"Ehre" können Eltern nicht verlangen

Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
"Ehre" können Eltern nicht verlangen
Viele Menschen nutzen "Vater-" und Muttertag, um ihren Eltern kleine Geschenke zu machen oder Aufmerksamkeit zu schenken. Biblisch gesehen erinnern uns diese Tage an das Gebot "Du sollst Vater und Mutter ehren." Doch Eltern müssen sich Respekt auch verdienen. Sonst wird das nichts mit dem Gebot.

Der Tag, an dem ich begriff, was meine Eltern alles für mich getan hatten, war der, an dem ich begann, das gleiche für meine Kinder zu tun. Das biblische Gebot "Du sollst deine Eltern ehren" kannte ich zwar schon vorher, aber erst jetzt denke ich darüber nach, was es für mich bedeutet.

"Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie der Herr, dein Gott, es dir geboten hat, damit deine Tage lange währen und damit es dir gutgeht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt." (Deuteronomium 5,16). Für ein langes und glückliches Leben sollen wir unsere Eltern ehren - das ist gleichzeitig ein Gebot und eine Verheißung.

Das vorläufige Ende meines eigenen, ganz persönlichen Um-mich-selbst-Drehens erfuhr ein abruptes Ende, als ich meine Kinder bekam. Momentan dreht sich alles um sie. Erwarte ich nun, dass sie mir dafür dankbar sind, mich ehren? Wo kommt das Gebot her und was kann es heute für uns bedeuten?

Nicht im Namen einer höheren Autorität ermahnen

Der Zusammenhang des Gebots ist dieser: Die Israeliten wandern als Nomadenvolk 40 Jahre durch die Wüste. Eines Tages bringt Mose die Gebote mit, die dem umherirrenden Volk helfen sollen, eins zu bleiben. Dabei ist die Rückversicherung auf den Zusammenhalt der Familie essenziell - es ging um das Überleben eines jeden, wenn er alt und schwach würde. Es ging um das gemeinsame Durchhalten - der Lohn würde ein Land sein, das Gott denen gibt, deren Eltern sich entschieden hatten, den mühseligen Weg durch die Wüste zu gehen.

Seine Eltern zu ehren, beschreibt für mich das, was wir als Menschen nicht loswerden. Solange Menschen auf Erden leben, wird uns dieses Thema begleiten: der Generationenvertrag. Die Frage: "Wie gehen wir miteinander um?" entscheidet schließlich, ob wir in Krieg oder Frieden miteinander leben.

Über diese Frage entscheiden jedoch Erwachsene. Die Aufforderung, seine Eltern zu ehren, ist deshalb an erwachsene Kinder gerichtet und bedeutet für mich, generell respektvoll miteinander umzugehen. Deshalb dient das Gebot nicht dazu, die kleinen Kinder im Namen einer höheren Autorität zu ermahnen.

Ehre gebührt niemandem aufgrund eines Zufalls

Für kleine Kinder kann es nicht selbstverständlich sein, die Eltern zu ehren. Sie sind ohne eigenes Zutun auf dieser Welt gelandet, sie sind lange Zeit dem ausgeliefert, was ist. Sie sind lange Zeit damit beschäftigt, Personen zu werden. Im besten Falle unterstützen und begleiten Eltern diese Personwerdung positiv und in Phasen wie der Pubertät mit viel Geduld. Automatischen Respekt haben sich Eltern nicht verdient, nur weil sie Eltern sind und Kinder in die Welt gesetzt haben.

Wenn ich von meinen Kindern geehrt, respektiert oder gar geliebt werden will, dann muss ich die richtige Saat säen und meine Kinder ehren, respektieren und lieben. Ehre gebührt niemandem nur aufgrund des Zufalls, dass er sich biologisch reproduzieren konnte. Es gibt genug Menschen, die einen Grund haben, ihre Eltern irgendwie zu hassen. Auch Eltern machen Fehler - und nicht alles was sie tun, müssen ihre Kinder ihnen auch verzeihen.

Meine Eltern haben mir eine Postkarte geschenkt, als ich mal wieder an der Erziehung meiner Kinder verzweifelte. Darauf steht ein Spruch Goethes: "Zwei Dinge müssen wir unseren Kindern mitgeben: Wurzeln und Flügel."

Wir haben Gäste im Haus, Lebewesen, die uns Gott anvertraut hat. Wir übernehmen Verantwortung für sie. Aber nur soweit und solange sie das nicht selbst tun können. Es ist an uns Eltern, die Grundlage zu schaffen, dass unsere Kinder in der Lage sein können, das Gebot der Ehre zu achten.