Gutachter: Loveparade-Unglück war bis zuletzt abwendbar

Foto: dpa/Oliver Berg
Kerzen brennen am 23. Juli 2015 bei der "Nacht der 1.000 Lichter" in Duisburg zum Gedenken an die Opfer der Loveparade-Katastrophe vom 24. Juli 2010.
Gutachter: Loveparade-Unglück war bis zuletzt abwendbar
Während die Angehörigen fünf Jahre nach dem Loveparade-Unglück um die Opfer trauern, ist ein neues Gutachten aufgetaucht. Laut einem Bericht des "Spiegel" steht darin, dass die Katastrophe hätte verhindert werden können.

Das Loveparade-Unglück mit 21 Toten hätte nach einer neuen Experten-Einschätzung möglicherweise noch am Unglückstag selbst verhindert werden können. Zu diesem Schluss komme der britische Panikforscher Keith Still in einer neuen Expertise für das Landgericht Duisburg, berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bedauerte unterdessen, dass fünf Jahre nach dem Unglück die juristische Aufarbeitung noch immer nicht abgeschlossen ist.

In seinem neuen Gutachten schreibt Still dem Bericht zufolge, dass eine frühere Schließung der Zugangswege möglicherweise verhindert hätte, dass die "Menschenverdichtung" an der Zugangsrampe "über die sicheren Grenzwerte ansteigt". Bislang war die Duisburger Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass das Unglück aufgrund von schweren Planungsfehlern am Veranstaltungstag selbst praktisch nicht mehr abzuwenden war.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft stützt sich wesentlich auf ein Gutachten von Still. Das Landgericht Duisburg, das die Anklage seit anderthalb Jahren prüft, hatte dem Panikforscher dazu 75 Ergänzungsfragen gestellt. Seine Antworten liegen den Prozessbeteiligten seit kurzem vor.

Demnach hätten die Eingangsschleusen ab 15.50 Uhr konsequent abgeriegelt und die Besucher über andere Wege umgeleitet werden müssen, berichtete der "Spiegel". Tatsächlich seien die Zugangswege aber erst gegen 16.50 Uhr durch ein Polizeiaufgebot wirksam geschlossen worden, als am Fuß der Zugangsrampe bereits das gefährliche Gedränge entstanden sei. Die Staatsanwaltschaft lehnte dem Bericht zufolge einen Kommentar unter Verweis auf das schwebende Verfahren ab.

Ministerpräsidentin Kraft bedauert die schleppende Aufklärung

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erklärte derweil, auch sie leide unter der schleppenden juristischen Aufarbeitung des Unglücks. "Leider können die Betroffenen so noch keinen Abschluss finden. Das macht mich traurig", sagte Kraft dem Nachrichtenmagazin "Stern" in Hamburg. Sie wisse aber auch, wie komplex die Verfahren seien und dass Sorgfalt notwendig sei.

Bei einer Massenpanik auf dem Techno-Festival in Duisburg am 24. Juli 2010 waren 21 Menschen gestorben und mehr als 500 verletzt worden. Die Stadt Duisburg wollte am Freitagabend mit einer Gedenkfeier am Unglücksort an die Opfer erinnern. Kraft brach nach Angaben des "Stern" ihren Urlaub ab, um daran teilzunehmen. Bereits am Donnerstagabend hatte der Betroffenen-Verein "LoPa 2010" zur traditionellen "Nacht der tausend Lichter" am Unglücksort eingeladen. Am Vorabend des fünften Jahrestages des Unglücks zündeten Angehörige, Überlebende und Bürger Kerzen für die Toten an.

Für die langfristige Versorgung von Menschen, die bei dem Unglück verletzt oder traumatisiert wurden, haben Angehörige und Betroffene am Donnerstag eine Stiftung gegründet. Die "Stiftung 24.7.2010" soll zudem die künftigen Gedenktage in Duisburg organisieren und für die Pflege der Loveparade-Gedenkstätte sorgen.