Gemeinsam feiern!

Gemeinsam feiern!
Foto: Rainer Hörmann
Am Wochenende fand zum 23. Mal das lesbisch-schwule Stadtfest in Berlin-Schöneberg statt. Eröffnet wurde es mit einem ökumenischen Gottesdienst des Rogate-Klosters St. Michael zu Berlin, der die Feier mit kritischen Tönen zu verbinden wusste.

Inzwischen ist der vom Rogate Kloster St. Michael zu Berlin organisierte ökumenische Gottesdienst am Vorabend des Stadtfestes selbstverständlich geworden. Die innerkirchlichen Anfeindungen, die noch vor Jahren dazu geführt hatten, dass der Gottesdienst unter Polizeischutz stattfinden musste, haben nachgelassen. 150 Menschen kamen am Freitag, dem 19. Juni 2015, in friedlichem und heiterem Geist in der Zwölf-Apostel-Kirche im Berliner Stadtteil Schöneberg zusammen.

Altarraum der Zwölf-Apostel-Kirche mit "gebändigter" Regenbogenfahne.
Neben dem außerordentlichen Geschick der Organisatoren, eine übergroße Regenbogenfahne auf einem kleinen Tisch perfekt zu drapieren, beeindruckte die Sangesfreude der Gemeinde. Selbst einen so sangesunfreudigen Teilnehmer wie mich!

Ein berührender Moment war, als Frater Franziskus einen aus Syrien geflohenen Mann als Teilnehmer willkommen hieß. Die Gemeinde begrüßte ihn mit Applaus. Später beteiligte er sich mit einer Fürbitte für alle Menschen in den Kriegsgebieten dieser Welt an der Liturgie. Die Feier eines lokalen Ereignisses und der Blick auf die globalen Umwälzungen fanden an diesem Abend so ihren Platz.

Die Predigt von Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent im Kirchenkreis Schöneberg, thematisierte die Provokationen, die auch heute noch von einem Kuss ausgehen können. Scharf kritisierte er eine Tendenz, aus Neid anderen ihr Glück nicht gönnen zu wollen: „Anderen verbieten wollen, ihr Glück zu zeigen – auch in der Öffentlichkeit zu leben – das ist schäbig.“

Organisatoren und Mitwirkende des Gottesdienstes, u.a. Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin Berlin-Schöneberg (Bild-Mitte); rechts hinter ihr: Pfarrer Burkhard Bornemann; rechts neben ihr: Frater Franziskus.
Er kritisierte aber auch eine Debatte innerhalb der schwul-lesbischen Community Berlins. Das Stadtfest war mit dem Motiv eines sich küssenden Frauenpaares beworben worden, wobei eine Frau durch ein Kopftuch als Muslima charakterisiert worden war. Die Berliner Lesbenberatung hatte diese Darstellung kritisiert - lesben-, frauen- und islamfeindliche Kommentare waren die Reaktion. Geboten seien ernstnehmen und im guten Sinne damit auseinandersetzen, so Burkhard Bornemann in seiner Predigt. Das Beschimpfen und Verächtlichmachen der Kritik oder von Menschen nannte er in diesem Zusammenhang „finster“.

Da klang es durchaus befremdlich, als Burkhard Bornemann dann an Jesaja, 65, erinnerte: „Wolf und Schaf sollen beieinander weiden“. Er verwies auf das Ziel eines offenen Lebens ohne Ausgrenzung: „Das gemeinsame Feiern von Menschen, deren Gemeinschaft eigentlich unmöglich ist – das hat Jesus immer wieder praktiziert.“ (Die Predigt lässt sich auf der Internetseite des Rogate-Klosters nachlesen.)

Zum lesbisch-schwulen Stadtfest kamen am Wochenende hunderttausende Menschen in den Nollendorfkiez im Bezirk Schöneberg: Wie stets herrschte dichtes Gedränge zwischen den Ständen, an denen unterschiedlichste Gruppen, Institutionen Homosexueller und Transgender über ihre Arbeit informierten. Das Stadtfest hat seine Wurzeln sicher nicht in einer biblischen Vision, aber bietet auf seine Weise eine Möglichkeit für ein Miteinander unterschiedlichster Menschen. In einer friedlichen Weise, die immer noch verzaubert und seit Jahren das „Flair“ Berlins mitprägt.

Besonders erfreulich : Auch die evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) war wieder mit einem Stand vertreten! Daneben das Rogate-Kloster und auch die Baptisten-Gemeinde Schönebergs, die mit einem Plakat „Bei Gott sind alle willkommen. Alle“ an Grundlegendes erinnerte. Eine Straße weiter präsentierte sich zudem die HuK, die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche.

Dass gemeinsames Feiern in Berlin nicht ganz selbstverständlich ist, daran wird man spätestens am kommenden Freitag erinnert. Am 26. Juni wird es gleich zwei Gottesdienste am Vorabend der CSD-Parade geben. In einer vereinten Stadt der eine in Ost-Berlin, der andere in West-Berlin. Der eine, ein jüdisch-christlicher Gottesdienst, beginnt um 18 Uhr in der St. Marienkirche, der andere, ein ökumenischer Gottesdienst, um 20 Uhr in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Das muss man nicht verstehen; wer allerdings an beiden teilnehmen will, der sollte schon Engelsflügel zur Hand haben. Und reichlich Puste übrig fürs Liedersingen!

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