"Dies ist mein Leib" - krümelig, aber glutenfrei

"Dies ist mein Leib" - krümelig, aber glutenfrei
"Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. (...)." Nach der Formel aus dem 1. Korintherbrief (Kapitel 11) feiern Christen in aller Welt das Abendmahl mit Brot und Wein. Doch was, wenn Gemeindeglieder vom Brot Durchfall bekommen?

Was den Wein angeht, nehmen zumindest evangelische Gemeinden schon lange Rücksicht auf alkoholkranke Menschen und bieten Traubensaft an. Beim Brot wächst erst langsam das Bewusstsein dafür, dass auch hierdurch Menschen ausgeschlossen werden können: Denn meistens gibt es Weizenbrot zum Abendmahl. Biblisch ist das sozusagen "korrekt", denn Jesus und seine Jünger aßen beim letzten Abendmahl (Markus 14, 22; Lukas 22,19) aller Wahrscheinlichkeit nach Weizen- oder Gerstenbrot. Beide Getreidesorten enthalten das Klebereiweiß Gluten.

Wer an Zöliakie (auch "Sprue" genannt) erkrankt ist, muss sein Leben lang auf alle Produkte verzichten, die Gluten enthalten. Das Eiweiß führt bei den Betroffenen zu Entzündungen im Dünndarm und in der Folge dazu, dass der Körper zu wenige Nährstoffe aufnimmt. Nicht alle Ärzte kommen sofort auf die Diagnose "Zöliakie", weil Patienten nur selten die typischen Symptome (Durchfall, Krämpfe, Gewichtsverlust, bei Kindern Wachstumsstörungen) zeigen. Auch Eisenmangel, Knochenschmerzen, Osteoporose, Arthritis, Zyklusstörungen, Depressionen, Migräne oder Leberwerterhöhungen können Anzeichen für Zöliakie sein.

Weil die Diagnostik sich in den vergangenen Jahren verbessert hat, weiß man heute, dass einer von 200 Menschen an Zöliakie erkrankt ist. Bis vor wenigen Jahren ging man noch von der Häufigkeit eins zu 1000 bis eins zu 2000 aus. Sofia Beisel, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft, stellt fest, dass die Glutenunverträglichkeit mittlerweile relativ gut bekannt ist: "Man merkt, dass es zunehmend glutenfreie Produkte und mehr Kennzeichnungen gibt. Vor zehn bis 15 Jahren war das nicht so."

Betroffene müssen Bescheid sagen

Auch in der Kirche spricht es sich nach und nach herum, dass manche Gemeindeglieder kein Weizenbrot essen können. Deswegen möchten sie aber nicht vom Abendmahl ausgeschlossen werden, schließlich ist es ein Sakrament, das die Gemeinschaft der Christen betont. Evangelische Gemeinden können relativ leicht auf das Problem reagieren, denn für sie spielt es theologisch keine Rolle, aus welchem Mehl das Abendmahlsbrot besteht. Die Betroffenen müssen sich nur beim Kirchenvorstand melden - so, wie es eine Frau in der Evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Sankt Johannis in Rostock getan hat.

Die Gemeinde hat daraufhin entschieden: Ab jetzt gibt es nur noch glutenfreie Hostien. "Das weiß niemand außer der Betroffenen selber," erzählt Pfarrer Hans-Christian Roettig. Er möchte die Diskussion um die "Brotsorte" auch gar nicht an die große Glocke hängen: "Im Abendmahl geht es doch um etwas völlig. Ob ich Weizenbrot nehmen oder Mischbrot oder eine Oblate oder etwas anderes, das ist doch nicht das Entscheidende." Beim Abendmahl geht es um die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander und mit ihrem Herrn Jesus Christus in der Erinnerung an seinen Tod am Kreuz.

Auch der evangelisch-lutherischen Gemeinde Erlenbach am Main ist es "wichtig, keinen auszuschließen." Pfarramtssekretärin Christiana Alsdorf erzählt: "In unserer Gemeinde gibt es eine Ehrenamtliche, die Zöliakie hat. Sie musste immer ihr eigenes Brot mitbringen, das war ihr peinlich", so Alsdorf. Der Kirchenvorstand hat dann beschlossen, für die ganze Abendmahlsgemeinde glutenfreie Hostien zu bestellen und den höheren Preis dafür in Kauf zu nehmen.

Neben dem höheren Preis haben die glutenfreien Hostien einen weiteren kleinen Nachteil, hat Pfarrer Wolfgang Weiß in der Kirchengemeinde Olpe (Sauerland) festgestellt: "In der Liturgie heißt es ja ‚brach es', aber das geht nicht." Die Hostien seien zu gummiartig. Die Lösung ist denkbar einfach: "Na, dann brechen wir sie halt nicht", sagt Pfarrer Weiß. Die Rücksichtnahme auf Zöliakiepatienten sei wichtiger.

Die Oblatenbäckerein reagieren auf die erhöhte Nachfrage nach glutenfreien Hostien. So hat zum Beispiel die Bäckerei des Stiftes "Bethlehem" in Ludwigslust zwei Produkte im Angebot: Weiße glutenfreie Oblaten mit den Zutaten Maisstärke, Maismehl, Maissirup, Reismehl, Süßlupinen, Guarkernmehhl, Vollmilchpulver, Johannesbrotkernmehl und Wasser. Die dunkleren Glutenfreien bestehen aus Buchweizen, Reis, Mais, Hirse und Johannesbrotkernmehl. "Die schmecken sehr lecker, lassen sich aber ganz fürchterlich backen", erzählt Angelika Wächter vom Stift Bethlehem. Das liegt am fehlenden Klebereiweiß: Die Mehlmasse klebt nicht gut zusammen.

Der Absatz an glutenfreien Hostien hat sich rapide erhöht: Im Jahr 2009 verkaufte die Bäckerei fast 10.000 weiße und 17.600 dunkle glutenfreie Oblaten, 2010 waren es rund 23.600 weiße und 31.500 dunkle. Und das, obwohl die Gemeinden für 400 glutenfreie Hostien 28 Euro bezahlen müssen, für die normalen dagegen nur 17,50 Euro. Offenbar setzt sich das Bewusstsein für Zöliakie in den Gemeinden stärker durch, und die Kirchenvorstände kümmern sich darum.

Hustenreiz durch glutenfreies Krümel-Brot

Das kann auch Ralf Klumpp bestätigen, Inhaber der gleichnamigen Hostienbäckerei in Ochsenhausen in Baden-Württemberg. Sein glutenfreies Rezept ist sehr einfach: Kartoffelstärke und Wasser. "Die schmecken nach nichts", gibt Klumpp zu, "höchstens ein bisschen süßlich, weil die Stärke beim Backen aufgeschlossen wird." Jedes Jahr verkauft die Firma Klumpp geschätzte 50 Prozent mehr Kartoffelhostien. Etliche seiner Kunden haben komplett auf "glutenfrei" umgestellt.

In Gemeinden mit reformiertem Bekenntnis gestaltet sich die Suche nach glutenfreiem Ersatzbrot etwas schwieriger als in lutherischen Gemeinden: Sie verwenden keine Hostien, sondern richtiges Brot. Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Netphen-Deuz (Nordrhein-Westfalen) hat eine ganze Brot-Testreihe hinter sich: Sage und schreibe zwölf Sorten hat der Küster innerhalb von zwei Jahren zum Abendmahl gereicht, darunter Brot aus Mais, Hirse, Reis und Mehlmischungen.

Bei allen trat dasselbe Problem zu Tage: Das Brot war zu trocken und zu krümelig. "Die Älteren Gemeindeglieder bekamen davon Hustenreiz", erzählt Pfarrer Henning Briesemeister. "Am Ende hat es dazu geführt, das wir auf glutenfreie Oblaten umgestiegen sind." Nun sei das Abendmahl zwar nicht mehr typisch reformiert, aber immerhin lasse es sich handhaben.

Zwei Tipps: Toastbrot oder Maiswaffeln

Pastorin Heidrun Oltmanns aus der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Schüttorf (Niedersachsen) ist selbst an Zöliakie erkrankt und hat sich daher schon an das trockene Spezialbrot gewöhnt. Die fehlende Saftigkeit liege am fehlenden Kleberweiß, genau wie bei den schwer zu backenden Oblaten. Oltmanns fand für das Abendmahl in ihrer Gemeinde eine unkomplizierte, wenn auch teure Lösung für das Abendmahl: fertiges eingeschweißtes glutenfreies Weißbrot aus Maisstärke und Reismehl. Das gibt es im Supermarkt vor Ort, es kostet etwa einen Euro pro 100 Gramm.

"Es sieht aus wie Toastbrot", erläutert Pfarrerin Oltmanns, "man sieht den Unterschied nicht, schmeckt ihn aber." Auch in Schüttorf fragten sich Abendmahlsteilnehmer verwundert, was das denn für trockenes Brot sei. Doch das müssten die Leute aushalten, meint Heidrun Oltmanns: "Man isst ja nur ein kleines Stück." Sofia Beisel von der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft gibt den Tipp, im Drogeriemarkt so genanntes Waffelbrot zu kaufen. Es wird auf der Basis von Mais hergestellt und sieht aus wie dünnes gelbes Knäckebrot.

Katholische Kommunion geht nur mit Weizen

Während es für evangelische Gemeinden verschiedene Lösungen gibt, sieht Sofia Beisel ein größeres Problem bei der katholischen Kirche. Dort muss Weizen in den Hostien enthalten sein. In einem Schreiben der Kongregation für Glaubenslehre an die deutschen Bischöfe aus dem Jahr 2003 steht: "Hostien, die überhaupt kein Gluten enthalten, sind für die Eucharistie ungültige Materie". Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, zitiert dazu das kirchliche Rechtsbuch Codex Iuris Canonici / CIC: "Das Brot muss aus reinem Weizenmehl bereitet und noch frisch sein, so dass keine Gefahr der Verderbnis besteht." (can. 924 § 2 CIC).

Die kirchliche Rechtsvorschrift gründet sich zunächst auf die biblische Überlieferung. Martin Zumbüld, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für kanonisches Recht an der Wilhelm-Universität Münster erläutert: "Christus verwendete bei der Einsetzung der Eucharistie wirkliches Brot und wirklichen Wein." Selbst wenn man nachträglich herausfinden sollten, dass Jesus Maiswaffeln verwendet haben sollte anstatt Weizen- oder Gerstenbrot (was unwahrscheinlich ist), würde die liturgische Vorschrift nicht geändert: "Dann gibt es ja in der katholischen Kirche immer noch das erschlagende Argument der Tradition", so Zumbüld.

Die katholische Lösung: "In Gestalt des Weines allein"

An den Weizen-Oblaten lässt sich also nicht rütteln. Die Empfehlung der Glaubenskongregation für Betroffene lautet: "Ein Gläubiger, der an Zöliakie leidet und dem es nicht möglich ist, unter der Gestalt des Brotes, auch nicht des Brotes mit wenig Gluten, zu kommunizieren, kann unter der Gestalt des Weines allein die Kommunion empfangen." Unterzeichner ist übrigens Kardinal Josef Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI., der damals Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan war.

Oblatenbäcker Klumpp bietet für die katholische Kirche glutenreduzierte Hostien an, die zehn Milligramm Gluten pro 100 Gramm Endprodukt enthalten. Diese Oblaten sind in der katholischen Kirche zugelassen und werden laut Klumpp auch von vielen Zöliakiepatienten vertragen. Bis vor zwei Jahren wären die "glutenreduzierten" Hostien sogar noch als "glutenfrei" durchgegangen, doch die EU hat den Grenzwert auf zwei Milligramm pro 100 Gramm heruntergesetzt. Dazu Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz: "Für die vielen Betroffenen, die bisher mit diesen Hostien kommunizieren konnten, ändert sich damit faktisch nichts."

Die Verwendung von Hostien mit wenig Gluten werde den jeweils betroffenen Gläubigen durch den zuständigen Ordinarius (i.d.R. der Bischof) erlaubt, so Kopp. "In jedem Fall rät die Deutsche Bischofskonferenz zöliakiekranken Gläubigen, sich an einen Priester, in der Regel an ihren Pfarrer, zu wenden. Dieser wird dann eine Lösung finden können, die der konkreten Situation des Gläubigen am besten entspricht."

Fazit: In den Kirchen beider Konfessionen ist das Problem "Abendmahl und Zöliakie" erkannt worden. Die Deutsche Bischofskonferenz liefert immerhin einen für alle katholischen Gemeinden gültigen Lösungsvorschlag, mit dem allerdings besonders glutenempfindliche Zöliakiepatienten nicht zufrieden sein können. In den evangelischen Kirchen muss jede Gemeinde das Problem für sich lösen, das kostet Zeit und Geld. Ärgerlich für die Patienten ist, dass sie ihre Krankheit offenbaren müssen. Für sie wäre es wünschenswert, wenn Gemeinden auch ohne konkreten Fall von Zöliakie auf glutenfreies Abendmahl umsteigen würden.