TV-Tipp des Tages: "Mutter auf Streife" (ARD)

TV-Tipp des Tages: "Mutter auf Streife" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Mutter auf Streife", 29. Mai, 20.15 Uhr im Ersten
Der Titel ist doof, und das nicht nur deshalb, weil er inhaltlich falsch ist: Die Münchener Zahnarztgattin Mia will zwar in der Tat Polizistin werden, doch ob ihr das überhaupt gelingt, lässt das Ende offen. "Mutter auf Streife" klingt zudem auf subtile Weise abwertend, und das wird der Hauptfigur nicht gerecht. Der Titel vermittelt exakt die Haltung von Mias Mann: Florian hält den Wunsch seiner Frau für eine Schnapsidee.

Das Drehbuch von Norbert Eberlein, der einen Großteil seines Arbeitslebens damit verbringt, sich Geschichten für die ARD-Vorabendserie "Großstadtrevier" oder die NDR-Reihe "Neues aus Büttenwarder" auszudenken, basiert auf einer Idee von Nicole Walter-Lingen. Die Handlung erinnert allerdings frappierend an den ebenfalls im Auftrag der Degeto entstandenen Selbstfindungsfilm "Besser spät als nie" (8. Mai). Dort will eine Hausfrau und Mutter mit Ende vierzig endlich ihren Jugendtraum verwirklichen, als die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, und ihr einst abgebrochenes Medizinstudium beenden. Sogar Figurenverteilung und Ambiente sind identisch: beruflich erfolgreicher Ehemann, Tochter in der Pubertät, Sohn im Grundschulalter; bloß die Städte sind unterschiedlich. Und das Alter der Protagonistinnen: Mia ist erst 34. Nur deshalb bietet sich ihr überhaupt die Möglichkeit, doch noch wie ihr Vater im Rahmen einer "Ausbildung für lebensältere Bewerber" zur Polizei zu gehen.

Wie schon "Besser spät als nie", so verzichtet auch "Mutter auf Streife" darauf, das bisherige Leben Mias als vergeudete Zeit darzustellen. Im früheren Degeto-Film mussten die damals noch deutlich älteren Hauptfiguren regelmäßig verbittert feststellen, dass sie ihr bisheriges Dasein an einen Mann verschwendet hatten, der sie dann wegen einer Jüngeren sitzen ließ. Mia aber ist mit sich im Reinen. Allerdings erwartet sie von ihrer Familie, dass sie sich nun für die vergangenen 16 Jahre revanchiert. Die denkt allerdings gar nicht dran, was dramaturgisch aber nur funktioniert, weil außer Mia alle anderen überzeichnet sind. Das gilt vor allem für Mias Schwiegermutter (Eleonore Weisgerber), die perfekt jenem Stereotyp der Alt-68erin entspricht, das sich seit einiger Zeit in vielen Komödien dieser Art tummelt: Helga schimpft über das Establishment wettert, fährt R4 und raucht gern mal einen Joint; Spaß macht die Figur trotzdem. Ihre Enkelin Sarah (Alexandra von Giese) ist aus ähnlichem Holz geschnitzt, hält ihrem kleinen Bruder Vorträge über Haben oder Sein und schwärmt für Che Guevara. Helga und Sarah sorgen einerseits dafür, dass Mia noch spießiger erscheint, entlarven andererseits die eigenen Parolen durch ihr unsolidarisches Verhalten als pure Attitüde, denn selbstredend müssten sie Mias Emanzipationsansinnen eigentlich unterstützen: Sie trägt nach einem Einbruch in der Nachbarschaft tatkräftig dazu bei, dass die Täter gefasst werden, und erinnert sich an ihren alten Traum. Die polizeiliche Aufnahmeprüfung bedarf allerdings intensiver Vorbereitung, denn Mia ist eher unsportlich, und prompt geht daheim alles drunter und rüber, weil sich ihre egozentrische Familie als völlig unsolidarisch erweist.

Bis hierher ist "Mutter auf Streife" auch dank amüsanter Details Komödie (das Kissen, mit dem Sarah jeden Morgen beim Wecken nach Mia wirft; der Porschefahrer, der jedes Mal böse hupt, wenn Mia an der Schule ihres Sohnes ausparkt). Das ändert sich jedoch nach und nach, als Martin Feifel auftaucht, und spätestens jetzt zeigt sich die Qualität von Jan Růžička, unter dessen Regie auch klassische Degeto-Produktionen meist mehr als bloß Zeitvertreib waren ("Weniger ist mehr", "Die Frau des Frisörs"). Feifel spielt einen abgewrackten ehemaligen Polizeiausbilder, den Mia engagiert, damit er sie auf die Prüfung vorbereitet. Der Mann nimmt seine Aufgabe ernst und konfrontiert die behütete Frau mit den dunklen Seiten des Daseins; plötzlich sieht der Film dank eines komplett anderen Lichts wie ein Krimi aus (Kamera: Gunnar Fuß). Und natürlich verkörpert ein Schauspieler wie Feifel den früheren Polizisten nicht bloß als kaputten Typen: Er versieht den Mann mit einer derart andeutungsreichen Aura, dass seine Reaktion, als Mia kurz vor der Prüfung aufgibt, alle möglichen Schlüsse zulässt; bis hin zur enttäuschten Liebe. Zu dieser Vielschichtigkeit passt auch der Schluss, der mutig mit der Tradition der auf diesem Sendeplatz stets geschlossenen Geschichten bricht.