Farbenobergrenze?

Farbenobergrenze?
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Rechtzeitig zur CSD-Saison ist ein Streit um die Farben der Regenbogenflagge ausgebrochen. Der Auslöser ist eigentlich ein wichtiges Problem, das aber bereits in den Fluten der Netzwerke unterzugehen droht.

Die CSD-Saison hierzulande nimmt eben so richtig an Fahrt auf (unter anderem mit so erfreulichen Meldungen wie der Teilnahme einer Gruppe der evangelischen Kirche Oldenburg an der Parade oder von Prälatin Gabriele Arnold, die Schirmherrin des Stuttgarter CSD ist), da schwappt aus den homosexuellen Wassergläsern der USA ein kleiner Sturm zu uns herüber. An der Flut in den diversen Netzwerken lässt sich erahnen, dass in irgendeiner Weise auch ein deutscher Nerv getroffen worden ist.

Auf Initiative einer Gruppe "More Color More Pride" wurde jüngst in Philadelphia erstmals eine Regenbogenfahne mit acht statt den bisherigen sechs Farben gehisst. Hinzugefügt wurden Braun und Schwarz, um auf die Situation nicht-weißer Homo-, Bi- und Transsexueller in der Community aufmerksam zu machen. Nicht nur seien "People of Color" kaum sichtbar, immer wieder komme es zu rassistischen Ausfällen und Ausgrenzung von Menschen wegen deren Hautfarbe.

Das Magazin queer.de hat recht früh darauf hingewiesen, dass in Deutschland mit Braun und Schwarz anderes assoziiert wird. Der Slogan "Braun ist keine Farbe des Regenbogens" wendet sich gegen Nazis. Schwarz ist eher mit Trauer/Trauerflor verknüpft, szenespezifisch ist Schwarz zudem Teil der Flagge der Leder-/Fetischleute.

Eine weitere Kritik lautet, dass die Regenbogenfahne - sofern sie Symbol der Homosexuellenbewegung ist - mit ihren Farben keine ethnische Vielfalt repräsentiert, sondern seit jeher auf eine universale Gemeinschaft verweist.

Allgemein gilt der im März verstorbene Künstler Gilbert Baker als Vater der Regenbogenflagge, die - welch Zufall - ursprünglich acht Farben haben sollte. Es wurden dann die heute geläufigen sechs Farben, denen Baker eine eigene Bedeutung gab. So sollte Rot für das Leben stehen, Orange für die Gesundheit; Gelb das Sonnenlicht und Grün die Natur repräsentieren; Harmonie wurde in Blau, das Geistige im Lila ausgedrückt. Jammerschade, dass ausgerechnet Pink als Verweis auf Sexualität und Türkis als Symbol für Magie und Kunst außen vor gelassen wurden. Keine Rolle spielte jedenfalls die christliche Regenbogen-Symbolik des Bundes von Gott mit den Menschen.

Mit Braun und Schwarz und dem Verweis auf Hautfarbe käme eine Kategorie anderer Art hinzu - und sofort taucht die Frage auf, ob dann nicht auch Farben für andere Gruppen (Menschen mit Behinderungen, Intersexuelle Personen) ergänzt werden müssten. Irgendwann dürfte der Platz und die Zahl noch unterscheidbarer Farben knapp werden.

Die nun losgebrochene Diskussion hat sich in ihren Auswüchsen bereits in die zwei üblichen Lager aufgeteilt: hier die Traditionalisten, die so tun, als würde ihnen morgen die Verwendung der sechsfarbigen Flagge verboten, da die Fundamentalkritiker, die im Widerspruch gegen die achtfarbige Flagge prompt ihren Rassismusvorwurf bestätigt sehen.

Und schon zeichnet sich ab, dass die aufgeschäumte Debatte von dem ablenkt, was doch eigentlich der Anlass war: eine Debatte über Rassismus in der homosexuellen Community. Stattdessen wird nun über das Farbenspektrum und dessen Symbolgehalt sinniert. Das liegt zum Teil an der Kampagne "More Color More Pride" selbst, die ihren pauschalen Vorwurf besser mit Beispielen untermauert hätte. Hierzulande fielen mir ein: Fragwürdige Tür-Politik von Kneipen und Diskotheken, verbale und tätliche Übergriffe gegen Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe, strukturelle Diskriminierungen ... all dies muss publik gemacht werden, innerhalb und von der Community selbst. Scheinbar fühlt sich eine große Gruppe nicht repräsentiert im lebendigen Spektrum der behaupteten Gemeinschaft - dann ist es sinnvoller zu fragen, wieso das so ist und was man konkret dagegen tun kann. Nichts gegen Symbolpolitik, aber der konkrete Alltag der Menschen verlangt andere Lösungen.

Ob nun mit Flagge oder nicht, ob mit acht oder sechs Farben - es wird hoffentlich für alle eine bunte, kämpferische und gesegnete CSD-Saison. Und manche Probleme lösen sich gelegentlich auch von selbst. Der Grund nämlich, warum Gilbert Baker etwa das Pink aus der letztendlichen Version der Regenbogenflagge draußen ließ, war finanzieller Natur: Für die Massenproduktion war diese Stofffarbe damals einfach zu teuer!

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