Zwischen Kopftuch und Kritik: Islamstudium in Tübingen

Zwischen Kopftuch und Kritik: Islamstudium in Tübingen
Vom Islamstudium an deutschen Unis versprechen sich Politiker eine bessere Integration der Muslime. Ein Schritt auf diesem Weg ist das bundesweit erste Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen, das am Montag offiziell eröffnet wird.
16.01.2012
Von Judith Kubitscheck

"Salam Aleikum, Schwester", grüßt Omar Hamdan eine Studentin, die im Seminarraum sitzt. Seit Oktober lehrt der Koranexperte in Deutschlands erstem "Zentrum für Islamische Theologie" den islamischen Glauben. Am Montag wird Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) das Tübinger Zentrum offiziell eröffnen.

Insgesamt 23 Frauen und 13 Männer haben mit dem achtsemestrigen Bachelorstudiengang begonnen. Die meisten von ihnen warten darauf, dass das Fach "Islamische Theologie" um ein Lehramtsangebot erweitert wird, damit sie an deutschen Schulen Islamische Religion unterrichten können. Einige studieren, um später als Imam zu arbeiten.

Während in Tübingen schon unterrichtet wird, steht anderenorts die Eröffnung weiterer Zentren nahe bevor: In diesem Jahr sollen drei weitere Zentren an den Doppelstandorten Osnabrück/Münster, Erlangen/Nürnberg und Frankfurt/Gießen eröffnet werden. An den Hochschulen finanziert der Bund für die nächsten fünf Jahre Professuren und Mitarbeiterstellen. Insgesamt sollen fast 20 Millionen Euro in die Zentren fließen.

Vom "Zentrum" zur "Fakultät"

Drei Monate nach Start des Zentrums in Tübingen ist vieles noch im Aufbau: Es gibt noch keinen Gebetsraum, die Bibliothek ist klein. "Wir sind eine bescheidene akademische Familie", sagt Professor Hamdan. Alle Vorlesungen und Seminare werden bisher von ihm und seinem Assistenten bestritten. Im Laufe des Jahres sollen zwei weitere Professoren sowie zwei Juniorprofessoren hinzukommen. In den nächsten Jahren wird das Islamische Zentrum einen eigenen Bau erhalten und zur "Islamischen Fakultät" ausgeweitet werden - so der Plan.

Im kleinen Seminarraum sitzen unterdessen dicht gedrängt die Studenten. Die Vorlesung "Islamische Geschichte und Zivilisation" beginnt. Monoton rezitiert eine Frau mit schwarzem Kopftuch auf Arabisch einen Koranvers. Hamdan erklärt, dass die Verse, die sich an Männer wenden, immer auch die Frauen mit einbeziehen. Man solle darauf achten, in welcher Situation und zu welchem Anlass ein Koranabschnitt "herabgesandt" wurde, sagt der Koranwissenschaftler.

Eine der Studentinnen ist Zuhal Simsek. Sie will später an Gymnasien islamische Religion lehren. "Zum ersten Mal ist es mir möglich, meinen Glauben zu vertiefen und gleichzeitig eine berufliche Kompetenz zu erwerben", sagt die junge Muslimin, die ein Kopftuch in erdfarbenen Tönen trägt. Simsek freut sich, dass sie auf Deutsch studieren kann. Doch auch Simsek kommt nicht am Arabisch-Lernen vorbei. 16 Stunden pro Woche pauken die Studierenden die Sprache des Korans.

EZW: Gefahr von unkritischer islamischer Theologie

Über die fachliche Kompetenz der Dozenten entscheidet die Berufungskommission der Universität. Ob ein Professor ein guter Muslim ist und tatsächlich den Islam praktiziert, prüft ein siebenköpfiger Beirat, dessen Vorsitzender Suleyman Tenger, Religionsbeauftragter der Türkisch Islamischen Union (DITIB), ist. Die sieben Vertreter des Beirates können die Berufung von Professoren, die ihnen nicht gläubig genug sind, ablehnen.

Das sieht Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin kritisch: Diese Konstruktion berge die Gefahr, dass dadurch eine "weithin unkritische islamische Theologie" an deutschen Universitäten etabliert werde, sagt Eißler. Es sei zudem ein "falsches Signal", wenn die türkische Religionsbehörde den Vorsitzenden des Beirates stelle.

Für Professor Hamdan leistet das Zentrum einen großen Beitrag zur Integration der Muslime in Deutschland. Doch frühestens in fünf bis acht Jahren, wenn es die ersten Absolventen gäbe, könne man die ersten Integrationserfolge sehen, sagt der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie.

epd