Freizeichen

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Typisch: Kaum kommt man zur Ruhe, wird man krank. Auch darin einen Wert sehen zu können, dauert eine Weile.

Das Fieber kommt über Nacht. So war das schon oft. Erst ist alles gut: Nach einer arbeitsreichen Zeit endlich der Ausblick auf ein paar freie Tage. Der Frühling klopft an die Fensterscheibe. Die Sonne malt Flecken aus Licht auf den Dielenboden. Der Sonntag zieht davon, aber das macht nichts, denn der Montag ist frei. Und man schmiedet schon voller Vorfreude Pläne: Was könnte man alles mit diesem Tag anfangen? Mit diesem Anfang einer Urlaubswoche. Geschenkte Zeit. Zum Cappuccinotrinken im Lieblingscafé, zum Radfahren mit dem Patenkind, zum Nase in die Sonne halten. Einfach nur so.

Aber dann, es ist noch dunkel draußen, der Wecker zeigt 3:38h, wird man plötzlich wach. Und alles tut weh. Der Hals kratzt, der Kopf wummert, Arme und Beine fühlen sich bleischwer an. Das Gesicht ist heiß und der Mund ganz trocken. Das Thermometer zeigt in Sekundenschnelle: 39,2°C.  Und man könnte nun weinen. Vor Schmerz und vor Wut. Weil das doch ganz schön ungerecht ist: Da gibt man wochenlang alles, was man hat, ist voller Energie, brennt für die Arbeit, verbrennt sich fast. Aber es läuft. Es macht Spaß. Es fühlt sich gut an, so viel zu schaffen. Und wenn man doch mal erschöpft ist, nach einem Arbeitstag, der eher 18 als 8 Stunden hatte, tröstet man sich mit dem Gedanken: Alles hat seine Zeit. Bald ist Urlaub. Pause. Zeit zum Krafttanken und Luftholen. Zeit für das schöne Leben.

Doch stattdessen: Kranksein statt Urlaub. Kranksein im Urlaub. Nichts geht mehr. Der Montag kommt und mit ihm das Fieber. Im Bett liegen zu bleiben, während alles um einen herum erwacht, fühlt sich so gar nicht nach gemütlicher Urlaubsstimmung an. Statt Kaffee mit Milchschaum gibt’s Minztee mit Honig. Und es dauert, bis man das annehmen kann. Akzeptieren. So wie es ist. Es dauert, bis man versteht: Auch das ist eine Pause. Anders als gedacht und doch: Zeit. Zum Krafttanken und Luftholen. Zeit, damit die Seele hinterherreisen kann. Zeit, die man damit verbringt, im Bett zu liegen, aus dem Fenster zu blicken, ein Stück Himmelblau zu entdecken. Nicht mehr als das.

Und dann doch mehr als das: Zwischen zwei Fieberträumen, zwischen Schlafen und Wachen, zwischen dem Nachdenken über Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit, ruft Gott plötzlich an. Und die Leitung ist frei. Das erste Mal seit Wochen. - Hallo, Mister Gott, hier spricht Hanna.

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