EKD: Politik und Sozialpartner sollen für Schwächste sorgen

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EKD: Politik und Sozialpartner sollen für Schwächste sorgen
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) warnt vor einer wachsenden sozialen Ungleichheit.

Während sich die Lage am Arbeitsmarkt insgesamt positiv entwickelt habe, sei die Zahl atypischer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse gestiegen, kritisierte die EKD in einer Denkschrift, die am Dienstag in Frankfurt am Main vorgestellt wurde. In der Folge wachse der Niedriglohnsektor. Hier müssten Politik und Sozialpartner für Beschäftigungsbedingungen im Interesse der Schwächsten sorgen, fordert die EKD.

Im Vorwort der Denkschrift mit dem Titel "Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt" schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, das Auseinanderdriften der Einkommen und Vermögen sei Anlass zur Sorge. Noch nie seit 1945 seien die Unterschiede so groß gewesen wie heute. "Wer gesellschaftliche Teilhabe für die Menschen in der Gesellschaft fordert, wie dies in christlicher Ethik unabdingbar ist, der kann sich mit sozialer Ungleichheit nicht abfinden", mahnt der bayerische Landesbischof.

Christliches Ideal: Einbeziehen aller Menschen

Die Denkschrift erörtert Chancen und Risiken der neuen Arbeitswelt: Digitalisierung, Globalisierung und damit zeitliche und räumliche Entgrenzung. Vorgestellt wurde die Denkschrift von Bedford-Strohm und dem Ökonomen Gustav A. Horn. Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ist Vorsitzender der EKD-Kammer für soziale Ordnung, die die Denkschrift vorbereitet hat.

Arbeit sei kein Selbstzweck, sondern Dienst an der Gemeinschaft, die auf Kooperation und Solidarität angewiesen sei, erläuterte Bedford-Strohm. Christliches Ideal sei nicht rastloses Tätigsein, sondern die Einbeziehung aller Menschen in die Arbeitswelt. Der Ratsvorsitzende warb dafür eine "kommunikative Arbeitsmoral", die über das Motiv des Lebensunterhalts hinaus durch Anerkennung die Identität des Menschen präge. In den Unternehmen, bescheinigte der Theologe, sei das Bewusstsein für diese "Sinn- und Wertegemeinschaft" gestiegen.

Die Würde der arbeitenden Menschen konkretisiere sich in fairen Lohnvereinbarungen der Tarifpartner. Sie müssten erlauben, "dass der Mensch von seiner eigenen Arbeit leben kann", ergänzte Bedford-Strohm. Er lobte das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft als große Errungenschaft. Der Wirtschaftswissenschaftler Horn argumentierte, gerade in Krisenzeiten bewähre sich kooperatives Handeln.

In der Denkschrift wird den Gewerkschaften bescheinigt, dass sie wesentlich zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten beigetragen hätten. "Als Mischung aus Wertegemeinschaft, Ordnungsfaktor und Interessenverband fördern sie gerechtere Strukturen, sorgen für einen angemessenen Anteil der Arbeitnehmerschaft an Unternehmens- und Kapitalgewinnen und verhindern so ein starkes Auseinanderdriften der Gesellschaft", heißt es.

Streikrecht als Mittel der "Zivilisierung"

Der Text verweist auf die Allianz von Gewerkschaften und Kirchen, die sich gemeinsam gegen Werkschließungen oder die Aushöhlung des Sonntagsschutzes zur Wehr setzt. Gewarnt wird vor einer weiteren Erosion des Tarifsystems durch kleine Berufs- und Spartengewerkschaften, die Ausnahmen bleiben müssten. Ohne Tarifeinheit drohten Eigeninteressen von Berufsgruppen die betriebliche Solidarität auszuhöhlen und führten zu sozialen Verwerfungen.

Ausdrücklich bejaht das EKD-Dokument das Streikrecht als Mittel der "Zivilisierung" in Tarifkonflikten. Die Positionen zum Streikrecht sind in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen unterschiedlich. Die Denkschrift weist jedoch darauf hin, dass es hinsichtlich Bezahlung und Beschäftigungsbedingungen auch ein gemeinsames Interesse gebe: die angemessene finanzielle Ausstattung sowie flächendeckende Mindeststandards für die Leistungserbringung. Ein allgemeinverbindlich geltender Flächentarifvertrag könne eine Option sein, hält die EKD fest.

Begrüßt wurde das EKD-Dokument von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Für die Schwächsten am Arbeitsmarkt müsse der Einstieg ins Berufsleben möglich sein. Befristete Arbeitsverhältnisse und Zeitarbeit könnten für Problemgruppen eine wichtige Brücke in den Arbeitsmarkt sein, argumentierte der Arbeitgeberverband. Der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, Gerd Wegner, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), Leiharbeit und Werkverträge sollten streng reguliert werden. Es müsse der Grundsatz gelten: "gleicher Lohn für gleiche Arbeit".

Beifall gab es auch von der SPD. Der Mindestlohn sei ein bedeutender Schritt dafür, dass man von seiner Vollzeitarbeit auch leben könne, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende, Thorsten Schäfer-Gümbel. Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen werde noch in dieser Legislaturperiode Einhalt geboten. Auch die Befristung von Beschäftigung ohne sachlichen Grund gehöre abgeschafft, sagte der SPD-Politiker.