Theologin Käßmann kritisiert deutsche Flüchtlingspolitik

Foto: Norbert Neetz
Margot Käßmann im November 2014 in Dresden.
Theologin Käßmann kritisiert deutsche Flüchtlingspolitik
Nach einer Reise in den Libanon hat die evangelische Theologin Margot Käßmann gefordert, mehr Flüchtlingen in Deutschland Schutz zu gewähren.

Im Vergleich zu den rund 1,3 Millionen Syrern, die vor dem "Islamischen Staat" im Libanon Zuflucht gefunden haben, sei die Aufnahmepolitik der Bundesregierung "beschämend", sagte Käßmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte in Beirut an einer internationalen Konferenz zur "Reformation und dem Mittleren Osten" teilgenommen.

Käßmann begrüßte zugleich die Ankündigung von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), die Hilfsgelder für syrische Flüchtlinge im Libanon um 55 Millionen Euro aufzustocken. Das sei ein gutes Signal, sagte die frühere EKD-Ratsvorsitzende. Dies dürfe aber nicht bedeuten, "dass wir die Last der Flüchtlingszahlen den Libanon tragen lassen". Der Libanon hat etwa viereinhalb Millionen Einwohner. Die Konflikte in Syrien haben das Land destabilisiert. Die Bundesrepublik nahm bis Dezember 2014 etwa 80.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge auf.

Solide Staatsstrukturen aufbauen

Erneut kritisierte Käßmann Waffenlieferungen in die Region. Der Nahe Osten sei die größte Waffenimportregion der Welt. Exporte in den Nahen und Mittleren Osten destabilisierten die Region zusätzlich. "Hier werden nicht mehr Waffen gebraucht, sondern mehr Friedensinitiativen", sagte Käßmann.

Sie appellierte an die Bundesrepublik, die bestehenden Staatsstrukturen im Nahen Osten zu fördern. Statt Bürgerkriegsparteien zu unterstützen, müssten Staaten wie der Libanon in ihrem Staatssystem gestärkt werden, sagte Käßmann. Darüber hinaus müsste den moderaten Kräften in der Region dabei geholfen werden, solide Staatsstrukturen aufzubauen, die durch Terroristen wie den "Islamischen Staat" angegriffen werden.

Anlass der Reise in den Libanon war eine internationale Konferenz zum Thema "Die Reformation und der Mittlere Osten", die unter anderem von der theologischen Fakultät der Beiruter Universität und der evangelischen Gemeinde in Beirut in Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft im Libanon veranstaltet worden war. Bei der Tagung nahm Käßmann an mehrere Podiumsdiskussionen, unter anderem zum Verhältnis von Staat und Religion sowie der politischen Situation im Nahen Osten teil. Zum Abschluss ihrer fünftägigen Reise predigte sie am Sonntag in der deutschen evangelischen Gemeinde in Beirut.