Verleugnen und Verdrängen...

Verleugnen und Verdrängen...
Foto: Dieter Schuetz/pixelio.de
Queers kennen die Erfahrung, ihr Liebstes zu verleugnen. Wolfgang Schürger denkt darüber nach, was wir aus der Geschichte der Verleugnung des Petrus für den eigenen Umgang mit Verleugnen und Verdrängen lernen können.

Die Ökumenische Bibellese für den heutigen Tag erinnert uns an die Verleugnung des Petrus (Mk 14,66-72): Jesus ist bereits gefangen genommen und wird vom Hohenpriester verhört. Im Hof des Gebäudes ist auch Petrus und wärmt sich dort am Feuer. Drei Mal wird er darauf angesprochen, dass er doch zu den Jüngern Jesu gehört - drei Mal weist er dies brüskiert zurück. Erst als der Hahn dann zum dritten Mal kräht, merkt er, dass er damit denjenigen, der ihm über Monate, wenn nicht Jahre am Wichtigsten war, drei Mal verleugnet hat. "Und er weinte bitterlich."

Verleugnen - oder sogar verdrängen - als Queers haben viele von uns damit "gute" Erfahrungen: Ich selber gehöre noch zu einer Generation, in der das Coming Out ein schwieriger Prozess war: Viele von uns haben die sexuelle Identität, die doch so ein wichtiger Teil von uns selbst ist, lange nicht wahrhaben wollen, verdrängt oder verleugnet.

Das galt dann oft auch für die erste Freundin oder den ersten Freund: Vor der Familie wurde erst einmal verleugnet, dass diese Person eigentlich der Partner oder die Partnerin war - zu groß war die Angst vor Zurückweisung. Ich habe dieses Spiel mit meinem ersten Freund drei Jahre lang mitgespielt, obwohl ich in all der Zeit eigentlich integraler Bestandteil der Familie war - der "beste Freund" eben.

Coming Out heute ist einfacher geworden, die Akzeptanz in unserer Gesellschaft gewachsen. Aber immer noch gibt es Lebensbereiche und Situationen, in denen Queers ihr Ureigenstes verdrängen - aus berechtigter oder unberechtigter Sorge vor Zurückweisung.

Kirche als Arbeitgeber ist leider immer noch ein Argument für solche Verdrängung: Mehrere Freunde von mir arbeiten in Gesundheitsberufen, einige von ihnen leben schon länger mit einem Partner zusammen. Doch vor dem Schritt, eine Lebenspartnerschaft einzugehen, scheuen sie zurück - weil sie Gefahr laufen, in katholischen Krankenhäusern und Altenheimen keine Anstellung zu bekommen (und Zurücksetzung in evangelischen Häusern befürchten).

Doch auch in einem beruflichen Umfeld, in dem Diskriminierung nicht zu befürchten ist, ist für manche das Bekenntnis zu der Partnerin oder dem Partner immer noch eine heikle Sache: Wie werden die Kolleginnen und Kollegen reagieren? Wie werden wir als queeres Paar bei der Betriebsfeier wahrgenommen? Immer noch erscheinen die Reaktionen unseres unmittelbaren Umfeldes für viele nicht berechenbar.

Diese Sorge gilt umso mehr, wenn es sich um Menschen verschiedener Kulturen handelt. Die Beziehung eines deutsch-serbischen Paares in meinem Freundeskreis ist nach vielen Jahren unter anderem daran gescheitert, dass der deutsche Partner nie bei Familienfeiern der serbischen Seite dabei sein konnte: "Eher würden sie mich töten als einen schwulen Sohn akzeptieren.", war die Sorge des Anderen.

Es kommt mir nicht zu einzuschätzen, ob diese Sorge begründet oder überzogen war - in meinem eigenen Umfeld habe ich oft gemerkt, dass die Begegnung mit konkreten Menschen Vorurteile in Frage stellen kann. Und sicher ist es legitim, ureigenste Teile seiner selbst zu verleugnen, wenn sonst Gefahr für das eigene Leben besteht. Doch die Beispiele meines serbischen Freundes und des Petrus zeigen: Wer einen Teil seiner selbst so verleugnet, bleibt selbst nicht unverändert - "und er weinte bitterlich".

Der auferstandene Christus erscheint dem ängstlichen Petrus und sendet ihn erneut als Boten des Evangeliums. Der Verleugner wird zum Verkündiger. Was heißt das für uns Queers, die wir unser Ureigenstes auch heute noch immer wieder verleugnen? Zu allererst: Ermutigung! Der Weg des Petrus geht weiter - obwohl er Jesus verleugnet hat. Auch unser Lebensweg geht weiter und kann gut weiter gehen, auch wenn wir unsere eigene Identität in einer bestimmten Situation verleugnet haben - und das im Nachhinein bereuen. Ja mehr noch: Dass der Auferstandene den ängstlichen Petrus neu beruft, zeigt, dass die Macht der Liebe stärker ist als die Kraft der Angst. Vertrauen wir darauf, dass Gottes Geist bei uns ist und uns beisteht, wenn wir auf unsere Liebe vertrauen und uns zu ihr bekennen!

Das heißt aber schließlich: Überlegen wir uns gut, wo es wirklich sinnvoll und nötig ist, unser Ureigenstes zu verleugnen und gehen wir unseren Weg im Vertrauen darauf, dass Gott ein Gott des Lebens ist und nicht des Todes (frei nach Mk 12,27).

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