Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf

Foto: Hoffnungszeichen e.V.
Erstmal sind Nahrungsmittel das Wichtigste: Hanna Fuhrmann trägt mit einem Kollegen einen Sack Reis.
Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf
"Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan." Dieser Vers aus dem Matthäusevangelium ist Leitsatz der christlichen Hilfsorganisation Hoffnungszeichen. Schon drei Tage nach dem schweren Erdbeben waren die Mitarbeiterinnen Hanna Fuhrmann und Melanie Hastreiter in Nepal, um zu helfen. Im Interview berichtet Hanna Fuhrmann, was sie tun konnten und wem sie begegnet sind.

War es in Nepal so chaotisch, wie man in den Medienberichten hörte und sah?

Hanna Fuhrmann: Nein, das muss man ein bisschen relativieren. Natürlich, an dem Dienstag, als wir ankamen - das war ja gerade mal drei Tage nachdem das Erdbeben geschehen war - da war sehr viel los, auch am Flughafen. Viele Organisationen kamen ins Land. Aber das meiste war sehr gut geregelt, man konnte zum Beispiel den Visumsantrag schnell durchbringen, und dann vor Ort konnte man sich gut einleben und sich dann mit den anderen Organisationen koordinieren und sehen, wie die Lage ist.

Wir haben im Fernsehen Teams gesehen, deren Angebot gar nicht gebraucht wurde oder an der falschen Stelle ankam. Ist es nicht ein bisschen naiv, einfach zwei Tage nach einem Erdbeben aufzubrechen, angesichts der schwierigen Koordination vor Ort?

Fuhrmann: Wir waren sehr gut vorbereitet. Wir hatten schon bevor wir abgeflogen sind einen lokalen Partner vor Ort, der auch bereits dabei war, Hilfe vorzubereiten und zu koordinieren. Deshalb wussten wir auch, dass wir, wenn wir ankommen, sofort Hilfe leisten können - an Stellen, wo die Hilfe auch wirklich gebraucht wird. Und dann haben wir uns erstmal einen Überblick verschafft: Wo wird noch Hilfe gebraucht? Wir haben uns mit anderen Organisationen abgestimmt und haben Teams in die verschiedenen Regionen geschickt um zu sehen: Wie kommen wir wo am besten hin und wo wird unsere Hilfe gebraucht?

Ich stelle mir vor, dass so ein Einsatz wahnsinnig anstrengend ist. Man muss sich an das Klima gewöhnen, den Jetlag bewältigen - und wo haben Sie überhaupt übernachtet?

Fuhrmann: Ja, da haben Sie Recht, das ist natürlich schon sehr kräftezehrend. Wir haben in einem Hotel in Kathmandu übernachtet, das vom Erdbeben verschont wurde - das heißt, es war eine sichere Unterkunft. In dem Hotel war auch unsere Station, von der aus wir agiert haben. 

Wie konnten Sie den Menschen konkret helfen?

Fuhrmann: Wir haben gleich an unserem ersten Tag, dem Mittwoch, Medikamente und Lebensmittel verteilt. Die Medikamente gingen an eine Sammelstelle, die sie dann an die kleinen Stationen weiterverteilt hat, wo medizinische Basisgesundheitsversorgung gegeben wurde. Und wir haben in Bhaktapur, das ist circa 14 Kilometer von Kathmandu City entfernt, in einer Notunterkunft Lebensmittel verteilt. Da heißt, wir haben schon am ersten Tag an circa 2500 Menschen Lebensmittelhilfe übergeben können. Dann sind wir in der laufenden Woche in die Bergdörfer gegangen. In der Region Sindhupalchok haben wir auch Nahrungsmittel verteilt, so dass wir innerhalb der ersten Woche an über 6000 Menschen Nahrungsmittel übergeben konnten.

Das sind sehr viele Menschen, die Sie getroffen haben. Gab es eine Begegnung, die Ihnen besonders in Erinnerung bleiben wird?

Fuhrmann: Ja, es gab eine Begegnung, die mir sehr positiv in Erinnerung geblieben ist: eine ältere Dame von über 60 Jahren, die wir in der Notunterkunft in Bhaktapur getroffen haben, wo sie ja wirklich zum Teil nur unter Planen hausen. Diese Frau ist extra nochmal zum Übersetzer gegangen und hat gefragt, wer wir sind und was wir machen. Sie hat sich erkundigt, ob es uns denn gut geht und hat ganz aktiv den Übersetzer angesprochen, er solle uns fragen, wo wir untergekommen sind, ob wir sicher sind, ob wir genug zu Trinken und zu Essen haben. Das fand ich wirklich sehr bemerkenswert und auch sehr berührend, muss ich sagen, dass diese ältere Dame, die alles verloren hatte und nicht wusste, wie es weitergeht, sich darum gesorgt hat, wie es uns als Helferinnen geht. Sie wollte im Anschluss ein Foto machen mit ihren Freundinnen und uns. Das ist eine Geschichte, die ich gerne teile.

Rajamanti Gora (2.v.r.) wollte unbedingt wissen, ob die beiden Helferinnen Hanna Fuhrmann (3.v.r.) und Melanie Hastreiter (rechts) in Kathmandu gut versorgt sind.

Wie geht es denn nun weiter – die Menschen in Nepal brauchen ja nicht nur in den ersten Tagen und Wochen Unterstützung, sondern auch in Zukunft. Wer hilft ihnen denn, wenn die ganzen Soforthelfer wieder weg sind?

Fuhrmann: Das ist natürlich auch unser Anliegen. Wir sprechen immer von verschiedenen Phasen. Zunächst geht es darum, den Menschen Lebensmittel und Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. In dieser Phase ist es wichtig, dass die Menschen zu essen haben und zumindest später eine Plane über dem Kopf. Aber sie brauchen weiterhin Unterstützung, damit sie bald wieder ein sicheres Zuhause haben. Ich war zweimal in den Bergen unterwegs, dort wurden ganze Dörfer zerstört, die Menschen haben auch ihr Essen und ihre letzten Vorräte verloren. Das sind nur die Dörfer, die wir bereits erreicht haben. Es gibt noch einige, die jetzt erst in diesen Tagen oder in der kommenden Woche erreicht werden können um zu sehen, wo die Menschen auch Hilfe brauchen. Die nächste Phase ist der Wiederaufbau. Deswegen haben wir jetzt unser zweites Team vor Ort, um zu sehen, wie wir weiterhin helfen können. Denn in vier bis sechs Wochen kommt der jährliche Monsunregen, und bis dahin brauchen die Menschen wirklich eine Unterkunft, in der sie sicher sind vor dem Regen.

Das alles kostet Geld. Aber Spender in Europa sind manchmal vorsichtig und haben Sorge, dass das Geld irgendwo versickert - gerade wenn sie hören, dass die nepalesische Regierung nicht so ganz professionell agiert. Wohin sollte man denn spenden?

Fuhrmann: Natürlich an Organisationen, die man bereits kennt, wie zum Beispiel Hoffnungszeichen. Organisationen, die Leute vor Ort haben, die dort gut vernetzt sind. Wie gesagt, wir haben in Nepal lokale Partnerorganisationen, die seit einigen Jahren dort arbeiten und die Gegend und die Menschen einfach kennen, die sich mit anderen Organisationen abstimmen, um zu schauen, dass die Hilfe auch nicht gedoppelt wird, sondern wirklich da ankommt, wo sie auch gebraucht wird.