Organspende: Verteidiger wollen Freispruch für Transplantationsarzt

Organspende: Verteidiger wollen Freispruch für Transplantationsarzt
Mutmaßliche Manipulationen bei Leberverpflanzungen brachten 2012 den Göttinger Organspendeskandal ins Rollen, der die Bereitschaft zur Organspende schwer erschütterte. Im Prozess gegen den Transplantationsarzt wird bald ein Urteil erwartet.

Im Prozess um Manipulationen bei Organverpflanzungen an der Göttinger Universitätsklinik hat sich der angeklagte Arzt nach Ansicht seiner Verteidiger keines Straftatbestandes schuldig gemacht. Das Göttinger Landgericht müsse ihren Mandanten deshalb freisprechen, verlangten die Rechtsanwälte Jürgen Hoppe und Steffen Stern am Mittwoch in ihrem vierstündigen Plädoyer. Das Urteil soll am 6. Mai verkündet werden. (Az 6 Ks 4/13)

Der ehemalige Leiter der Transplantationsabteilung am Uni-Klinikum ist wegen versuchten Totschlags in elf Fällen und Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen angeklagt. Er habe bei der Meldung von Daten seiner Patienten gegenüber der zentralen Vergabestelle von Spenderorganen "Eurotransplant" falsche Angaben gemacht. Dadurch seien diese Patienten auf der Warteliste nach oben gerückt, argumentierte die Staatsanwaltschaft.

Andere, schwerer erkrankte Menschen hätten deshalb keine Organe bekommen und seien möglicherweise gestorben. Fünfmal habe sich der Professor über eine Richtlinie der Bundesärztekammer hinweggesetzt, wonach Patienten ein halbes Jahr vor einer Leberverpflanzung keinen Alkohol konsumieren dürfen.

In drei Fällen habe der heute 47-Jährige zudem Organe verpflanzt, obwohl dies medizinisch nicht angezeigt gewesen sei. Die Patienten waren später gestorben. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Gefängnisstrafe von acht Jahren und ein lebenslanges Berufsverbot als Transplanteur.

Aus Sicht von Rechtsanwalt Hoppe dagegen hat der Beschuldigte als Arzt so gehandelt, wie es medizinisch geboten war. Seine Patienten seien sehr krank gewesen und hätten eine neue Leber benötigt. Die Richtlinie der Ärztekammer zur Alkoholabstinenz bezeichnete der Jurist als rechtlich nicht bindend. Mit Blick auf die drei nach den Transplantationen gestorbenen Patienten sagte Rechtsanwalt Stern, auch in diesen Fällen habe es Indikationen für eine Leberverpflanzung gegeben.

Das Verfahren in Göttingen ist der erste Prozess, in dem die Skandale um Organverpflanzungen an mehreren deutschen Universitätskliniken juristisch aufgearbeitet werden. Seit Mitte August 2013 wurden 64 Verhandlungstage absolviert. Die Kammer hörte 101 Zeugen und neun Sachverständige an. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass in jedem Fall nach dem Urteil Revision beantragt wird. Richtlinienverstöße bei Organtransplantationen soll es auch in Regensburg, München, Leipzig, Hamburg, Münster und Essen gegeben haben.