"Nehmt einander an": Dortmunder Gemeinde lernt Persisch

Lavas gilt als das meist gegessene Brot im Iran
Foto: Mara Zemgaliete / Fotolia
Im persischen Hauskreis wird auch gegessen, am liebsten iranische Speisen wie das Brot Lavas.
"Nehmt einander an": Dortmunder Gemeinde lernt Persisch
Die Jahreslosung aus Römer 15,7 ist für die Christuskirche im Dortmunder Norden aktueller denn je: "Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob." Seit zwei Jahren kommen immer mehr iranische Flüchtlinge in die Gemeinde. Erst war es ein Ehepaar, mittlerweile kommen rund 40 regelmäßige Gottesdienstbesucher, bei besonderen Anlässen sogar bis zu 100. Das wirbelt die baptistische Kirche ganz schön durcheinander.
13.01.2015
Léonie Lauer

"Sie sind dynamisch, emotional und unglaublich leidenschaftlich", sagt Jugendpastor Josua Laslo und grinst, "ganz anders als die alteingesessenen Westfalen unter uns!" Damit mussten manche Gemeindemitglieder erst einmal warm werden. "Aber wir haben ja eine gemeinsame Grundlage", ergänzt Pastor Gunter Stein, "das Evangelium verbindet Menschen und Kulturen." Seit einigen Jahren wächst die Christuskirche stark und wird immer jünger, bunter und vielfältiger. Manche erkennen "ihre" Kirche heute kaum noch wieder, das Gesicht der Gemeinde wandelt sich.

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Sonntag Vormittag, Pastor Stein macht zu Beginn des Gottesdienstes einige Ansagen: Der iranische Hauskreis startet nach der Winterpause wieder am kommenden Mittwoch. Bahar, die eigentlich anders heißt, übersetzt ins Persische. Auf die Frage, wer kommen wird, gehen überall Hände hoch. Die iranischen Christen sitzen nicht in einem Grüppchen zusammen, sondern über alle Reihen verstreut. Mit rund 30 Leuten kann Bahar am Mittwoch rechnen. Jede Woche treffen sie sich, um zusammen zu essen, zu singen, in der Bibel zu lesen und zu beten – auf Persisch.

"Unser Wunsch ist immer Integration", sagt Gunter Stein, "aber wir möchten trotzdem die Hürden so niedrig wie möglich halten". Die größte Hürde ist momentan noch die Sprache. Weil die meisten kein Deutsch sprechen, hat die Gemeindeleitung sie dazu ermutigt, auch im Gottesdienst laut auf Persisch zu beten. "Man kann Gott am einfachsten in seiner Muttersprache begegnen", erklärt Stein. Stirnrunzeln oder fragende Blicke bei den übrigen Gottesdienstbesuchern gibt es dabei schon lange nicht mehr. Die iranischen Flüchtlinge sind Teil der Christuskirche, auch wenn der Weg dahin nicht immer einfach war und ist.

"Plötzlich sind wir Flüchtlingshelfer"

"Es ist auch für uns ein Lernprozess", sagt Gunter Stein und fährt sich mit der Hand durch die grauen Haare, "so etwas habe ich früher nur in der Zeitung gelesen." Die iranischen Christen haben nicht nur einen anderen kulturellen Hintergrund und eine andere geistliche Prägung. Viele von ihnen haben Verfolgung und Armut erlebt, die Frauen auch Gewalt und sexuellen Missbrauch.

Pastor Gunter Stein und Jugendpastor Josua Laslo von der Christuskirche in Dortmund
"Das hat mich als Seelsorger am Anfang überfordert und auch die Gemeinde", gibt Stein zu. Menschen, die so stark traumatisiert sind, haben ganz besondere Bedürfnisse. "Aber genau darum geht es Jesus doch: dass wir uns der Schwachen und Hilfsbedürftigen annehmen", sagt Pastor Stein. Die Gemeindeleitung habe deswegen von Anfang an versucht, die Kirche darauf vorzubereiten. Pastor Stein und andere Mitarbeitende leisten sehr viel Seelsorge bei den iranischen Christen, es gibt Predigten zu diesem Thema und Aufrufe zur praktischen Hilfe. Schon mehrmals hat Stein Flüchtlinge zu Behörden- oder Gerichtsterminen begleitet.

Auch wenn sie viel Leid verbindet, sind die iranischen Christen trotzdem eine sehr heterogene Gruppe: Die einen möchten wegen ihrer schlechten Erfahrungen am liebsten alles Iranische oder Persische hinter sich lassen. Den anderen ist es wichtig – zum Beispiel mit dem persischen Hauskreis – einen Ort zu haben, der für sie ein Stückchen Heimat ist: die Muttersprache, die dynamische Gemeinschaft, das Essen. Anfangs hat sich die Gemeinde Sorgen gemacht, dass dadurch eine neue Gemeinde innerhalb der Christuskirche entstehen könnte. "Wir wollen aber Integration und Gemeinschaft. Ich bin froh, dass die Gemeinde da so mitzieht." Pastor Gunter Stein geht das Thema offensiv an und predigt darüber, wie wichtig es ist, einander bei aller Andersartigkeit liebevoll anzunehmen und kulturelle Besonderheiten "von ganzem Herzen zu achten".

Simultanübersetzung im Gottesdienst

Gunter Stein, die Gemeindeleitung und der iranische Hauskreis diskutieren laufend darüber, wie man sowohl die Integration stärker fördern als auch spezielle Angebote machen kann. "Dadurch, dass die Bedürfnisse unserer iranischen Mitglieder so unterschiedlich sind, wissen wir noch nicht genau, wohin die Reise geht", sagt Stein. Nur so viel steht fest: Sie geht ins Ungewisse. "Die Gemeinde wird neue Wege gehen", ist sich der Pastor sicher. Jugendpastor Josua Laslo sagt: "Wenn ich mal träumen darf, so in einigen Jahren, vielleicht haben wir dann einen zweiten Gottesdienst sonntagnachmittags auf Persisch? Vielleicht werden auch unser Gottesdienst oder einzelne Elemente zweisprachig?"

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Momentan sind das alles noch Luftschlösser. Ein weiterer großer Schritt zur Teilhabe am Gottesdienst steht aber unmittelbar bevor: Drei Iraner haben sich bereit erklärt, die Predigten jeden Sonntag simultan zu übersetzen. Die Kopfhörer und Sender dafür werden demnächst bestellt, sagt Gunter Stein und lächelt: "Integration ist mit viel Aufwand verbunden, mit Kosten und vor allem mit persönlichem Engagement. Aber es ist auch eine große Bereicherung für uns!"