Der Zauber der Jugend

Der Zauber der Jugend
Der zweite Roman von Moïra Fowley-Doyle „Der Zauber der verlorenen Dinge“ hält viele magische Überraschungen bereit und erfreut queere Leser_innen mit vielfältigen – nicht nur – jugendlichen Figuren.

In der Nacht des Stadtfestes verlieren mehrere Teenager Dinge, die sie wiederfinden wollen. Irgend etwas Mysteriöses ist geschehen; nur vage können sich alle erinnern. Erst einzeln und dann immer mehr zusammenwachsend begeben sie sich auf die Suche. Die Geschichten über Verlorenes und Gefundenes, über Liebe, Freundschaft und Familie vereinen sich im Erleben eines Zaubers. Die Geschichte braucht keine klassischen Fantasyelemente oder Fabelwesen, um mystisch zu sein. In „Der Zauber der verlorenen Dinge“ geht es vielmehr um den Zauber, der in alltäglichen Dingen und in Begegnungen steckt. Aber so ganz sicher ist man sich nicht – und letztlich bleibt die Interpretation bei der_dem Leser_in. Auch für die Protagonistinnen verschwimmen die Grenzen zwischen Magie und Realität: „‚Wir haben nichts gemacht, Holly!“, sagt Laurel zu ihrer Freundin. „Zaubersprüche und Magie sind nicht das echte Leben.‘ Doch ich war mir nicht mehr so sicher.“

Anfangs braucht es etwas Geduld die wechselnden Ich-Erzählerinnen auseinanderzuhalten. Doch schon bald fühlt man sich in einer Welt voller Magie und Poesie liebevoll gefesselt. Die hauptsächlich weiblichen Charaktere sind stark und teilweise queer. Be_hinderungen und Bisexualität, Liebe und Sex zwischen Frauen, feministische Grundhaltungen, sexuelle Selbstbestimmung und diverse Körperformen hat die irisch-französische Autorin Moïra Fowley-Doyle ganz nonchalant in die Geschichte eingebaut.

Nicht religiös, aber voller mystischer Elemente ist dieses Buch. Es stellt am Ende jeglichen Hokuspokus in Frage und schafft es gleichzeitig, ein Wirken zu erahnen, das jenseits der fassbaren Welt existiert. Es geht dabei weniger darum, an all den beschworenen Zauber zu glauben, als den Zauber und „Spuk“ im Leben wahrzunehmen und mit ihm umzugehen. Was ist es, was ich verloren habe? Gibt es mehr als ein Erstes Mal? Wie knüpfen und verändern wir Beziehungen? Welche Dinge möchte ich lieber nicht zurückhaben? Jedenfalls warnt das Zauberbuch, das die Jugendlichen finden: „Pass auf, was du dir wünschst: Nicht alles Verlorene soll gefunden werden.“

Die episodisch aufgebaute Geschichte lädt zum Träumen ein und lässt gleichzeitig aufmerksam werden für den Zauber, der in Begegnungen, im Alltag liegen kann. Das Buch betont Freundschaft und Geschwisterschaft, gerade dann, wenn im Leben nicht alles rund läuft. Fowley-Doyle gelingt es, die Geschichten und Gedanken Jugendlicher nachzuzeichnen: Abenteuer und Leichtsinnigkeit treffen dabei auf die Herausforderungen, denen man als Teenager begegnet. Die traumhafte Welt, in der man sich als Jugendliche_r gerne flüchtet, fängt die Autorin mit der Geschichte um das Zauberbuch ein. Trotz der vielen Belastungen, die die Freund_innen und Geschwister erleben, bleibt am Ende ein positiver Vibe.

Ein mitreißendes Buch voller Überraschungen, mit mitunter düsterer Atmosphäre aber gleichwohl vieler queer-feministischer Wohlfühlmomente – nicht nur für Jugendliche ein echtes Highlight queerer Literatur.

Moïra Fowley-Doyle: Der Zauber der verlorenen Dinge. Aus dem Englischen von Karen Gerwig, cbj 2019

 

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