaftlich stärkere Länder wie Schweden, Holland, Belgien oder Österreich mehr Flüchtlinge aufnehmen.

Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund werde in Deutschland zwar von derzeit 20 Prozent innerhalb der nächsten Jahre auf etwa 25 Prozent steigen. Langfristig müsse sich das Land aber auf eine jährliche Zuwanderung von vielleicht 500.000 Menschen einstellen. Das wiederum würde aber "etwa den demografischen Verlust durch abnehmende Kinderzahlen in Deutschland ausgleichen", sagte Herbert.