16 Stunden täglich für einen Hungerlohn

Erhobene Hand eines Arbeiters mit Ziegelsteinen
Foto: dpa/Narendra Shrestha
Moderne Sklaverei ist weit verbreitet - auch im Jahr 2014
16 Stunden täglich für einen Hungerlohn
Heute veröffentlicht die gemeinnützige Organisation "Walk Free" ihren jährlichen "Sklaverei-Index". Demnach sind die Fälle moderner Sklaverei im vergangenen Jahr um 20 Prozent angestiegen, 35,8 Millionen Menschen sind weltweit betroffen. Alleine in Brasililien beispielsweise, so schätzt die Organisation, gibt es rund 220.000 moderne Sklaven. Aber das Land geht dagegen vor.

15 bolivianische Arbeiterinnen und Arbeiter fanden die Kontrolleure in einer Nähfabrik in der brasilianischen Millionenstadt São Paulo vor. Ihre Arbeitsbedingungen waren erbärmlich: keine ausreichende Beleuchtung, stinkende Toiletten, reparaturbedürftige Nähmaschinen und keinerlei adäquate Schutzkleidung. Teilweise mussten sie bis zu 16 Stunden lang arbeiten. Ihren Lohn bekamen sie auch nicht ausbezahlt – zuerst wurden davon die Kosten für Unterkunft und Verpflegung angezogen. Damit lag die Bezahlung deutlich unter dem gesetzlichen Mindestlohn von umgerechnet 230 Euro monatlich.

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Für die Beamten des Arbeitsministeriums ein klarer Fall von sklavereiähnlichen Zuständen. Brasilien ist eines der wenigen Länder, das diesen Straftatbestand definiert hat, regelmäßig im ganzen Land Kontrollen durchführt und die Täter vor Gericht stellt. "Das ist vorbildlich, doch leider ist Arbeit unter solchen Zuständen immer noch verbreitet", sagt Luiz Machado, Koordinator des Nationalen Programms gegen Zwangsarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Brasilien. Das Ausmaß der modernen Sklaverei ist jedes Jahr im Bericht von "Walk Free" nachzulesen. Die gemeinnützige Organisation kämpft weltweit für das Ende der ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse. Ihr "Sklaverei-Index 2014" (The Global Slavery Index 2014" ist an diesem Dienstag (18. November) erschienen.

Die bolivianischen GastarbeiterInnen, die im Juli diesen Jahres aus ihrem illegalen Arbeitsverhältnis befreit wurden, sollen jetzt knapp 100.000 Euro Entschädigung bekommen. Darauf einigten sich Anfang November das Arbeitsministerium und der Damen-Konfektionshersteller "Seiki", der Teile seiner Produktion an die fragwürdigen Subunternehmer ausgelagert hatte. Zudem wird Seiki die angefallenen Lohnnebenkosten zahlen und verpflichtete sich, in Zukunft sämtliche arbeitsrechtlichen Vorschriften zu befolgen.

Fußball-WM und Olympia als Motor für moderne Sklaverei

Sklavereiähnliche Arbeitsverhältnisse waren in Brasilien bisher vor allem auf den Land verbreitet. Zumeist auf Zuckerrohrplantagen, bei der Herstellung von Ethanol und bei der Ernte von anderen arbeitsintensiven Agrarprodukten. Doch nun breitet sich die illegale Praxis auch in den urbanen Zentren aus. Laut einem Bericht der katholischen Landpastorale CPT lebten 53 Prozent aller Menschen, die 2013 aus sklavereiähnlichen Zuständen herausgeholt wurden, in Städten. 2.192 Menschen wurden demzufolge vergangenes Jahr befreit. Die Zahlen der Bundesstaatsanwaltschaft sind ebenfalls alarmierend: Derzeit werden 1.480 Fälle strafrechtlich untersucht. Im Falle von Verurteilungen drohen den Unternehmern Haftstrafen von bis zu acht Jahren.

Walk Free schätzt die Zahl derjenigen, die in Brasilien wie Sklaven arbeiten, auf rund 220.000. Diana Maggiore, brasilianische Repräsentantin von Walk Free, erklärt die Zunahme in urbanen Zentren auch mit den großen Sportereignissen. "Aufgrund der Vorbereitungen für die Fußball-WM haben die Fälle in der Bauindustrie stark zugenommen", erklärt Maggione. Dabei gehe es sowohl um die Errichtung von Sportstätten, um neue Verkehrswege, wie auch um die Modernisierung von Stadtvierteln. "Vor allem in Rio de Janeiro wird diese Tendenz bis zu den Olympischen Spielen 2016 anhalten", sagt die Menschenrechtlerin voraus.

Weltweit meiste Fälle in Asien

Walk Free arbeitet mit einer breiten Definition von sklavereiähnlicher Arbeit. Neben unzumutbaren Arbeitsbedingungen und ökonomischer Erpressung gehören auch Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Gewaltandrohung und zwangsweise Rekrutierung für Kriegshandlungen dazu. Die Organisation schätzt die Zahl der Betroffenen in ihrem neuen Bericht auf 35,8 Millionen, eine Steigerung um rund 20 Prozent im Vergleich zu den 29,8 Millionen im Vorjahr. Die weltweit meisten Fälle kommen in Asien vor.

Der Kampf gegen die moderne Sklaverei ist langwierig. Trotz rechtlicher Handhabe ist das Phänomen in ganz Brasilien verbreitet. Die Behörden haben mittlerweile Schwarzlisten eingeführt, auf denen Betriebe aufgelistet werden, die im Verdacht stehen, Arbeiterinnen und Arbeiter zu misshandeln.

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Doch die Kontrolle von Arbeitsplätzen ist oft der einzige Weg, die Opfer zu finden und die Täter dingfest zu machen. Seit 1995 wurden in Brasilien knapp 47.000 Menschen aus solchen Verhältnissen befreit, darunter Einheimische wie Ausländer. Bei Gastarbeitern kommt als Problem hinzu, dass sie oft keine Arbeitserlaubnis haben und sich deswegen gegen die Ausbeutung nicht wehren können. Menschenrechtler fordern deshalb einen generellen Schutz und staatliche Unterstützung für alle, die unter sklavereiähnlichen Zuständen gelitten haben.