"Wo ist das Problem?" - Jürgen Fliege zum Disziplinarverfahren

"Wo ist das Problem?" - Jürgen Fliege zum Disziplinarverfahren
Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) geht juristisch gegen Fernsehpfarrer Jürgen Fliege vor. Das Landeskirchenamt in Düsseldorf hat ein Disziplinarverfahrens gegen Fliege eingeleitet. Einen entsprechenden Bericht der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinische Post" (Freitagsausgabe) hat der Pressesprecher der EKiR, Jens Peter Iven, auf Anfrage von evangelisch.de bestätigt.

Der 64-jährige Fliege ist Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland im Ruhestand. Pressesprecher Iven sagte, es gebe Vorwürfe gegen Fliege, die ein Disziplinarverfahren betreffen würden - nicht ein so genanntes Lehrbeanstandungsverfahren. Das evangelische Kirchenrecht sieht ein Disziplinarverfahren vor, wenn ein Pfarrer seine "Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt".

Die Amtspflichten sind in § 32 des Pfarrdienstgesetzes beschrieben und gelten auch für Pfarrer im Ruhestand: "Pfarrerinnen und Pfarrer sind in ihrer Lebensführung, in ihren dienstlichen wie ihrem außerdienstlichen Verhalten, ihrem Auftrag verpflichtet. Sie haben zu berücksichtigen, dass dieser Auftrag sie an die ganze Gemeinde weist und dass sie in besonderer Weise als Zeuginnen und Zeugen Jesu Christi und als Vertreterinnen und Vertreter der Kirche angesehen werden." 

Fliege soll gesagt haben, Gott sei "scheißegal"

Bei einem Lehrbeanstandungsverfahren geht es dagegen um Abweichungen von den kirchlichen Bekenntnissen. Welche konkreten Vorwürfe gegen Fliege erhoben wurden und wer sie erhoben hat, dazu möchte sich der Sprecher der EKiR nicht äußern. "Das ist dem Wesen nach vertraulich", sagte Iven.

Jürgen Fliege war bereits früher in Konflikt mit der evangelischen Kirche geraten. Zuletzt hatte er Unmut ausgelöst, indem er eine angeblich von ihm spirituell aufgeladene "Fliege-Essenz" bewarb und vertrieb. In die Flüssigkeit hatte er nach eigenen Angaben durch Gebete "Trost und Kraft" gesendet. "Segen verkauft man nicht", hieß es dazu aus der Landeskirche.

Außerdem soll Fliege im Gespräch mit einem Brautpaar über dessen Trauung gesagt haben, Gott und Kirche seien "erst mal scheißegal", es komme auf die Seele an. Nach Informationen der "Rheinischen Post" hält die Landeskirche den Satz für geeignet, evangelische Amtshandlungen und Glaubensinhalte zu diffamieren. Bereits 1999 hatte Fliege in einem Interview Gott als "Gauner da oben" bezeichnet.

Am Ende droht Fliege die Entfernung aus dem Amt

Im Rahmen des jetzt anstehenden Disziplinarverfahrens wird Jürgen Fliege angehört und kann sich mit Hilfe von theologischem und rechtlichem Beistand verteidigen. Das Verfahren diene der "Aufklärung von Vorwürfen", sagte Pressesprecher Jens Peter Iven. Am Ende entscheide das Kollegium des Landeskirchenamtes, ob die Vorwürfe haltbar oder haltlos seien. Falls sie haltbar seien, könne Fliege durch einen Verweis, eine Geldbuße, Kürzung seiner Bezüge oder im schlimmsten Fall mit der Entfernung aus dem Amt belangt werden. In dem Kollegium, das die Entscheidung trifft, sitzen die Abteilungsleiter des Landeskirchenamtes, deren Stellvertreter und der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider.

Der Talkshow-Moderator, Publizist und evangelische Theologe Jürgen Fliege steht seit Jahren in der Öffentlichkeit. Als Fernsehpfarrer wurde er bekannt, als er von 1994 bis 2005 eine Talkshow in der ARD unter seinem Namen moderierte. Geboren wurde Fliege 1947 in Radevormwald im Bergischen Land. Er arbeitete 15 Jahre lang als Gemeindepfarrer in Düsseldorf, Essen und in der Bergarbeiterstadt Aldenhoven bei Aachen. Seit April vergangenen Jahres ist der Pfarrer der zweitgrößten Landeskirche im Ruhestand.

Fliege reagiert: "Segen ist in meiner Kirche käuflich zu erwerben"

Jürgen Fliege hat mittlerweile auf die Pressemeldungen von diesem Freitag reagiert. Evangelisch.de dokumentiert seine Erklärug im Wortlaut: 

"Die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist mir bekannt. Ich bedauere das. Es hält von wichtiger Arbeit ab. Ein Gespräch hat meine Kirche mit mir vorher nicht gesucht. Aber so kenne ich sie und seufze in alter Treue zu ihr und suchte das Gespräch.

Über zweifelhafte Auszüge aus einem Seelsorgegespräch mit einem jungen Brautpaar gibt es von mir selbstverständlich keine Kommentare. Um die gebotene Verschwiegenheit bat ich einen mich an diesem Tag begleitenden 'Journalisten' im Vorhinein als Bedingung seiner Teilnahme. Ich erstaune, wie skrupellos meine Kirche auf das Wort eines bezahlten Spötters setzt, der mein Vertrauen missbraucht. Wer das hinnehmen kann, der nehme es hin.

Meine Kirche verschließt ihre Augen vor einer verdrängten Wirklichkeit. Jedes gesprochene oder geschriebene 'Vater unser' unserer Pfarrer kostet Geld! Der Segen Gottes ist kostenlos. Das Weitergeben des Segens durch die Kirche aber nicht. Segen ist in meiner Kirche selbstverständlich käuflich zu erwerben, auch wenn es ihr schwer fällt, das zu sehen und dann dazu zu stehen. Ohne steuerpflichtiges Mitglied in der Kirche zu sein, gibt es keinen kirchlichen Segen bei Trauung und auch keine Beerdigung. Ich segne in Jesu Namen auch Menschen, die nicht in der Kirche sind oder ausgetreten sind. Und das ist auch gut so.

Fr. Käßmann verkauft Gott sei Dank segensreiche Wirkung mit ihrem Segen auf Papier. Ich verkaufte segensreiche Wirkung mit Büchern, Zeitschriften, CDs und mit Bibelworten auf guten Lebensmitteln (Essenz) und empfahl beim Konsum zudem tägliches Beten. Das ist überall in der Welt gang und gäbe. Für eine deutsche Kirche aber eher ungewohnt. Denn unsere Kirchen sind, wie selbst der Papst erkannte, im Kirchensteuerparadies verfettet.

Dass Fr. Käßmann und ich bei der Herstellung unserer Arbeiten hoffentlich beten und um den Segen des Herrn bitten, sollte bei Amtsträgern der Kirche eher erwartet denn kritisiert werden. Dass ich an die Kraft von Segen und Gebet glaube und öffentlich bezeuge, erst recht. Wo also ist das Problem?"

epd/evangelisch.de