"Mit denen kooperieren, die was bewegen wollen"

"Mit denen kooperieren, die was bewegen wollen"
Markus Gutfleisch (Foto: privat)
Die Familiensynode im Vatikan zu Ehe und Familie hat für katholische Homosexuelle wenig gebracht. Ein Gespräch mit HuK-Pressesprecher Markus Gutfleisch über zu erwartende Enttäuschungen und was nun zu tun ist.

Am Wochenende veröffentlichte die Bischofssynode des Vatikans zu Ehe und Familie ihr Abschlussdokument, das beratenden Charakter für Papst Franziskus hat. Zum Thema Homosexualität und Ehe für gleichgeschlechtliche Paare enthält das Dokument nur ein paar Zeilen. Als "vertane Chance" haben dies das Netzwerk katholischer Lesben und die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) in ihrer gemeinsamen Stellungnahme bezeichnet. Markus Gutfleisch ist Pressesprecher der HuK und selbst Katholik.

 Zur Synode von 2014 hatte die HuK geschrieben: "Die relevanten Fragen, die Lesben und Schwule seit 40 Jahren stellen, sind in der Synode angekommen, doch dann knickt der Weg ab, wenn betont wird, dass homosexuelle Partnerschaften nicht mit der Ehe gleichgestellt werden können." Gibt es ein Jahr später wirklich substanziell Neues, Anderes - zumal Homosexuelle in genau einem Abschnitt - von insgesamt 94 - abgehandelt werden?

Markus Gutfleisch: Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LSBT) sind nicht der Nabel der Welt. Auch nicht der katholischen Welt. Das wollen uns kirchliche Dokumente meist dadurch klarmachen, dass es nur kurze Formulierungen zum Thema gibt - und die stehen zudem weit hinten in den Dokumenten (lacht). Über tief sitzende homophobe Tendenzen in der römisch- katholischen Kirche wussten wir ja auch schon Bescheid. Deswegen haben einige von uns wenig von der jetzigen Synode erwartet. Wir sehen aber durchaus positive Punkte, wir sehen Bewegung. Immerhin ist von der grenzenlosen Liebe Jesu, die allen Menschen "ohne Ausnahme gilt" die Rede, während die Sprache der Sünde nicht wiederholt wird. Einige Bischöfe wollen, dass LSBT in der Kirche wirklich ihren Platz haben. Wir haben sie immer wieder aufgefordert, mit guten theologischen Argumenten andere Bischöfe zu überzeugen. Das werden sie wohl auch versucht haben. Die Mehrheit der Bischöfe will aber wohl keine normale Diskussion, sondern betrachtet das Thema unverändert als heißes Eisen.

Kardinal Robert Sarah sprach von homosexuellen und Abtreibungs-Ideologien des Westens und verglich diese mit Nazifaschismus und Kommunismus im 20. Jahrhundert. Derweil veröffentlichten die deutschsprachigen Teilnehmer an der Synode eine Erklärung, in der sie sich für die hartherzige Haltung gegenüber homosexuellen Menschen entschuldigten. Das sind höchst widersprüchliche Signale ...

Gutfleisch: Ja. Diese höchst unterschiedlichen katholischen Wege gibt es. Nun frage ich mich, was denn andere Bischöfe diesem afrikanischen Kardinal geantwortet haben oder ob diese Äußerungen schweigend hingenommen werden. Der Benediktiner Abt Jeremias Schröder zumindest äußerte sich dahingehend, dass Sarah keineswegs als Wortführer der afrikanischen Kontinente anzusehen sei. Das macht mich sehr zornig, dass es keine vernünftige Debattenkultur gibt oder wir davon nichts erfahren.

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) spricht in seiner Stellungnahme zur Familiensynode von einem "menschenfeindlichen Kampf gegen die Bürgerrechte von Lesben, Schwulen und gleichgeschlechtlichen Paaren". Klingt ein bisschen schärfer.

Gutfleisch: Die Menschen, die in der HuK mitmachen, sind mit den Kirchen verbunden. Wir sind Teil der Kirche und an den Kirchen interessiert. Und wir wissen, dass Veränderung in den Kirchen, übrigens in der evangelischen wie der katholischen, in kleinen Schritten beginnt. Der LSVD sieht stärker von außen auf die Dinge. Diese Position erklärt auch die Tonlage. Gemeinsam mit dem LSVD haben wir Kirchen aufgefordert, Diskriminierung zu beenden und für Menschenrechte einzutreten. 

In eurer Stellungnahme kritisiert ihr, dass keine Lesben, Schwule, Transgender zur Synode geladen waren. Zugleich fordert ihr den Dialog mit der katholischen Kirche. Was genau soll da besprochen werden? Es heißt von der Synode ganz unmissverständlich, dass es keine Grundlage gibt, um homosexuelle Lebensgemeinschaften mit der Ehe als Gottes Plan wie auch immer zu vergleichen. Wozu also über gleichgeschlechtliche Ehe reden?

Gutfleisch: Einige Kirchenobere haben eingesehen, dass es der katholischen Kirche nicht gut tut, wenn sie LSBT als Sünder bezeichnet. Genau so hat es Kardinal Marx am Ende der Synode bekräftigt: Man kann nicht von der Würde der Menschen reden und die Kirche als eine Gemeinschaft bezeichnen, die Heil bringt, wenn man Homosexuelle oder Menschen, die in zweiter Ehe und die sehr christlich leben, als Langzeit-Sünder bezeichnet. Mit diesen Kirchenoberen werden wir darüber sprechen, was sie tun wollen, um eine offene Kirche zu ermöglichen, die Menschen wirklich Wege zum Heil ebnet. Allerdings brauchen wir einen Runden Tisch, an dem Bischöfe, Vertreter_innen aus der Seelsorge, der Theologie und aus kirchlichen Vereinen und Organisationen mit unseren Gruppen ins Gespräch kommen. Da muss alles auf die Tagesordnung: von homosexuellen Partnerschaften übers Arbeitsrecht bis zum katholischen Religionsbuch. Es ist ganz klar, dass die kirchliche Basis da weiter ist als die meisten Bischöfe. Wir wollen eine klare Sprache sprechen und mit denen kooperieren, die was bewegen wollen und die das theologisch erklären.

Und in Regensburg wird euch der Bischof Rudolf Voderholzer sagen, dass Homosexualität sehr wohl kritisiert werden darf und dass das keine Diskriminierung ist. Wie soll da ein Dialog stattfinden?

Gutfleisch: Der Dialog wird gut gelingen, wenn Leute mitwirken, die sich mit der Kirche nicht ins Abseits manövrieren wollen. Die katholische Welt der fünfziger Jahre gibt es nicht mehr. Ich wünsche den katholischen Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*-Menschen in Regensburg und Passau viel Mut, das Feld nicht den stramm Konservativen zu überlassen. Dialog hat mit Respekt und Zuhören zu tun, das gilt auch für Bischof Voderholzer.

Anfang Oktober hatte die HuK ihre Herbsttagung unter dem Motto "Für uns, für euch, für die Zukunft – Die vielen Stimmen der HuK". Was sind die Pläne für die nächste Zeit?

Gutfleisch: Eine der wichtigsten Aufgaben sehen wir darin, die Kooperation mit anderen Vereinen und Organisationen sowohl im kirchlichen als auch zivilgesellschaftlichen Bereich zu intensivieren. Wir wollen erreichen, dass selbstverständlich mit uns gesprochen wird; wir wollen bestehende gute Ansätze besser vernetzen. Im Rahmen eines zweijährigen Projektes werden wir in der deutschen katholischen Kirche noch mehr als bisher für Vielfalt und Akzeptanz kämpfen. Wir werden weiterhin auf Kirchentagen präsent sein. Die HuK ist aber nicht auf den Dialog mit den beiden großen christlichen Kirchen fixiert. Unter unseren Mitgliedern gibt es auch ein großes Interesse an Spiritualität allgemein. Die Kämpfe um Akzeptanz sind notgedrungen wichtig, aber nur die eine Seite: Begegnung, Beten und Feiern gehört für uns genauso dazu.


Link: Das Abschlussdokument der Familiensynode des Vatikans 2015 (in Italienisch / eine dt. Übersetzung liegt noch nicht vor). Die Hauptaussagen, die Homosexuelle betreffen, finden sich in Kapitel III, Absatz 76.

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