TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Kreise" (ARD)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Kreise" (ARD)
TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Kreise" (ARD) am 28. Juni um 20:15 Uhr
Ganz normale Krimis sind die Münchener „Polizeiruf“-Beiträge des Bayerischen Rundfunks (BR) eigentlich nie. Düster sind sie im Grunde immer; ein Film musste gar aus Jugendschutzgründen ins Nachtprogramm verschoben werden. Gerade die Beiträge von Dominik Graf (zuletzt „Smoke on the Water“) sind hohe Krimischule.

Für den "Polizeiruf 110: Kreise" konnte der BR Christian Petzold verpflichten. Der für seine Dramen mit Nina Hoss gefeierte und vielfach ausgezeichnete Kinoregisseur ist dank preisgekrönter Werke wie "Die innere Sicherheit", "Yella" oder "Wolfsburg" der wohl prominenteste Vertreter der für ihre unprätentiöse, realitätsnahe Arbeit bekannten Regisseure der "Berliner Schule" und arbeitet nur in Ausnahmefällen fürs Fernsehen (Grimme-Preis für "Dreileben"). Publikumserfolge sind seine Arbeiten in der Regel jedoch nicht, weil sie nicht gefällig sein wollen. Für "Kreise" gilt das nicht minder: Petzold, der auch das Drehbuch geschrieben hat, schert sich nicht um die üblichen Konventionen des Sonntagskrimis.

Der Film wirkt betont unaufwändig; die Handlung besteht größtenteils aus Dialogen, die bei Autofahrten oder in Vernehmungsräumen geführt werden. Und wo sich Regisseure sonst bemühen, Gesprächssituationen wenigstens durch die Bildgestaltung aufzulockern, beschränkt sich Petzold darauf, seinen Figuren zuzuschauen. Ungewöhnliche Einstellungen haben seine Filme ohnehin selten zu bieten. Trotzdem gelingt es ihm regelmäßig, große subtile Spannung aufzubauen; und das gilt auch für diesen "Polizeiruf".

Die Geschichte ist scheinbar schlicht: Eine Unternehmerin wird tot im Wald gefunden. Als Verdächtige kommen drei Personen infrage: ihr Sohn, ihr Mann und dessen Geliebte; alle haben ein Alibi. Eine klassische Krimikonstellation also, die Petzold und sein Stammkameramann Hans Fromm auch klassisch umsetzen. Nicht die Bilder sollen faszinieren, sondern die Figuren; und das funktioniert selbstredend nur mit entsprechend herausragenden Darstellern, zwischen denen sich eine Chemie entwickelt.

Vieles nur angedeutet

Matthias Brandt ist für solche Anordnungen der ideale Schauspieler. Hauptkommissar Hanns von Meuffels arbeitet diesmal mit der Kollegin Constanze Hermann zusammen, die für ein einmaliges Gastspiel aus Hamburg an die Isar gekommen ist. Die trockene Alkoholikerin ist als Figur ohnehin interessant, aber Barbara Auer holt gerade im Zusammenspiel mit Brandt mehr aus der Rolle heraus, als sie zu bieten hat. Auch hier wird Vieles nur angedeutet; erst am Ende zeigt sich, dass der Krimi nebenbei eine kaschierte Romanze ist.

Brandt und Auer haben schon häufig zusammen gespielt, was die Vertrautheit, die zwischen ihren Figuren entsteht, noch glaubhafter wirken lässt. Eigentlicher Gegenspieler Brandts aber ist Justus von Dohnányi als Witwer, der nun das Unternehmen erben wird. Er ist die faszinierendste Figur in diesem Spiel, ein Möbeldesigner und begeisterter Modellbauer, dessen Lebensentwürfe den Film um eine reizvolle Ebene ergänzen, weil seine Miniwelten immer wieder Interpretationsansätze für die Ereignisse bieten.

Natürlich ist "Kreise" Kopfkunst, aber trotzdem funktioniert der Film auch als Krimi, zumal der Mörder einen fast perfekten Plan ausgeführt hat; Petzold kommt halt ohne die sonst obligaten Zutaten aus. Auf eigens komponierte Musik zum Beispiel verzichtet der Film ganz; wenn Musik ertönt, stammt sie vom Nachtpförtner, der lautstark Klassik hört, oder es erklingt "I’m Not In Love" von 10cc mit der passenden Textzeile "Big boys don’t cry", große Jungs weinen nicht.

Ähnlich sparsam ist die Arbeit der Kamera, die meist nur bewegungslos zuschaut. Dafür sind die gerade die personellen Konstellationen umso sorgfältiger komponiert. Wie sich die Figuren umkreisen, wie sie sich belauern und miteinander spielen, das hat Petzold großartig inszeniert. Auch die Dialoge sind ein intellektuelles Vergnügen, und das nicht nur wegen der diversen Anspielungen. Allein schon von Meuffels’ mäandernde Fragetechnik ist ein Genuss. Mit diesen drei Ausnahmeschauspielern kann ein Film ohnehin nur gelingen.