TV-Tipp: "Tatort: Borowski und die Kinder von Gaarden" (ARD)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Borowski und die Kinder von Gaarden" (ARD)
Tatort, 29. März, 20.15 Uhr (ARD)
Nach der Ermordung eines Mannes in Gaarden, einem Kieler Viertel mit großer Armutsdichte, müssen sich Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) in eine Gegend begeben, die selbst die Polizei nur ungern betritt. Der gesamten Nachbarschaft war bekannt, dass der Tote wegen Kindesmissbrauchs im Gefängnis war. Trotzdem fanden sich regelmäßig Kinder und Jugendliche zum "Abhängen" bei ihm ein.

Viele Jahre lang wurde das ZDF belächelt, weil Freitagskrimiserien wie "Der Kommissar" und "Derrick" stets in den Villenvierteln nobler Münchener Vororte spielten. Angesichts einer immer weiter auseinander klaffenden Schere zwischen Arm und Reich sollte es gerade heute viel mehr Filme über soziale Randgebiete geben. Es hat mehrere Gründe, warum sich ARD und ZDF immer noch schwer mit solchen Geschichten tun: Die Autoren müssten aufwändiger recherchieren, was die Drehbücher verteuern würde; und es ist ungeheuer schwer, Schauspieler zu finden, die Menschen aus problematischen Gegenden glaubwürdig verkörpern können.

Mit diesem Krimi stellt sich der NDR daher gleich einer doppelten Herausforderung: Jugendliche, die in der Theater-AG ihres Gymnasiums mitwirken, haben in der Regel einen anderen Hintergrund als die titelgebenden "Kinder von Gaarden". Außerdem sollte der "Tatort" kein Sozialdrama werden; zumindest nicht in erster Linie. Das immerhin ist Regisseur Florian Gärtner gelungen, weil das Drehbuchpaar Eva und Volker A. Zahn einen Krimi mit starken Figuren geschrieben hat. Ob die Kinder, an denen sich Borowski  zunächst die Zähne ausbeißt, tatsächlich so authentisch sind, wie der Film suggeriert, ist vermutlich Ansichtssache; immerhin sind die jungen Darsteller sehr überzeugend. Das gilt vor allem für eine Szene, in der einige Burschen den Kommissar verbal derart in die Enge treiben, dass dem alten Hasen tatsächlich die Worte fehlen; Milberg und die Jungs spielen das ganz ausgezeichnet. Da Bildgestalter Gunnar Fuß mit zwei Kameras gearbeitet hat, konnten die Darsteller improvisieren und sich frei bewegen.

"Hier gibt’s kein richtig"

Das Unbehagen, das sich dank der Identifikation mit dem Ermittler zwangsläufig einstellt, entspricht perfekt der Stimmung, die der Film vermittelt. Für Brandt ist der Fall klar, als sich rausstellt, dass sich der Mann offenbar an einem der Jungs vergangen hat; aber Borowski hat Zweifel, zumal ihm ein gewisser Timo mehr und mehr ans Herz wächst.

Die Besetzung Timos, war einer der Schlüssel zur Glaubwürdigkeit des Films. Bruno Alexander, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade mal 14, spielt das großartig, profitiert allerdings auch von der Differenziertheit der Figur: Das Ehepaar Zahn hat dafür gesorgt, dass Timo den Kommissar immer wieder mit philosophischen Erkenntnissen überrascht, die Bruno mit eindrucksvoller Gelassenheit vorträgt. Als Borowski den Jungen fragt, was er, der Kommissar, falsch mache, belehrt ihn Timo: "Hier gibt’s kein richtig." In Erinnerung aber wird trotzdem vor allem Tom Wlaschiha bleiben: weil er den zuständigen Revierpolizisten Rausch wie einen "Supercop" aus einem amerikanischen Krimi verkörpert. Den maskulinen Wettstreit mit dem Kripo-Kommissar gewinnt der Polizeihauptmeister spielend, zumal die schwarze Uniform seine Attraktivität noch steigert. Kein Wunder, dass Sarah Brandt ihm mehr als nur angetan ist, zumal sich Rausch als früherer Freund ihrer großen Brüder entpuppt. Und weil dem Platzhirschen nichts entgeht, was in seinem Kiez passiert, vermutet Borowski nicht zu Unrecht, dass Rausch auf irgendeine Weise in den Mord verwickelt ist.

Zum düsteren Gesamtbild trägt auch die Musik (Birger Clausen) bei: Sie ist eher Bedrohung als Begleiterscheinung. Umso erstaunlicher, dass der Film dennoch immer wieder komische Momente hat; auch wenn das die sonstige Freudlosigkeit eher noch verstärkt.