Wann traut sich Bayern?

Wann traut sich Bayern?
Foto: Rainer Hörmann
In Berlin, Brandenburg und schlesische Oberlausitz hat sich eine evangelische Landeskirche hinsichtlich der Gleichstellung wieder was getraut. Eine gute Entscheidung, die Lust auf mehr macht: Wer traut sich als nächstes?

"Spät kommt sie, doch sie kommt", möchte man frei nach Schiller sagen. Ob allerdings der lange Weg wirklich ein Entschuldigungsgrund für das Säumen war, darüber sollte man angesichts des guten Schlusses in der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) nicht weiter sinnieren. Schwule und lesbische Paare, die sich trauen, können ab diesem Sommer in den evangelischen Kirchen getraut werden. Eine Segnung war schon seit 2002 möglich. Künftig ist der kirchliche Traugottesdienst für einen aus Liebe und der daraus erwachsenden Verantwortung füreinander geschlossenen Bund zweier Homosexueller dem eines heterosexuellen Paares gleichgestellt. Gut so! Damit ist man der Politik einen Schritt voraus, denn nach wie vor verhindert die CDU/CSU eine zivilrechtliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe.

Der Dank gebührt natürlich all denen, die sich in der EKBO mit viel Engagement und Leidenschaft für diese Entscheidung stark gemacht und dafür mit Argumenten gestritten haben. Ein, zwei Mal habe ich in der Aussprache bei der Landessynode am vergangenen Freitag - nach einem klaren Plädoyer von Probst Christian Stäblein - Sätze gehört wie, man stimme trotz Bedenken zu, weil man die Sache an sich richtig fände. Dank also auch denen in der Synode, die die Zuversicht, dass es gut wird, über den Zweifel stellen konnten. Wichtig auch die klaren Worte von Bischof Markus Dröge zum Beginn der Synode:

"In Christus gelten keine Bevorzugung oder Abwertung, keine höhere oder niedrigere Wertigkeit von Menschen aufgrund ihrer nationalen, kulturellen und eben auch nicht geschlechtlichen Prägung. Diese Freiheit zu bezeugen, ist heute von zentraler Wichtigkeit."

Ich freue mich über die Entscheidung der EKBO, weil sie für mich christlich und zugleich politisch richtig ist. Weil sie, mit ein wenig Pathos formuliert, für mich gut zu dem passt, was ich "Berliner Lebensgefühl" nennen würde: der - trotz der im Alltag nicht immer leicht auszuhaltenden Schnoddrigkeit - Grundkonsens, dass es eine Stärke der Stadt ist, dass hier jede und jeder leben kann und leben soll, wie er möchte. Dass Vielfalt bejaht wird und sich zum guten wie gleichen Leben aller entfalten kann. Darum gehört die Entscheidung der EKBO zur Gleichstellung zu dieser Stadt, dieser Region.

Freilich bestätigen die Zauderer und Nein-Sager mein hausgemachtes Vorurteil, dass die Toleranz proportional zur Entfernung vom Hauptstadtkern abnimmt. Aber das Schöne an Vorurteilen ist ja, dass man sie auch aufgeben kann!

Womit wir beim Wermutstropfen wären. Wer gleichgeschlechtliche Paare aus Gewissensgründen nicht trauen will, muss nicht. Zwar muss die Ablehnung schriftlich begründet und dem Paar eine Alternative angeboten werden, ob aber das Motiv theologischer Natur ist oder nicht doch schlicht die Ablehnung von Homosexualität bzw. homosexuellen Menschen an sich, wird sich dadurch nicht erhellen. Ersteres scheint mir nach wie vor wenig plausibel. Letzteres ist nach wie vor überhaupt nicht akzeptabel, auch wenn im Zuge der aktuellen reaktionär-nationalen Wende in weiten Teilen Europas Menschenfeindlichkeit wieder als "natürliches" Verhalten hoffähig wird.

Man sollte es aber vielleicht ganz lebenspraktisch sehen: Wer will schon von einer Pfarrerin, einem Pfarrer getraut werden, die/der einen nicht leiden kann? Dann besser die (nichtsdestotrotz demütigende) Wahrheit aushalten und sich an jemanden wenden, der einen versteht und die Trauung mit einem wirklich guten Segen und nicht mit Heuchelei begleitet. Es ist nicht die Aufgabe des Paares, um einen Segen betteln zu müssen und schon gar nicht, einen warum auch immer Homosexuellen gegenüber unfreundlichen Geistlichen umstimmen oder ihm nachweisen zu müssen, dass man auf das Ausleben der Homosexualität verzichtet. Doch de facto, da bin ich mir sicher, werden solche Ablehnungen Ausnahmen bleiben. Davon zeugt ja auch die deutliche Mehrheit, die auf der Frühjahrstagung der Landessynode für eine Gleichstellung gestimmt hat.

Geht von der Entscheidung der EKBO eine Signalwirkung aus? Man schielt ein wenig zur Nordkirche, wo sich eine Gleichstellung abzeichnet. Warum nicht auch ein Blick gen Süden? Nach Baden-Württemberg vielleicht. Oder Bayern?! Mit München hat der Südosten ein lebensbejahendes Zentrum, das Berlin weder in der Offenheit und erst recht nicht im gewöhnungsbedürftigen patzig-patriarchalen Umgangston nachsteht. Und Bayern hat den Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm. Der begrüßt die Berliner Entscheidung, aber in seinem eigenen Land bleibt dann doch alles wie gehabt: Segnungen sind möglich, in welcher Form bestimmt der Pfarrer. Eine Gleichstellung ist nicht geplant. Das ist irgendwie auch ein Signal. Man lege Wert darauf, dass "sich unterschiedliche Positionen bei der Auslegung der biblischen Tradition im Hinblick auf Homosexualität in gegenseitiger Achtung begegnen", so Bedford-Strohm laut heute.de. Das ist so freundlich wie unverbindlich. Es kontrastiert auf bedauerliche Weise mit der sonst medial unzweifelhaft geäußerten Solidarität mit Schwulen und Lesben. Aber mit Vertröstungen ist man in der evangelischen Kirche ja immer schnell bei der Hand. Schneller jedenfalls als mit Taten. Die kommen meist recht spät. Schade, denn mit den guten Beispielen von Hessen-Nassau, Rheinland und nun Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz könnten sich ruhig mehr Landeskirchen was trauen. Nicht immer entschuldigt der lange Weg das Säumen.

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