"Women of faith" - von Gott berufen und begabt

Kenny Awodumila-Haefs
Foto: Karin Vorländer
Pastorin Kenny Awodumila-Haefs leitet Gottesdienste in der "English speaking fellowship" in Wuppertal.
"Women of faith" - von Gott berufen und begabt
Wenn Christinnen und Christen aus anderen Ländern nach Deutschland kommen und hier Gemeinden gründen, bringen sie ihre Traditionen mit. Dazu gehört meistens, dass Männer die Gemeinde leiten, während Frauen kochen, singen oder die Kinder betreuen. Doch nach und nach ergreifen auch Frauen das Wort - und übernehmen Predigten, Seelsorge und Sozialarbeit in leitender Funktion.

Weitgehend unbemerkt haben sich in Deutschland Christinnen und Christen unterschiedlicher Sprache, Herkunft, geistlicher Prägung und Konfession zu dauerhaften Gemeinden zusammengefunden. Sie stammen überwiegend aus Afrika und Asien und sind als Migranten oder Flüchtlinge gekommen. Die meisten wollen sich hier integrieren ohne dabei ihre Identität zu verlieren. Wie viele dieser "Gemeinden anderer Sprache und Herkunft" (so die offizielle kirchliche Sprachregelung) es gibt, weiß in der Evangelischen Kirche in Deutschland niemand genau. Aber allein in der Evangelischen Kirche im Rheinland gibt es Kontakt zu 360 Migrationskirchen.

Traditionelle Aufgabe für Frauen in der koreanisch-methodistischen Gemeinde in Düsseldorf: kochen
Gemeinsam ist diesen Gemeinden, dass sie traditionell von Männern geleitet werden, während die Frauen allenfalls als Chorleiterinnen oder als Köchinnen tätig sind - und damit Seele und Herz der Gemeinde ausmachen. So erlebt es die Essener Heilpraktikerin King-Im Lee-Pawlak in ihrer koreanisch-methodistischen "ZuKeRo" Gemeinde in Düsseldorf, die schon vor 40 Jahren entstand. "Bei uns sorgen die Frauen dafür, dass alle sich wohlfühlen – wie in einer Familie. Theoretisch könnten Frauen für den Gemeindevorstand kandidieren, aber noch sind die alten Rollen zu sehr verinnerlicht", bedauert sie.

"Aber das ändert sich", beobachtet Landespfarrer Markus Schaefer. "In vielen Gemeinden verlassen Frauen ihre traditionelle Rolle, fordern Mitsprache und wollen Verantwortung." Schaefer ist in der rheinischen und in der westfälischen Landeskirche Ansprechpartner für Gemeinden anderer Sprache und Herkunft. Er unterstützt regionale und lokale Netzwerke und organisiert Fortbildungen, an denen zunehmend auch Frauen aus fremdsprachigen Gemeinden teilnehmen.

Weltweites Netzwerk von Jamaika bis Brooklyn

Kang-Im Lee-Pawlak
Eine von ihnen ist die Nigerianerin Kenny Awodumila-Haefs (49). Sonntags um 14 Uhr leitet sie den Gottesdienst der "English speaking fellowship" in Wuppertal, die seit Jahren Gastrecht in der Evangelischen Kirchengemeinde Heckinghausen hat. Zum Gottesdienst, der von Musik, freiem Gebet und von Predigten geprägt ist und in denen Bibeltexte sehr unmittelbar für das persönliche Leben ausgelegt werden, treffen sich Christinnen und Christen aus Nigeria, dem Kongo, den USA, Kenia, Kamerun und auch etliche Deutsche. Was sie in dem Gottesdienst suchen, der in Französisch und Deutsch übersetzt wird? "Zuversicht, Segen, Kraft und Kontakt und oft auch Ruhe vor dem Ausländeramt und Heilung", weiß Kenny Awodumila-Haefs.

"Pastor Kenny", wie sie hier genannt wird, hat selbst erlebt, was den Alltag der meisten Mitglieder der Fellowship prägt: Armut, Unsicherheit und der Kampf um die eigene Würde. Mit Mitte zwanzig musste sie ihr Studium abbrechen und aus ihrer Heimat fliehen, weil sie als Studentensprecherin zu viele unbequeme Fragen gestellt hatte. Nach einer kurzen Ehe mit einem Deutschen schlug sie sich und ihre beiden kleinen Söhne mit Putzstellen durch. Zur Armut kam der Kampf mit dem Ausländeramt und das alltägliche Ringen darum, sich nicht von Klischees wie "Black and stupid - schwarz und dumm" verletzen zu lassen. Schon damals fand sie in ihrem Glauben Würde und Kraft. "Dass ich mich nicht wirklich verletzen lasse, hat seinen tiefsten Grund darin, dass ich Christin bin. All das Gerede von Ausländern und Asylbewerbern kann mich nicht wirklich treffen. Ich bete zum Herrn. Er hat jeden Menschen als Kunstwerk geschaffen, das keiner zerstören kann", sagt sie und wechselt wie immer, wenn ihr etwas besonders wichtig ist, vom Deutschen ins Englische.

Jacia de Sao Pedro
 Als Frau eine Gemeinde zu leiten, das allerdings wäre ihr als junge Frau in Nigeria nicht in den Sinn gekommen. "Bei uns galt es als respektlos, so etwas als Frau auch nur zu denken. Bei uns kontrollieren die Männer das Geld und die Gemeinde", erzählt die temperamentvolle Frau, die selten ohne Kopfbedeckung unterwegs ist. Heute allerdings ist sie überzeugt, genau dort zu sein, wohin sie sich von Gott durch ein Bibelwort und durch Träume berufen fühlt: Als Pastorin und Seelsorgerin ist sie nicht nur in Heckinghausen, sondern in einem weltweiten Netzwerk von Jamaika bis Brooklyn unterwegs. Dass ihre charismatisch geprägte Frömmigkeit Christinnen und Christen aus der Landeskirche manchmal durchaus an Grenzen des Verständnisses führt, kümmert sie ebenso wenig wie die Tatsache, dass in ihrer Heimat Predigen Männersache war und ist. Mit ihrer "Kollegin" Grace Pieper, die in Mülheim/Ruhr eine kleine unabhängige Gemeinde leitet, ist sie sich einig, wie ihre biblischen Vorbilder Ruth, Miriam oder Deborah "women of faith" zu sein und für ihre Aufgabe von Gott berufen und begabt zu sein.

Die ersten Zeuginnen der Auferstehung

Auch die Brasilianerin Jácia de São Pedro, die vor sechs Jahren nach Deutschland kam, in Düsseldorf ein Unternehmen der Modebranche führt und sich einer charismatisch-geprägten koreanischen Gemeinde angeschlossen hat, ist sich ihres Auftrags hier gewiss. Mit ihrem "Projeto Familia e.V." will sie bewusst auch für Deutsche da sein. Denn auch bei denen, so hat sie festgestellt, gibt es seelische und materielle Not. Im Frauentreff, in dem es Tanz, Musik und Schönheitspflege genauso gibt wie eine Kleidertauschbörse und Lebensmittelspenden und Gelegenheit zu Gespräch und zu Gebet, möchte sie dazu beitragen, dass "Familien in Harmonie leben". 12 Frauen gehören zum Team und Jacia Silva de Sao Pedro ist begeistert davon, dass sie "als Töchter Gottes" gemeinsam schnelle, unkomplizierte Lösungen finden, wenn es darum geht "von Herzen zu helfen".

Rückendeckung für ihre Arbeit haben die Frauen beim KiKK-Kurs, bekommen, den die evangelische Kirche im Rheinland anbietet. Dort geht es um den Dialog zwischen Mitarbeitenden deutscher und fremdsprachiger Gemeinden, um Kennenlernen und Respektieren der unterschiedlichen Traditionen und um Bibelverständis. "Schließlich waren Frauen die ersten Zeuginnen der Auferstehung", führt sie wie Grace Pieper gegen kritische Rückfragen ins Feld.

Predigen ist nur ein kleiner Teil der ehrenamtlichen Arbeit von Kenny Awodumila-Haefs. Meistens ist sie Seelsorgerin. "Mein Telefon klingelt 100 Mal am Tag", erzählt sie. Manche Gemeindemitglieder leben am Rande der Illegalität in Deutschland, haben Probleme, Wohnung oder Arbeit zu finden. Frauen rufen mit Eheproblemen oder mit Sorgen um die Kinder an. In der Geburtshilfeabteilung der Wuppertaler Landesfrauenklinik ist "Pastorin Kenny" inzwischen bestens bekannt. Denn oft begleitet sie Risiko-Schwangere oder ledige Mütter zur Entbindung "Ich habe mittlerweile 22 Kinder", erzählt sie lachend.