"Sie haben Allahs Botschaft nicht verstanden"

Foto: dpa/Boris Roessler
Muslime beten am 19.09.2014 in der Abubakr Moschee in Frankfurt am Main (Hessen). Die Moschee beteiligte sich am Aktionstag.
"Sie haben Allahs Botschaft nicht verstanden"
"Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht": Unter diesem Motto fanden gestern in Moscheegemeinden im Anschluss an das Freitagsgebet Kundgebungen und Mahnwachen statt. Zu einem bundesweiten Aktionstag hatte der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) aufgerufen. Auf wachsende Muslimfeindlichkeit wurde aufmerksam gemacht. Und es galt dem Vorwurf entgegenzuwirken, Muslime würden sich nicht von den Terrortaten der Islamisten distanzieren.

Ehrengast der Kundgebung in Frankfurt war Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Koordinierungsrat der Muslime hatte in die Abu-Bakr-Moschee eingeladen.

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"Herr Graumann, wir verstehen ihren Besuch als Zeichen der Wertschätzung und Freundschaft uns Muslimen gegenüber, aber auch als Solidaritätsbekundung dieser bundesweiten Aktion", erklärte Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, bevor er einen Text vortrug, der in allen teilnehmenden Moscheen nach dem Freitagsgebet verlesen wurde.

Darin heißt es, dass "Menschen im Namen Allahs Grausamkeiten begehen, andere Menschen quälen, sie aus ihren Häusern vertreiben und ermorden. Sie handeln unter dem Banner des Propheten, zeigen mit ihren Verbrechen aber, dass sie kein Wort davon verstanden haben, was Allah uns offenbart hat und wie unser Prophet nach diesen Geboten gelebt hat".

Aufruf: Notleidende schützen

Obwohl Gott keinen Unterschied zwischen den Menschen mache und sie im Jenseits alle nach ihrem Glauben und ihren Taten beurteilen werde, maßten Menschen es sich an, sich über andere Menschen zu stellen und über sie im Diesseits zu richten. Muslime seien im Angesicht von Hass und Unrecht stets dazu berufen, "aufzustehen und die Verfolgten und Notleidenden und alle, die Unrecht erfahren, in Schutz zu nehmen", betonte Mazyek.

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Zentralratspräsident Graumann erklärte, es sei gut, dass die muslimischen Verbände ein Zeichen setzten gegen Gewalt, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und natürlich auch gegen Muslimfeindlichkeit. Juden und Muslime hätten gemeinsame Wurzeln und es verbinde sie sehr vieles.

Graumann erinnerte daran, dass Juden und Muslime gemeinsam für eine Lösung gekämpft hätten, als vor zwei Jahren die Beschneidungsdebatte auch mit antisemitischen und antimuslimischen Untertönen geführt worden sei. "Wir Juden haben uns für muslimische Menschen eingesetzt, mit Leidenschaft und Kraft - gerade und besonders, wenn sie ausgegrenzt wurden. Denn als Juden wissen wir, wie sich das anfühlt. Wir haben das oft erlebt und erleben es auch noch. Deshalb werden wir immer unsere Stimme erheben, wenn muslimische Menschen diskriminiert, wenn sie respektlos behandelt werden. Darauf kann sich jeder verlassen", erklärte Graumann. Es sei ihm eine Herzensangelegenheit gewesen, der Einladung in die Abu-Bakr-Moschee zu folgen, wo er sich in einer Atmosphäre von Wärme, Nähe und Freundschaft angenommen fühle.

Meilenstein für muslimisch-jüdische Beziehung

Die Teilnahme von Dieter Graumann an der Kundgebung bewertete Pfarrerin Ilona Klemens, in Frankfurt für den interreligiösen Dialog zuständig, als einen "Meilenstein für die muslimisch-jüdischen Beziehungen". Nach dem Ausbruch des Gaza-Konflikts im Juni waren auf Demonstrationen, die unter anderem von Muslimen organisiert wurden, immer wieder antisemitische Parolen gerufen worden. Graumann habe die Herzen der Menschen auf der Beziehungsebene angesprochen. "Für mich ein starkes Zeichen, das hoffentlich positiv wirken wird. Eine wohltuend gute Nachricht inmitten all der schrecklichen Ereignisse der letzten Monate", so Klemens.

Friedensveranstaltungen mit Vertretern aus Politik sowie jüdischen und christlichen Glaubensgemeinschaften gab es neben Frankfurt in acht weiteren Städten – unter anderem in Berlin, Hamburg, Hannover und München. EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider sprach auf der Kundgebung in Berlin, die vor der Mevlana-Moschee abgehalten wurde. Auf diese Moschee war vor einigen Wochen ein Brandanschlag verübt worden. Schneider sagte, Menschen dürfen nicht zulassen dürften, dass Gott zur Legitimation von Terror und Gewalt missbraucht werde. Er wünsche sich, dass in Zukunft Christen, Muslime und Juden gemeinsam gegen Unrecht, Hass und Rassismus vorgehen. Er sei der Einladung zur Kundgebung gerne gefolgt, weil es notwendig sei, "dass die Repräsentanten der Religionen gegen Hass und Rassismus, gegen Terror und Gewalt aufstehen und deutlich machen, dass die Religionen nicht dazu dienen dürfen, Krieg und Gewalt zu legitimieren".

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nahm an der Friedenskundgebung in einer Moschee in Hannover-Ronnenberg teil. Schon im Vorfeld hatte er in einem Zeitungsinterview erklärt, dass die Aktion der Muslime gegen Extremismus "großartig" sei. Sie mache deutlich, dass sich die Mehrheit der Muslime von jeder Form der Gewalt distanziere. De Maizière rief in Hannover dazu auf, den Kampf gegen Extremisten zu unterstützen. "Wir brauchen auch die Unterstützung der Muslime in Deutschland. Nur gemeinsam kann es uns gelingen, frühzeitig zu erkennen, wenn junge Menschen in extremistische Kreise abzugleiten drohen", erklärte der Bundesinnenminister.

Nach Angaben des KRM, in dem sich die vier großen Islamverbände zusammengeschlossen sind, beteiligten sich an dem Aktionstag rund 2.000 Moscheegemeinden.