Bewegungen in Württemberg

Bewegungen in Württemberg
Foto: Dan Peter
Die Evangelische Landeskirche Württemberg ist mit derjenigen in Sachsen die einzige, in der es nach wie vor keine Segnungsmöglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare gibt. Die Initiative Regenbogen will das nicht länger hinnehmen.

Mit Freude las ich dieser Tage, unter anderem hier auf evangelisch.de, von dem Zusammenschluss "Initiative Regenbogen", der aus dem Bündnis Kirche und Homosexualität (BKH) hervorgegangen ist. Beide bewegen sich und etwas in der Evangelischen Landeskirche Württemberg, in der sich die meisten noch immer sehr schwer tun, schwuLesBische Lebensweisen zu akzeptieren und LGBT(IQ)-Rechte umzusetzen. Der Kampf – und ja, es ist ein Kampf! – für z. B. Schwule, Lesben und Bi*sexuelle muss dort besonders hart sein. So existiert bekannterweise in Baden-Württemberg u. a. ein starkes pietistisches Lager – bis hin zu vielen rechtskonservativen Stimmen. Dies zeigt sich in den Positionierungen der Kirche genauso wie in den Volksbewegungen, die gegen eine emanzipatorische Sexualaufklärung in Schulen oder die Verankerung von vielfältigen Lebens- und Liebensweisen im baden-württembergischen Bildungsplan sind.

Kirchengemeinderätin Judith Quack, Sprecherin der Initiative Regenbogen, erklärt dazu: "Volkskirchen, die wie die Evangelischen Landeskirchen in Baden und noch stärker in Württemberg stark vom Pietismus und neoevangelikalen Bewegungen geprägt sind, stehen hier vor besonderen Herausforderungen. Wo die (ablehnende) Haltung zu Homosexualität als Lackmustest biblisch begründeten Christseins gilt, fällt Auseinandersetzung und Verständigung schwer."

Der Initiative Regenbogen gehören nun 17 Kirchengemeinden an. Die ersten 16 Kirchengemeinden überreichten am 9. Juli 2016 dem Landesbischof und der Präsidentin der Württembergischen Evangelischen Landessynode in Heilbronn eine öffentliche Erklärung (s. Foto): "Wir sind offen für Lesben und Schwule in unserer Gemeinde, für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, für Pfarrerinnen und Pfarrer, die mit ihrer Partnerin/ihrem Partner im Pfarrhaus leben wollen. Für uns ist es selbstverständlich, dass Lesben und Schwule zur Kirchengemeinde gehören. Menschen unterschiedlicher Lebensformen und sexueller Identitäten sind willkommen!", heißt es in der Erklärung.

Während in anderen Landeskirchen – ja neuerdings sogar in der im gleichen Bundesland positionierten Landeskirche Baden! – beim Traugottesdienst längst kein Unterschied mehr gemacht wird, ob ein Paar gleichgeschlechtlich oder verschiedengeschlechtlich ist, wird in Württemberg nun immerhin verstärkt über die Sonderform einer Segnung für gleichgeschlechtliche Partner_innenschaften diskutiert. Wäre es zu "weit vermessen" oder zu ehrgeizig gewesen, gleich über die "richtige" Trauung zu verhandeln?

Judith Quack veranschaulicht den Kurs der Initiative und antwortet mit Zuversicht auf die Frage, warum Segnung und nicht gleich Trauung: "Die Initiative bezieht sich auf die bis heute nicht zurückgenommene Feststellung im Gemeinsamen Bericht von Landessynode und Oberkirchenrat aus dem Jahre 1995: 'In der württembergischen Landeskirche ist die Segnung von homophilen Paaren nicht möglich.' Dem wollen wir als Kirchengemeinden etwas entgegensetzen – in unseren Augen ist sie möglich und notwendig! Der Beschluss der badischen Landeskirche, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nicht nur zu ermöglichen, sondern der Trauung heterosexueller verheirateter Paare gleichzustellen, gibt die Richtung vor und macht uns Hoffnung für den Prozess, der durch die Überarbeitung der Trauagende im kommenden Jahr auch in Württemberg in Gang kommen wird."

Von ihren verlautbarten Positionierungen und Forderungen beschränkt sich die Initiative - genau wie das BKH - auf Homosexuelle. Dass damit wiederum Ausschlüsse aufrechterhalten und produziert werden, wird wohl innerhalb der Gruppen reflektiert, nicht aber publik gemacht. Wäre es zu viel, auch queer, trans* und bi*/pan als Bezeichnungen zu verwenden? Was ist der (Hinter-)Grund für ein sprachliches Ausdrücken, das vermittelt, es gäbe nur Menschen, die Mann oder Frau, hetero oder homo sind? Ist es aus strategischen Gründen sinnvoll oder gerechtfertigt, Dichotomien, die Ausschlüsse herstellen, zu wiederholen?

Für das Bündnis Kirche und Homosexualität sowie die Initiative Regenbogen ist es das. Denn noch immer ist das basale Ziel beider, "gleiche Rechte für Lesben und Schwule in der Kirche" durchzusetzen. "Dass dieses Ziel noch nicht erreicht ist, zeigen die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Segnung eines Frauenpaares in Böblingen. Aber auch wir sehen unter dem Regenbogen Menschen 'aller Geschlechter dazwischen und jenseits'; darum sind wir in diesem Jahr dem Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg beigetreten", erklärt Judith Quack.

Das Konzept Queer werde laut der Sprecherin vielstimmig diskutiert. "In den Auseinandersetzungen spielen neben theologischen Fragen auch die Frage nach Selbstbezeichnungen, Geschlechterkonzeptionen und politische Zielsetzungen eine wichtige Rolle." Wichtig sei den Mitgliedern aber vor allem, "von allen unmittelbar verstanden zu werden" – und das Wort Homosexualität ist ja sicher auch in Württemberg jeder_m geläufig.

Die Initiative Regenbogen ist so mutig wie wichtig: Viele von 'uns' kennen das – es ist nicht leicht, in einem Kreis von teilweise Ewiggestrigen für die Rechte von Lebenskonzepten und Liebensweisen einzutreten, die für eine_n selbst unaufgeregt selbstverständlich sind.

Quack hingegen ist positiv gestimmt und weiß den offenen Austausch zu schätzen: "Zum Glück haben wir in allen Gesprächskreisen auch die Bereitschaft zu Begegnung, Auseinandersetzung und Verständigung wahrgenommen. Warum sollte nicht auch in Württemberg gelingen, was in Baden gelungen ist?"

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Auf change.org gibt es eine Online-Petition zum Thema "Trauung für alle auch in der Evangelischen Landeskirche Württemberg".

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