So sind wir klug geworden

Foto: epd/Stefan Arend
Der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag ging am Sonntag, 7. Juni, mit einem Großgottesdienst auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart zu Ende. Was haben wir mitgenommen?
So sind wir klug geworden
"...damit wir klug werden" war Motto und Ziel des evangelischen Kirchentages in Stuttgart. Es hat geklappt: Wir sind klug geworden!

Klug ist, sich frisches Wasser zu holen

Frank Muchlinsky, Pastor und Redakteur bei evangelisch.de

Das Symbol für diesen Kirchentag waren für mich die vielen Trinkwasserstellen, die in der Stadt eingerichtet waren, denn der Kirchentag war wieder einmal wie eine Quelle mit frischem Wasser mitten in der Hitze. Man kommt zusammen am Brunnen und holt sich, was man für den weiteren Weg braucht. Man trifft sich, steht an, wenn es sein muss und lässt sich erfrischen.

Das Motto in diesem Jahr ließe sich ohne weiteres auf sämtliche Kirchentage übertragen, denn es macht klug, zusammen zur Quelle zu gehen, sich zu vergewissern, was uns belebt und antreibt. Die meisten werden auch in diesem Jahr vor allem das Gefühl einer großen und fröhlichen Gemeinschaft mitnehmen, andere werden neue Impulse für ihre Arbeit gefunden haben, mit persönlich werden die neuen Begegnungen mit den biblischen Texten im Gedächtnis bleiben. Es hat mich klug gemacht, mit anderen aus diesem Brunnen zu trinken. Es hat mich erfrischt, wie verschieden wir daraus geschöpft haben.

Zuhören macht klug

Anne Kampf, Redakteurin bei evangelisch.de

Um ein "hörendes Herz" bittet der junge König Salomo (1. Könige 3). Hören, genau hinhören, zuhören – das macht klug! Auf diesem Kirchentag bin ich jedenfalls vom Zuhören klüger geworden – vor allem, wenn auf den Bühnen persönliche Geschichten erzählt wurden: Von Hildegard und Helene, deren Beziehung von den Nazis zerstört wurde. Von Tim, der früher Angela hieß und dessen Kinder zu ihm halten. Geschichten von Verfolgung, von Veränderung im Leben und von Liebe. Was Menschen von sich oder anderen erzählen, macht klug. Weil man da nicht nur mit dem Kopf hinhört, sondern auch mit dem Herzen – wie Salomo.

Mit Gelegenheiten zusammenstoßen

Hanno Terbuyken, Portalleiter von evangelisch.de

Auf einem Kirchentag konzentriert sich ganz viel von dem, was wir in der Welt erleben können, auf engem Raum: eine Innenstadt, vier Handvoll Kirchen, 19 Messehallen. Deswegen ist es auf dem Kirchentag so einfach, klug zu werden. Überall ergeben sich Gelegenheiten zum Hinschauen, Zuhören und Mitreden. Man musste in diesen Tagen in Stuttgart nur stehenbleiben, um mit einer solchen Gelegenheit zusammenzustoßen. Zuhause geht das auch. Denn all die Menschen, die den Kirchentag zu fünf spannenden Tagen machen, fahren wieder nach Hause und sind dann immer noch spannend. Alle zwei Jahre ist der Kirchentag eine konzentrierte Erinnerung daran, dass die Welt nur dann ein bisschen besser werden kann, wenn wir gemeinsam Hinschauen, Zuhören und Mitreden – auch dann, wenn die Gelegenheiten dazu nicht so auf der Straße und in Zelthallen liegen wie es in Stuttgart der Fall war. (Das habe ich auch am Samstag abend in der Predigt für online-andacht.at aufgegriffen.).

Die Offenheit bewahren

Nora Frerichmann, Volontärin bei evangelisch.de

Klug geworden bin ich hier in Stuttgart, bei meinem ersten Besuch eines Evangelischen Kirchentags, vor allem durch die besondere, gelöste Stimmung und den offenen und entspannten Umgang der Menschen miteinander. In den überfüllten Bahnen, den überhitzten Hallen und unter den Helfern herrschen weder Stress noch Gereiztheit. Die Menschen gehen aufeinander zu, helfen und sind neugierig. Wenn sich diese Offenheit über den Kirchentag hinaus bewahren lässt, können wir auch von verschiedenen Kulturen lernen, von anderen Religionen und uns fremden Lebensentwürfen.

Geschwisterliche Liebe - wichtig wie die Luft zum Atmen

Markus Bechtold, Redakteur bei evangelisch.de

"In geschwisterlicher Liebe sind wir einander zugetan, in gegenseitiger Achtung kommen wir einander vor!" Das habe ich auf dem Kirchentag vielerorts spüren dürfen, das hat mich berührt. Die Welt ist aber kein Kirchentag. Betrübt haben mich dieser Tage Gespräche mit Menschen, die sich wegen ihrer sexuellen Identität noch immer ausgeschlossen fühlen, oder weil sie arm sind, ihre Arbeit verloren haben oder vom Leben überfordert sind. In geschwisterlicher Liebe füreinander da sein! Das klingt so unscheinbar selbstverständlich. Eben mit dem Herzen hören. Mich hat klug gemacht, dass diese Haltung so unendlich wichtig ist, fast so wichtig wie Luft, die wir brauchen zum Atmen.

Klug werden durch Zusammenhänge

Claudius Grigat, Redakteur bei evangelisch.de

"Liebe braucht Zusammenhänge" heißt es in einem Song der Band Blumfeld. Wie wahr! Auf dem Kirchentag 2015, der als "Friedenskirchentag" ganz besonders im Zeichen der gegenwärtigen Flüchtlingskatastrophe stand, wurde mir das sehr deutlich. Bei diversen Veranstaltungen – zum Kirchenasyl, zum Recht auf Einwanderung, zur globalisierten Wirtschaft oder auch zu Themen wie Verschuldung und Verfolgung, wurde immer wieder klar, wie das Handeln der Einen das Schicksal der Anderen beeinflusst. Das ist nicht neu, muss aber (immer) wieder neu in das Bewusstsein dringen. Und natürlich die daraus resultierende Schlussfolgerung: Dass in der Einen Welt verantwortliches Handeln gefragt ist, ein Handeln, das geleitet ist von Liebe, von Nächsten-Liebe. Und die braucht eben Zusammenhänge, damit sie klug werden kann. Klug, oder "herzensweise", wie Bischof July es im Eröffnungsgottesdienst formulierte.

Tageslösung: Das hat evangelisch.de am Samstag auf dem Kirchentag in Stuttgart klug gemacht.