Die Frage der Woche, Folge 78: Musste es der Glööckler sein?

Die Frage der Woche, Folge 78: Musste es der Glööckler sein?
Harald Glööckler kreiert einen Bibel-Schuber. Ein Aufreger - warum eigentlich?

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

die neue Lutherbibel ist auf dem Markt, viele Menschen wollen sie haben - die Jubiläumsedition ist bereits ausverkauft und wird nachgedruckt. Die Deutsche Bibelgesellschaft hat außerdem neun Promi-Editionen im Angebot. Die bestehen aus der Jubiläumsedition der Lutherbibel 2017 und einem künstlerisch gestalteten Schuber. Die Liste der Promis:

Klaus Meine, Jürgen Klopp, Janosch, Peter Gaymann, Uschi Glas, Angelika und Dieter Falk, Wolfgang Dauner und Randi Bubat, Joe Hennig...

...und jetzt eben auch Harald Glööckler.

Ausgerechnet der exzentrische Modedesigner (ist das eigentlich eine Tautologie?) ist bei einigen Nutzern auf Widerwillen gestoßen. In den Facebook-Kommentaren zu unserer Meldung dazu ist das gut erkennbar: "wozu das?", "Muss das sein?? Ich will das nicht haben", "Schrecklich - hat die Kirche nichts Besseres?"

Ich weiß nicht, woher diese Ablehnung kommt. Die Bibel und ihre Geschichten beeindrucken und prägen Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft. Ich war neulich bei einem Kongress junger Journalisten und wurde dort von vier Menschen angesprochen, die alle aus unterschiedlichen Richtungen, evangelisch wie katholisch, ihren eigenen Zugang zum Glauben gefunden haben. Sie suchten das Gespräch und die Gemeinsamkeit, haben aber alle ganz unterschiedliche Erlebnisse mit Glauben und Religion im Alltag gemacht - vom liberal-fundamentalistischen Streit beim Familienfest bis zum Wiedereintritt, um Patin werden zu können.

Weil viele Journalist*innen, die ich bisher kennengelernt habe, mit Glaube und Religion wenig bis gar nichts anfangen können, hat mich das überrascht und gefreut.

Ganz ähnlich ging es mir mit Harald Glööckler. Ich kannte den Designer bisher nur aus einem etwas älteren Porträt über ihn und sein Geschäftsmodell, das er unter dem Motto fährt: "Jede Frau ist eine Prinzessin!" Sein Schmuck ist erschwinglich und glitzert. Es ist nicht meine Mode (auch wenn definitiv ein Quäntchen Wahrheit in dem Satz steckt, dass das Leben manchmal mehr Glitzer gut gebrauchen kann). Glööckler ist ein Exzentriker, eine Kunstfigur, die aber zugleich eine klare Vision von seiner Aufgabe hat und sie kommerziell erfolgreich und konsequent umsetzt.

Ihn auf dem Bibelschuber zu sehen, überrascht. Mich auch, aber besonders diejenigen, die auf Facebook schreiben. Das passt nicht zur Bibel, sagen sie und stellen damit auch die Deutung in den Raum: Der gehört nicht zu uns. "Das sind die Leute, mit denen meine evangelische Kirche punkten will?" schrieb einer auf Facebook.

Ich halte dagegen: Ja, warum denn nicht? So jemand wie Harald Glööckler gehört eben auch zu uns. Denn auf die Weisheiten, Lehren und Gedanken aus der Bibel hat niemand einen Exklusivanspruch. Auch nicht auf die Interpretation. Der Text ist und bleibt (auch in der revidierten Fassung) eine Übersetzung und Übertragung, eine Geschichtensammlung mit Heilsanspruch, aber voller Widersprüche. Die Bibel kann jeden erreichen, der sich auf sie einlässt. Jeder erreicht dabei eine unterschiedliche Tiefe und Breite in seiner eigenen Interpretation der Bibel und in der Bedeutung, die die Heilige Schrift für ihn oder sie oder jeden dazwischen bekommt.

Harald Glööckler hat eine eigene Interpretation von Mode, Schmuck und Design, von Persönlichkeit, Performance und Schönheit. Dass er sich selbst auf dem Schuber abgebildet hat, finde ich persönlich auch kein Kaufargument. Aber es zieht Menschen trotzdem an, und seine Fans insbesondere. Es ist außerdem auf eine besondere Art und Weise ein öffentliches Bekenntnis: Ich stehe zur Bibel, sagt Harald Glööckler mit seinem Schuber. Seine wesentliche Aussage dazu ist: "Das Leben bietet Reichtum und Überfluss, wenn man es als ein Geschenk Gottes annimmt." Das ist die Botschaft, die er vermitteln will. Und er tut das eben über seine Person.

Ich freue mich lieber über das öffentliche Bekenntnis von jemanden, von dem ich es einfach nie erwartet hätte, anstatt mich darüber zu echauffieren, dass er bestimmten Ideen von "Normalität" nicht entspricht. Glaube kann normal und besonders sein, kann kraftvoll und schwach sein. Aber er begegnet uns in ganz vielen bunten Formen. Und wem das nicht passt, der muss die Ausgabe im Glööckler-Schuber ja nicht kaufen. Oder nimmt eine von den anderen acht. Es findet eben jeder seine Nische.

Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!


Wenn Sie weitere, andere oder neue Fragen zu evangelisch.de oder unseren Themen haben, sind die Redaktion und ich auf vielen verschiedenen Kanälen erreichbar:

- unter diesem Blogeintrag in der Kommentarfunktion

- evangelisch.de auf Twitter als @evangelisch_de und auf Instagram als evangelisch.de

- ich selbst auf Twitter unter @dailybug

evangelisch.de auf Facebook

E-Mail für inhaltliche Fragen und Anregungen

Alle Fragen zu Kirche und Glauben beantwortet Ihnen unser Pastor Frank Muchlinsky auf fragen.evangelisch.de.

Ich werfe immer am Samstag an dieser Stelle einen Blick auf die vergangene Woche und beantworte außerdem Ihre Fragen zu evangelisch.de, so gut ich kann. Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Start ins Wochenende!

weitere Blogs

Eine Ordensschwester im Kongo wurde wieder freigelassen – weil der Bandenchef keinen Ärger wollte.
Ein spätes, unerwartetes Ostererlebnis der besonderen Art
Ein mysteriöser Todesfall, das Mauern der Einheimischen und eine latente Homophobie begegnen einer lesbischen Pastorin bei ihrer Ankunft in einer ostdeutschen Kleinstadt. Aus der Großstadt bringt sie zudem ihre persönlichen Konflikte mit. Beste Zutaten für den Debütroman „In Hinterräumen“ von Katharina Scholz.