RWE fürchtet "Ökodiktatur" - Atomsteuer vor dem Aus?

RWE fürchtet "Ökodiktatur" - Atomsteuer vor dem Aus?
Gibt es beim Atomausstieg einen Deal mit den Konzernen? Die Regierung prüft die Abschaffung der Atomsteuer. RWE-Boss Großmann wettert gegen die CDU - und sieht Deutschland an der Schwelle zur "Ökodiktatur". Die EU einigt sich auf AKW-Stresstests.
26.05.2011
Von Georg Ismar und Tim Braune

Als Zugeständnis für den Atomausstieg erwägt die Bundesregierung die Abschaffung der von den Energiekonzernen zu zahlenden Brennelementesteuer. Das verlautete am Mittwoch aus Koalitionskreisen in Berlin. Für CSU-Chef Horst Seehofer ist die Entscheidung bereits gefallen: "Die Brennelementesteuer ist unserer Auffassung nach vom Tisch", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Man könne nicht die AKW-Laufzeiten verkürzen und Öko-Investitionen verlangen und gleichzeitig die Energiekonzerne mit so einer Abgabe belasten.

Die Spitzen von Union und FDP wollen an diesem Sonntag im Kanzleramt womöglich bereits zentrale Details des Atomausstiegs vereinbaren. "Das ganze Spektrum der anstehenden Maßnahmen wird besprochen werden", betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine Entscheidung über die Steuer sei noch nicht gefallen. Die Steuer soll bis 2016 rund 2,3 Milliarden Euro jährlich aus der Besteuerung neuer Brennelemente bringen - allerdings verringern sich die Einnahmen, wenn die Regierung mehrere Meiler vorzeitig endgültig abschaltet.

RWE-Chef: "Deutschland droht eine Ökodiktatur"

RWE-Chef Jürgen Großmann griff die CDU und damit Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel frontal an. Die CDU gehe wirtschaftlich blauäugig an die Energiewende heran. Deutschland drohe eine "Ökodiktatur". Großmann warnte die schwarz-gelbe Regierung bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats in Berlin vor einem festen Ausstiegsdatum und schlug flexible Drei-Jahres-Pläne vor.

Der Konzernchef, der mindestens bis 2025 Atomstrom haben will, betonte, die Energiewende müsse "wenigstens der Überprüfung mittels der Grundrechenarten standhalten". Der Umbau der Stromversorgung sei zwar zu schaffen - aber nur gemeinsam in Europa, nicht im Alleingang.

Die Konzerne kritisieren, dass Deutschland bei ihrem Atomvotum nicht den EU-Stresstest abwartet, auf den sich die EU-Staaten inzwischen verständigt haben. Vom 1. Juni an soll geprüft werden, wie die europaweit 143 Atommeiler auf Naturkatastrophen wie Erdbeben, Hochwasser oder Flugzeugunglücke vorbereitet sind. Gefahren durch mögliche Terrorattacken sollten später untersucht werden, sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Brüssel. "Wir müssen erst prüfen, wer dafür zuständig ist: Polizei, Geheimdienste, Behörden für innere Sicherheit, Armee oder Luftwaffe?" Kritiker sehen in dem Test eine Alibi-Veranstaltung.

In Berlin ist man schon einen Schritt weiter, am Sonntag könnte eine Entscheidung über das Aus für bis zu acht Meiler erfolgen. Nicht ausgemacht sind die Bedingungen: In der schwarz-gelben Koalition gibt es Widerstand gegen eine Streichung der Atomsteuer, die formal unabhängig von der Laufzeitverlängerung beschlossen worden war. "Die FDP hat keine Pläne zur Abschaffung der Kernbrennstoffsteuer", sagte der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kauch.

Mehr in erneuerbare Energien investieren

Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Koalitionskreisen erfuhr, wird erwogen, die Steuer zu kippen, damit die Atomkonzerne verstärkt in erneuerbare Energien investieren können. Das Atompaket soll am 6. Juni vom Kabinett verabschiedet werden. Die Eckpunkte etwa zur Zukunft der Steuer, der Zahl der sofort abzuschaltenden Meiler und das Datum des Ausstiegs könnten bereits am Sonntag vereinbart werden.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, am Sonntag ein Konzept für die finanziellen Folgen der Energiewende vorzulegen. Schäuble hatte sich bisher gegen hohe Einnahmeausfälle gesperrt und sogar eine Erhöhung der Atomsteuer erwogen. Ursprünglich sollte das Geld aus der Steuer vorrangig zur milliardenschweren Sanierung des Atomlagers Asse verwendet werden.

Experten vor den Folgen von Stromausfällen

Sollte die Steuer gekippt werden, dürfte der von Merkel angestrebte Konsens mit der Opposition schwierig werden. Nach dpa-Informationen beriet sie am Mittwoch mit den Spitzen von SPD und Grünen darüber. Der Vorsitzende der SPD-Energiekommission, Thorsten Schäfer-Gümbel, betonte: "Auf diesen Kuhhandel der Bundesregierung lassen wir uns nicht ein. Die hochprofitable, aber subventionsverliebte Atombranche muss endlich für die Folgekosten ihres eigenen Wirtschaftens zur Kasse gebeten werden." Grünen-Chefin Claudia Roth warf der Koalition einen "Kotau vor den Profitinteressen der Atomkonzerne" vor.

Unterdessen warnen Experten vor den Folgen von Stromausfällen. Einem Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag (TAB) zufolge ist Deutschland schlecht vorbereitet. "Wir müssen uns dringend kümmern um Versorgungskonzepte für die Bevölkerung", sagte der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Christoph Unger. So sei mit großen Problemen in der Kommunikation, im Verkehr, sowie bei der Wasser- und Lebensmittelversorgung zu rechnen. Die Netzbetreiber warnen bei einem Abschalten zu vieler AKW vor der Gefahr großer Stromausfälle besonders im Winter. RWE-Chef Großmann rechnete vor, schon ein kurzer "Blackout" koste mindestens eine Milliarde Euro.

dpa