"Eigentlich könnten das noch viel mehr Leute machen"

epd-bild/Kristina Schäfer
Die Flüchtlingsfamilie Yousef Yousef (30) und seine Frau Iman (26) und die Söhne Kirilos (5) und Shnoud (2 ½) aus Ägypten zusammen mit dem evangelischen Gemeindepfarrer Andreas Nose in ihrer neuen Wohnung in Mainz.
"Eigentlich könnten das noch viel mehr Leute machen"
Evangelische Kirche in Mainz vermietet Wohnung für Asylbewerber
In Mainz wollte die evangelische Kirche sich in der aktuellen Flüchtlingsdebatte nicht auf wohlfeile Sonntagspredigten beschränken. Sie kaufte eine Wohnung und vermietet sie an Asylbewerber. Die erste Familie ist nun eingezogen.

Noch sind die Wände kahl, bis auf einige, mit Tesafilm an die Tapeten geklebte Bilder orthodoxer Heiliger und koptischer Kirchenoberhäupter. Denn Yousef Yousef (30), seine Frau Iman (26) und ihre zwei kleinen Söhne konnten erst vor einigen Tagen in das Drei-Zimmer-Apartment am Stadtrand von Mainz einziehen. Zuvor lebten die Asylbewerber aus Ägypten in einer Sammelunterkunft: Ein Raum für alle mit Stockbetten, Gemeinschaftsküche und Toilette auf dem Flur. So richtig können die Flüchtlinge ihr Glück noch nicht fassen. "Wir lieben diese Wohnung", sagt Yousef, der seit einigen Monaten eifrig Deutsch lernt. Dass die Flüchtlingsfamilie aus dem Wohnheim umziehen konnte, verdankt sie einem Beschluss der evangelischen Kirche.

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Im Frühjahr hatte die Mainzer Dekanatssynode grünes Licht dafür gegeben, mit Mitteln aus den Rücklagen für kirchliche Neubauten den Kauf einer Wohnung zu finanzieren, die an Flüchtlinge vermietet werden soll. Inklusive Maklerkosten und Grunderwerbssteuer zahlte das Dekanat für die Hochhauswohnung im Stadtteil Gonsenheim rund 130.000 Euro. "Wenn wir schon massiv die Zustände kritisieren, muss die Kirche wenigstens an der einen oder anderen Stelle bereit sein, selbst tätig zu werden", sagt Flüchtlingsseelsorger Peter Oldenbruch.

Schwierige Bedingungen für Familien mit Kindern

Der Wohnungsmarkt in der Landeshauptstadt zählt zu den schwierigsten bundesweit, bei den Mieten zählt Mainz zu den teuersten Kommunen der Republik. Asylbewerber, die der Stadt zugewiesen wurden, leben zu fast 100 Prozent in Sammelunterkünften - oft unter Bedingungen, die gerade für Familien mit Kindern schwierig sind. Die Stadt habe in der Vergangenheit schon versucht, mehr Menschen in normalen Wohnungen unterzubringen, sagt ein Verwaltungssprecher: "Das ist nahezu nicht zu machen, weil Mainz einfach extrem teuer ist." Gespräche mit privaten Anbietern seien meist an deren horrenden Preisvorstellungen gescheitert.

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Die Evangelische Kirchengemeinde Gonsenheim will sich in der Anfangszeit um die ägyptische Familie kümmern. Die Stadt übernimmt, wie bei Sozialhilfeempfängern, die laufenden Unterkunftskosten und zahlt eine laut Kirche für hiesige Verhältnisse günstige Miete. Der Mietvertrag mit der koptischen Flüchtlingsfamilie ist auf unbefristete Zeit geschlossen, und tatsächlich haben die Mieter gute Chancen, dass sie dauerhaft in Deutschland bleiben können. Weil sie auch nach dem Sturz der islamistischen Regierung durch das Militär weiter vom ägyptischen Staat diskriminiert und von islamischen Extremisten verfolgt werden, erhalten derzeit viele Christen aus dem nordafrikanischen Land einen Flüchtlingsschutz in Deutschland.

Die Flüchtlingswohnung in Mainz wird nicht die einzige in der Region bleiben. Auch in den benachbarten Kirchendekanaten Ingelheim und Oppenheim gibt es bereits entsprechende Beschlüsse. Ende November will Flüchtlingspfarrer Oldenbruch auch die zuständigen Gremien in Worms überzeugen. "Eigentlich könnten das noch viel mehr Leute machen, die Geld haben", findet er. Im hessischen Kronberg hat die evangelische Kirche unlängst ihr religionspädagogisches Studienzentrum zur Flüchtlingsunterkunft umgewidmet. Und in Stuttgart plant die katholische Diözese gar, eine Kirche abzureißen und auf dem Areal einen Wohnkomplex für Flüchtlinge und Studenten zu bauen.