Neue Studie: Kirchen bieten gesellschaftlichen Anschluss in armen Regionen Deutschlands

Neue Studie: Kirchen bieten gesellschaftlichen Anschluss in armen Regionen Deutschlands
Kirchen bieten einer Studie zufolge gerade in Regionen mit hohem Armutsrisiko die Chance, gesellschaftliches Leben aufrecht zu erhalten.

"Kirchengemeinden nehmen Armut sensibel wahr und berücksichtigen sie bei der Gestaltung der Gemeinden und des Kirchenkreises", heißt es in einer am Dienstag in Hannover veröffentlichten Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Studie untersucht den gesellschaftlichen Wandel und die Bedeutung von Kirchengemeinden in der Uckermark.

Nordbrandenburg und Mecklenburg, wo die Uckermark liegt, zählen laut Studie zu den Regionen mit den höchsten Armutsanteilen in Deutschland. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes liegt die Armutsgefährdung der beiden Länder bei 17,7 beziehungsweise 23,6 Prozent. Zudem haben der Untersuchung zufolge geringe Geburtenraten und Abwanderung dazu geführt, dass die Zahl der Kirchenmitglieder und Mitarbeitenden stark gesunken ist.

Der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts, Gerhard Wegner, betonte, die Studie zeige Handlungsoptionen auf und mache deutlich, wie armutsbezogenes Engagement entwickelt werden könne. Laut der Untersuchung erschweren zwar geringe Mittel und hohe Belastung der Kirchengemeinden ehrenamtliches Engagement. Dennoch habe eine weitgehend flächendeckende Struktur kirchlichen Lebens in der Uckermark erhalten werden können. 

Die Soziologin Susann Jenichen sagte mit Blick auf die Situation in der Region, "viele Befragte sind traditionell stark engagiert oder schauen auf Phasen des bürgerschaftlichen Engagements zurück". Durch die Bevölkerungsentwicklung und die geringen Mittel seien jedoch die Möglichkeiten eingeschränkt. Viele Menschen seien wütend und fühlten sich ohnmächtig, dass ihre Region vernachlässigt werde und sie von positiven Entwicklungen ausgeschlossen seien, sagte die Autorin der Studie.

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch Kinderfreizeiten oder gemeinsame Konfirmationsfeiern

Aus der Studie geht hervor, dass von Armut betroffene Menschen, die sich etwa in Kirchengemeinden engagieren, unter anderem eine Re-Normalisierung ihres Alltags und eine Aufwertung ihres Selbstbildes erfahren. Sie fühlten sich weniger abgehängt. Durch kirchliche Angebote, wie etwa Kinderfreizeiten oder gemeinsame Konfirmationsfeiern, könnten von Armut betroffene Menschen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erfahren.

Die Studie ist die dritte Untersuchung zur Lebenssituation von Menschen in Armut in Deutschland. In den Blick genommen hat das Sozialwissenschaftliche Institut bereits Hamburg (2006) und die ländliche Regionen in Niedersachsen (2009). Das Sozialwissenschaftliche Institut ist als wissenschaftlicher Dienst für die EKD und die Landeskirchen tätig. Es untersucht unter anderem den gesellschaftlichen Wandel, Veränderungen in der Arbeitswelt und wirtschaftliche und soziale Entwicklungen.