Kirchen für eine Kultur des Sterbens ohne Angst

Kirchen für eine Kultur des Sterbens ohne Angst
"Woche für das Leben" zum Thema Sterbehilfe
Die beiden großen Kirchen in Deutschland treten für eine Kultur des Sterbens in Würde und ohne Angst ein. "Niemand soll mehr meinen, dass er nur würdig sterben kann, wenn er sich das Leben nimmt", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Samstag in Hamburg bei der Eröffnung der "Woche für das Leben".

Mit dem Thema habe man einen Nerv getroffen, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. "Es ist an der Zeit, eine breite Debatte über dieses Thema zu führen."

Marx und Bedford-Strohm eröffneten die diesjährige "Woche für das Leben" mit einem ökumenischen Festgottesdienst in der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen. Bis zum 25. April steht bei der bundesweiten Aktionswoche mit dem Thema "Sterben in Würde" die Debatte um assistierten Suizid und den Umgang mit schwerstkranken Menschen im Mittelpunkt. Die Aktion organisieren die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland seit 1994 gemeinsam jedes Jahr.

"In Würde sterben zu dürfen, heißt eben nicht, alle Optionen zu haben, um sich jederzeit selbst töten zu können", sagte Bedford-Strohm im Eröffnungsgottesdienst. Das Hauptaugenmerk bei der "Woche für das Leben" sei darauf gerichtet, "dass wir eine Kultur des Sterbens entwickeln, die nicht länger von der Angst geleitet ist, sondern in der die Liebe Raum gewinnt." Entscheidend sei die Frage, ob es endlich gelinge, die Finanzierung der Pflege so auszustatten, dass Pflegekräfte Kranke und Sterbende wirklich liebevoll begleiten können, ergänzte der EKD-Ratsvorsitzende.

Zuwendung statt Giftbecher

Kardinal Marx verwies auf die wachsende Angst vieler Menschen, am Lebensende nicht mehr über sich selbst bestimmen zu können, ein Leben in Schmerzen zu führen und den Angehörigen zur Last zu fallen. Das führe dazu, dass die Attraktivität von Sterbehilfevereinen steige. Die Humanität einer Gesellschaft messe sich indes gerade daran, wie sie mit alten, kranken, schwachen und schwerkranken Menschen umgehe: "Sie verdienen in besonderer Weise unsere Zuwendung - und nicht den Giftbecher."

In einer anschließenden Debatte wies Bedford-Strohm darauf hin, dass häufig allein die Begrifflichkeiten - aktive und passive Sterbehilfe, assistierter Suizid - und wie sie strafrechtlich bewertet werden, gar nicht bekannt seien. Die evangelische Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sagte, in einer Zeit, in der es eine gewisse Sprachlosigkeit zum Thema Sterben und Tod gebe, sei es vielleicht die Aufgabe der Kirche, wieder eine Sprache für diese Grenzerfahrung zu finden. "Die Auseinandersetzung mit dem Tod darf nicht erst auf dem Sterbebett beginnen", forderte die Theologin.

Sterben in Würde sei mehr als eine gesellschaftliche Forderung, sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Es sei eine Aufgabe "auch für uns selbst, für die Kirchen". Heße betonte: "Wenn wir über Sterben in Würde sprechen, dann hat zu gelten: Unsere Worte müssen sich messen lassen an dieser für den Betroffenen schicksalhaften Situation."



Im Anschluss besuchten die Bischöfe die Palliativstation des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE). Im Gespräch mit Mitarbeitern aus Pflege, Therapie und Leitung informierten sie sich über die Arbeit mit Schwerstkranken. "Wir möchten ein Gefühl dafür entwickeln, wie es wirklich ist, wenn wir Debatten wie etwa zur Sterbehilfe führen", sagte Bischöfin Fehrs. "Man spürt etwas Besonderes hier", sagte Kardinal Marx. Es sei keine normale Krankenhausstation, alles sei etwas "entschleunigt", und die Mitarbeiter verbreiteten eine besondere Stimmung. Auf der Station mit zwölf Betten werden Menschen mit unheilbaren und fortschreitenden Krankheiten aufgenommen, bei denen keine Behandlung mehr helfen kann.

Das diesjährige Motto der ökumenischen Aktionswoche könnte
aktueller kaum sein: Nach intensiven Debatten im vergangenen Jahr soll voraussichtlich im Herbst im Bundestag über Gesetzentwürfe zu Sterbebegleitung und Sterbehilfe abgestimmt werden.