Mission in Kritik: Scientology und Zeugen Jehovas werben bei Flüchtlingen

Foto: epd-bild/Gustavo Alabiso
Eine Frau aus Syrien mit ihrem Kind in der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe. An anderer Stelle in Baden-Württemberg werben Scientology und Zeugen Jehovas in Flüchtlingsheimen.
Mission in Kritik: Scientology und Zeugen Jehovas werben bei Flüchtlingen
Politiker, Kirchenvertreter und Menschenrechtler bezeichnen Missionierungsversuche von Scientologen und Zeugen Jehovas in Flüchtlingsunterkünften als bedenklich.

"Es ist schon problematisch, wenn man hier ankommende Flüchtlinge gleich missionieren will", sagt Angelika von Loeper, Vorsitzende des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg und Mitglied im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl.

Das baden-württembergische Integrationsministerium zieht einen Vergleich: Im Gegensatz zu Scientology und den Zeugen Jehovas leisteten die Wohlfahrtsverbände der beiden großen Kirchen, Caritas und Diakonie, praktische Hilfe und Unterstützung, sagt Ministeriumssprecher Christoph Häring: "Die machen ihren Job genauso wie die Hilfskräfte, die ja auch nicht im Rettungswagen missionieren."

Bedenkliche Mission in Asylunterkünften

Hintergrund ist ein Fall in einer Asylunterkunft in Stuttgart-Plieningen. Dort hatten die Zeugen Jehovas vor einiger Zeit versucht, mit den Flüchtlingen direkt auf dem Gelände in Kontakt zu kommen. "Die sind in ein Zimmer hineingegangen", sagt Elisa Schwegler von der Heimleitung. Daraufhin habe man sie gebeten, das Haus zu verlassen und ihnen ein Hausverbot erteilt. Seither sei die Religionsgemeinschaft nicht mehr erschienen.

"Unsere Mitglieder besuchen Menschen in den Asylunterkünften mit dem Ziel, ihnen zu helfen", sagt Wolfram Slupina von den Zeugen Jehovas. Die Tätigkeit in den Asylheimen beinhalte genauso Flüchtlingshilfe wie diejenige der Großkirchen. "Als Träger der freien Wohlfahrtspflege - der wir aufgrund unseres Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts sind - gebührt uns der freie Zugang zu den Asylunterkünften", fordert Slupina.

Die Zeugen Jehovas sind in 13 der 16 Bundesländer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Das Verfahren in Nordrhein-Westfalen ist noch nicht abgeschlossen. In Baden-Württemberg ruht ein entsprechendes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart.

Auch die umstrittene Organisation Scientology spreche in der Stuttgarter Königsstraße gezielt Flüchtlinge an, sagte ein Verfassungsschutz-Sprecher. "Die Straßenansprachen sind aber von mäßigem Erfolg", räumte er ein. Es sei aber "nicht auszuschließen und auch nicht verwunderlich, wenn die Scientology dreiste Versuche direkt in den Unterkünften" unternehme.

Aus ihrer Erfahrung im Karlsruher Menschenrechtszentrum weiß Loeper, dass schon in den 90er Jahren die Neuapostolische Kirche und die Zeugen Jehovas in Flüchtlingsunterkünfte gingen, um zu missionieren. "Viele Flüchtlinge kamen damals mit der Beschwerde zu uns, dass sie sich in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt fühlen", sagt sie.

"Kirchen bieten konkrete Hilfe und Unterstützung"

Kirchenvertreter betonen indes ihr Engagement in der Flüchtlingsberatung. Da gehe es absolut nicht um Missionierung, sondern um konkrete ehrenamtliche Hilfe und Unterstützung, sagt Doris Banzhaf von der badischen evangelischen Landeskirche. Die Konkurrenz zu anderen Religionen sei in keinster Weise Motivation für das Engagement. Ähnlich äußert sich auf katholischer Seite die Erzdiözese Freiburg.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe weist indes darauf hin, dass Vertretern von Glaubensgemeinschaften das Betreten der Landeserstaufnahmeeinrichtungen in der Region für Asylsuchende "zur Werbung von Mitgliedern oder zu missionarischen Tätigkeiten" untersagt ist. Zuwiderhandlungen würden strafrechtlich verfolgt. Über die Besuchsregelung für kleinere Unterkünfte entscheiden jedoch die Kommunen oder die Heimleitung.