Ärzte im "Krieg" gegen Grippeviren

Ärzte im "Krieg" gegen Grippeviren
Es ist klein, schlau kann töten: das Grippevirus. Am Berliner Robert Koch-Institut forscht Thorsten Wolff, um dem winzigen Widerling das Leben so schwer wie möglich zu machen. Besiegen kann aber auch die moderne Medizin diesen unberechenbaren Erreger nicht.
11.09.2010
Von Ulrike von Leszczynski

Am Berliner Robert Koch-Institut hat Influenza- Forscher Thorsten Wolff seine tückischen Gegner immer im Visier: Grippeviren. Sehen kann er sie nur im Elektronenmikroskop, winzige, stachelige Kügelchen, die aber alles andere als harmlos sind. Sie können auch töten. Der Wissenschaftler wirkt wie ein freundlicher und gutmütiger Mann, doch wenn es um Influenza-Viren geht, wird sein Ton schärfer: "Das ist Kalter Krieg", sagt Wolff. "Virus gegen Mensch, Virus gegen Tier." Vor der nächsten Grippesaison in diesem Winter werden die Fronten wieder neu abgesteckt. Der Ausgang ist offen.

Wolff (47) macht sich wenig Illusionen, dass die Wissenschaft den Kampf gegen Grippeviren gewinnen könnte. Die Erreger haben bereits Millionen Menschenleben auf dem Gewissen. "Dieses Virus ist unausrottbar." Denn es zaubert im Körper seiner Opfer Varianten und Mutationen hervor, die ihm wahrscheinlich auf ewig das Überleben sichern werden. "Es ist eben ein sehr intelligentes Prinzip."

Hohes Fieber

Respekt vor Grippeviren hatte der Biochemiker schon, bevor er am Robert Koch-Institut (RKI) die Influenza-Forschung übernahm. Denn auch ihn hat eine Grippe schon einmal heftig erwischt. "Ich kam aus dem Kino und bekam plötzlich Schüttelfrost. Ich habe es kaum noch nach Hause geschafft, innerhalb von fünf Minuten bekam ich Fieber", erinnert sich Wolff. Tagelang ging gar nichts mehr. Dabei ist der Forscher trainierter Schwimmer, der früher bei Wettkämpfen startete.

Doch gegen ein Virus, das schon beim Niesen von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, schützt als Vorbeugung nur die Schutzimpfung. Wolff lässt sich seit seiner Grippe jeden Herbst pieksen.

Wie die Grippesaison in diesem Winter verlaufen wird, kann auch ein Influenza-Forscher nicht vorhersagen. "Das ist schwieriger als beim Wetter", sagt Wolff. "Kein Supercomputer kann eine Grippewelle vorausberechnen." Denn niemand weiß, ob und wie sich das Virus verändert. "Es ist uns immer einen Schritt voraus", bedauert Wolff.

Grippe bleibt unberechenbar

Doch die Verfolgung beginnt sofort, auch am RKI. Nur seine kleine Tochter kann Wolffs Forscherdrang bremsen. Nach seiner Promotion in Biochemie wollte er kein Theoretiker werden. Er suchte nach einem angewandten Bereich, der Menschen helfen kann. Eine Begegnung mit dem US-Grippeforscher Peter Palese Mitte der 90er Jahre begeisterte ihn so sehr, dass er ihm einige Jahre in sein US-Labor folgte.

Virologen befürchten, dass der milde Verlauf der Schweinegrippe mit knapp 260 Toten in Deutschland jetzt eine Impfmüdigkeit auslösen könnte. Schweinegrippe als harmlose Infektion? Wolff kann da nur den Kopf schütteln. Er kennt Ärzte, die im letzten Winter auf der Intensivstation verzweifelt um das Leben von Grippe-Patienten im besten Alter rangen. Das war ein großer Unterschied zu früher, als die Grippe vor allem Senioren mit Vorerkrankungen traf. Grippe bleibt eben vor allem eines: unberechenbar.

dpa