Der Kampf um die Nische

Der Kampf um die Nische
Egal, was es schon gab: Irgendwem fällt immer noch was Unglaublicheres ein. Fake-Teaser für eigentlich wahre Nachrichten. Breaking Product News oder ein Magazin für Best Ager. Das alles gibt es jetzt. Und auch in den alten Nischen und Sparten bleibt nichts, wie es war. Der Kinderkanal zum Beispiel will jetzt auch für Erwachsene interessant werden.

Immer wieder stellen wir uns die Frage, was denn nun wohl noch kommen mag, nachdem wir doch schon alles gesehen haben, und immer wieder sehen wir dann doch wieder was Neues, das wir so nicht für möglich gehalten hätten. 

Buzzfeed berichtet zum Beispiel über die Klickschleuder Blog.Halle-Leaks.de, die echte Nachrichten verbreitet (nein, das war es noch nicht), diese aber mit Zitaten versieht, die so nie ausgesprochen wurden.

Ein Beispiel: Martin Schulz hat im Interview mit Spiegel Online über die AfD gesagt: 

„Diese Partei ist ein Schandfleck für die Bundesrepublik, weil sie allem widerspricht, wofür unser Land steht: eine offene, tolerante, auch kontroverse Gesellschaft - aber immer mit Respekt für die Andersdenkenden. Diese Typen muss man bekämpfen.“

Blog.Halle-Leaks.de kündigt den dazu eiligst zusammengeschluderten Text mit folgendem Satz an - neben einem Foto von Martin Schulz, so dass es aussieht, als wäre das aus seinem Mund gekommen: 

„Diese AfD-Typen muss man mit allen Mitteln bekämpfen. Ich denke dabei nach Umerziehungslagern nach DDR-Vorbild.“ 

Auf diese Weise erreicht die Seite laut Buzzfeed deutlich mehr Menschen als andere Medien mit der gleichen Nachricht - ohne das erfundene Zitat, nämlich 111.300 Interaktionen im Vergleich zu schlappen 55.200 Interaktionen, die Bild.de zu erzeugen vermag. Und die haben sich ja immerhin auch schon auf Lockangebote spezialisiert. 

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Einerseits ist das wieder ein Beleg dafür, wie wichtig Überschriften im Netz sind. Andererseits führt es uns noch einmal zurück zu dem offenen Brief, den Internet-Erfinder Tim Berners-Lee vor ein paar Tagen geschrieben hat (Altpapier vom Montag), und in dem er bemängelt:

„Es ist zu einfach, Fehlinformationen im Web zu verbreiten.“

Das stellten Hacker dann gestern auch gleich wieder an verschiedenen Stellen unter Beweis, indem sie mehrere Twitter-Accounts in ihre Gewalt brachten und auf ihnen gegen Deutschland und Holland gerichtete Schmähbotschaften posteten. 

Dass es vor allem Organisationen (BVB, Amnesty, Unicef) und Prominente (Boris Becker, Klaas Heufer-Umlauf) hatte neben dem naheliegenden Grund Aufmerksamkeit wohl noch einen anderen. Prominente und Organisationen machen es Hackern oft leicht, wie Jörg Schieb im WDR-Blog Digitalistan erklärt: 

„(…) denn hier verwaltet in der Regel nicht eine Person das Konto, sondern ein Team oder eine Agentur. Mehrere Personen haben Zugriff darauf. Ein zusätzlicher Schutz mit Hilfe der ‚Zwei Faktor Authentifizierung‘ ist schwierig bis unmöglich. Hinzu kommt, dass bei solchen ‚großen’ Twitter-Accounts oft zusätzliche Tools verwendet werden wie TheCounter.“

Der Dienst räumte dann später auch ein Sicherheitsproblem ein, wie Jörg Schieb ebenfalls schreibt. Das große Kunststück ist wohl, bei alledem optimistisch zu bleiben. 

Der Guardian probiert es zumindest. In einem Kommentar, der sich sowohl auf Berners-Lees Brief als auch auf das neue Anti-Hate-Speech-Gesetz von Heiko Maas (Altpapier vom Mittwoch) bezieht, schreibt die Zeitung:

„The contest between lies and truth is an arms race in which no victory for either side is permanent. Some techniques of advertising and propaganda, hugely effective in their day, have since been discredited by experience and common sense. The institutional fightback against troubling uses of the web may be insufficient, but some things are possible – which means they’re also necessary. Politicians must demand accountability, and so far as possible transparency, from the companies which base their decisions on algorithms. Even when institutions fail us we are not helpless as individuals. We learn from being lied to, even if the process can be horribly painful. The consequences of Trump and Brexit will offer any number of opportunities for learning in that sense. In the end, the web will be made trustworthy again by our own decisions about who to trust.“

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Aber vom Optimismus gleich wieder zurück zum Kulturpessimismus: zum Spiegel. Dirk von Gehlen schreibt in seinen Digitalen Notizen über das neue Cover des Kinder-Magazins „Dein Spiegel“, dessen Titelgeschichte mit der Frage angekündigt wird: „Bin ich handysüchtig?“ 

„Auf dem Titelbild des Magazins, das gestern erschienen ist, wurde der Kopf eines Karohemd-Trägers durch das Flushed-Face-Emoji ersetzt. Dessen gerötete Wangen beziehen sich laut Emojipedia auf einen Fehler bzw. eine peinliche Situation.“

Dirk von Gehlens Kritik daran: 

„Ein solches Titelbild trägt überhaupt nicht dazu bei, einen im Wortsinn gesunden Umgang mit Smartphones einzuüben. Durch die Verwendung des Suchtbegriffs wird ein Krankheitszusammenhang suggeriert, der mindestens diskutabel ist. Durch die Wahl des Emojis wird ein schlechtes Gewissen ob eines Fehlverhaltens angedeutet. Und in der Gesamtschau fügt sich damit ein rein angstgetriebener Blick auf Smartphones, der keinen Platz lässt für Gestaltungsfreude, Kreativität oder eigene Lösungen.“

Eine ähnliche Botschaft wie das Kinderheft hatte auch schone eine Titelgeschichte des Magazins für Erwachsene, über die Dirk von Gehlen damals ebenfalls schrieb. Und nun stellt sich die Frage: Was macht „Spiegel Classic“ aus dem Thema?

Spiegel Classic. Nie gehört? Kein Wunder. Die erste Ausgabe erscheint erst in der kommenden Woche. Die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin Susanne Beyer und Redaktionsleiterin Susanne Weingarten haben vorab mit Kress über das neue Heft gesprochen

Susanne Weingarten erklärt es so: 

"Wir sprechen Menschen an, die sich mit dem Ruhestand und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten beschäftigen - egal ob sie schon Ruheständler sind oder sich nur mit diesem neuen Lebensabschnitt auseinandersetzen.“

Die Zeitschrift „definiere sich nicht über Themen, sondern über eine Lebensphase“. Und irgendwie ja schon bemerkenswert, dass man bei diesem Satz auch gleich an die regionale Tageszeitung denkt, aber vielleicht hat ja auch dieses Produkt noch ein zweites Leben als Sparten-Magazin für eine bestimmte Alterskohorte vor sich. 

Festzustellen ist jedenfalls: Die vor Jahren noch weit verbreitete Hoffnung, irgendwann könnte ein Produkt, von dem man noch keine genaue Vorstellung hat, auf den Markt kommen und die Frage nach der Zukunft des Journalismus einfach nur mit seinem Produktnamen beantworten, ist mit den Jahren der Gewissheit gewichen, dass es dieses Produkt nicht geben wird - sondern stattdessen immer neue Winkel und Nischen für jeden Anlass, jede Interessengruppe und jede Gelegenheit.  

In Hamburg zum Beispiel erscheint gerade nicht nur das neue Spiegel-Magazin für „Best Ager“. Die Hamburger Morgenpost tritt mit einer neuen „Event Plattform“ in den Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Anzeigenkunden ein, wie Meedia berichtet

„Die Mopo versucht das mittlerweile sehr schwierig gewordene Geschäft zu digitalisieren und so vor allem kleine Anzeigenkunden zurückzugewinnen. Diese können sich bei „Just in Hamburg“ Sichtbarkeit erkaufen. Mit dem neuen Produkt drängt die Morgenpost aber im Digitalen in einen Markt vor, der bereits hart umkämpft ist.“

„Just in Hamburg“ existiert bereits als Website und ist auch bei Facebook schon zu finden - allerdings noch nicht von allzu vielen Menschen gefunden worden. Die Seite hat (Stand Donnerstag, 8.23 Uhr) 24 Fans. 

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Auch da, wo Sparten und Nischen schon seit Längerem existieren, ist natürlich nicht ein für alle Mal Ruhe. Und vielleicht erklärt sich so die Meldung, dass der Kinderkanal Kika 20 Jahre nach seiner Gründung nun plötzlich auch Erwachsene umwirbt. 

Darüber berichtet Markus Ehrenberg im Tagesspiegel

„Ab Mai wird das monatliche Talk-Format ‚Baumhaus für Erwachsene‘ via Facebook ausgestrahlt und schaut auf zwei Jahrzehnte Sendergeschichte zurück, kündigte Kika-Programmgeschäftsführer Michael Stumpf am Mittwoch in Erfurt an. Zudem soll es ab 27. März eine eigene Facebook-Seite als Dialogplattform für Erwachsene geben, unter anderem mit Tipps zum Umgang mit Medien.“

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Das wiederum, also die Medienerziehung, könnte dazu beitragen, dass andere Nischen verschwinden, zum Beispiel die eingangs erwähnte Hybridform aus Lügen und Neuigkeiten. Über einen anderen Mechanismus vielleicht auch das folgende Genre, von dem Stefan Niggemeier auf Übermedien (kostenpflichtig) berichtet und das er „Verfügbarkeitsberichterstattung“ nennt, wozu auch „Breaking Product News“ gehören (Altpapier gestern). 

Wenn Tschibo neue Produkte in die Regale stellen, informiert Brigitte.de seine Nutzer darüber gleich per Push-Mitteilung auf dem Smartphone. Niggemeier wollte wissen, was so ein Service denn kostet. Die überraschende Antwort des Unternehmens: nichts. 

„Die Pressestelle sagt (…), man könne das – im Gegensatz zu den fantastischen Sportmodesachen von Tchibo – gar nicht kaufen. Eine Sprecherin des Verlages Gruner+Jahr teilt mit, dass es sich um ein ‚rein redaktionelles Angebot‘ handele, das ‚nicht in Zusammenarbeit mit Tchibo‘ entstanden sei; ‚das Unternehmen hat dafür nicht bezahlt.‘ Kooperationen mit Werbekunden seien ‚selbstverständlich auch bei Brigitte Digital immer gekennzeichnet mit dem Hinweis ‚Anzeige‘ oder ‚präsentiert von …‘“

Und bevor dann irgendwann die Medienerziehung greift, werden wir wahrscheinlich auch noch die Optimierung dieser Form der redaktionellen Werbung erleben. Wie? Das haben wir oben gelernt. Reale Angebote und dazu: ausgedachte Zitate.


Altpapierkorb

+++ Bemerkenswerterweise sowohl auf der Medienseite der SZ wie auf dem Hanefeld’schen Pendant in der FAZ Thema heute: türkische Fernseh-Ermittler - allerdings unterschiedliche. Der eine kommt, die andere geht. Oliver Jungen schreibt in der FAZ (hier für 45 Cent bei Blendle) „Kommissar Pascha“, der gerade erst seinen Dienst antritt und von dem Jungen sehr angetan ist - was vor allem an der ARD-untypischen Leichtigkeit liegt, die diese Serie offenbar ausmacht. „Das Politische derart auszublenden, um stattdessen mit Witz und Pfiff das Zusammenwachsen eines deutsch-türkischen Teams um einen Integrator mit Schlafzimmerblick und Sehnsucht nach seiner geschiedenen ersten Frau ins Zentrum zu stellen, das könnte man Eskapismus nennen. Es lässt sich aber durchaus auch programmatisch verstehen, als Ansage, sich nicht verrückt machen zu lassen.“ Die erste Folge läuft heute Abend. 20.15 Uhr in der ARD. 

+++ Sibel Kekilli nimmt nach sieben Jahren Abschied von der Figur Sarah Brandt, die meiner eigenen Meinung den guten, aber etwas in die Jahre gekommenen Kiel-Tatort praktisch im Alleingang renoviert hat. Susanne Hermanski erklärt auf der SZ-Medienseite noch mal die kluge Idee der Figur. „Dass die in Heilbronn als Kind türkischer Eltern geborene Kekilli 2010 nicht etwa als Aishe Aydin, sondern mit dem deutschen Namen ‚Sarah Brandt‘ von der NDR-Redaktion und deren Autoren ins Tatort-Team aufgenommen worden war, hatte damals begeisterte Kommentare ausgelöst.“ Sehr schön auch ihre Bemerkung: „Viele betrachten eine Rolle als TV-Kommissar als sehr langfristiges Engagement, fast so, als wären sie wirklich zur Polizei gegangen, nicht zum Film, Beamtenstatus inklusive.“ Und vielleicht noch zur Beruhigung für die Fans hier: „Es wird kein großes theatralische Ende von Sarah Brandt geben.“ 

+++ In den vergangenen Monaten hatte ich oft das Gefühl, ein einziger Facebook-Kommentar würde genügen, um sagen zu können, welche Partei jemand wählt. Aber es geht noch viel leichter. Adrian Lobe berichtet auf der FAZ-Medienseite über Fei-Fei Li, Direktorin des Stanford Artificial Intelligence Lab und zurzeit Chefwissenschaftlerin von Google Cloud, die behauptet, von den in einer Stadt herumfahrenden Autos auf die dort gewählte Partei schließen zu können. „‚Wir haben herausgefunden, dass, wenn man fünfzehn Minuten durch eine Stadt fährt und Limousinen und Pick-ups zählt, man verlässlich bestimmen kann, ob die Stadt republikanisch oder demokratisch gewählt hat‘, schreiben die Autoren in ihrem Paper. ‚Gibt es mehr Limousinen, votierte die Stadt mit einer Wahrscheinlichkeit von 88 Prozent für die Demokraten, bei mehr Pick-ups zu 82 Prozent für die Republikaner‘“. In Deutschland wäre es vermutlich sogar noch etwas leichter. Hier müsste man nicht mal auf die Autos schauen, sondern einfach auf die Menschen, und dann könnte man sagen: Je weniger von ihnen dunkle Haut haben, desto größer ist Wahrscheinlichkeit, dass die Rechten mindestens einen Sitz im Stadtrat haben. 

+++ Nach den Twitter-Hacks gestern nun die nächste Hiobs-Botschaft für alle, die sich dann und wann via Messenger unterhalten. Das Portal Futurezone berichtet über eine Sicherheitslücke, die es Angreifern erlaubt, Whatsapp-Accounts zu kapern. Dazu verschicken sie als Bild getarnte HTML-Dateien. Das Problem tritt auch bei Telegram auf. Das nur als Ankündigung. Von den Folgen lesen wir dann wahrscheinlich morgen im Altpapier. 

+++ Hier gestern schon kurz erwähnt, heute auch noch mal ein Hinweis von Willi Winkler auf der SZ-Medienseite. Harald Schmidts triftt seinen ehemaligen Sidekick Pierre M. Krause in dessen eigener Talkshow. „Es wurde ein unangestrengtes Dampfplaudern zweier Feuilletonisten, die sich wortreich zwischen Betonhölle und Wellness-Lounge verlieren.Schmidt offenbar in Bestform. Man wird es sich ansehen müssen. Hier der Link zur Mediathek. Und bitte mal drauf achten: Oberhalb der Stirn wird Harald Schmidt Franz Beckenbauer immer ähnlicher. 

+++ Wieder mal ein Urteil im Fall Kachelmann. Tenor der meisten Meldungen: Teilerfolg für Springer. Es ist ein zähes Ringen zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit. Kachelmann hatte gegen drei Motive geklagt. Springer ging bis vors Bundesverfassungsgericht, und das urteilte: Vor der Kanzlei von seiner Anwältin, auf öffentlichem Gelände, durfte die Bild-Zeitung ihn fotografieren - im Innenhof der Kanzlei, im privaten Raum, nicht. Unter anderem die FAZ berichtet, Martin W. Huff erklärt es im Legal Tribune Online noch etwas ausführlicher

+++ Michael Hanfeld nennt auf der FAZ-Medienseite (für 45 Cent bei Blendle) das schon gestern im Altpapier behandelte Anti-Hate-Speech-Gesetz auf seiner Medienseite „untauglich“. Er sieht ebenfalls das hier schon erwähnte Problem, dass Inhalte-Anbieter selbst entscheiden sollen, was rechtswidrig ist - und kritisiert, dass unter Umständen alles sehr, sehr lange dauert.Da können auch bloß pointierte Beiträge dem Löschbefehl, den Facebook zudem per Algorithmus umsetzt, zum Opfer fallen, satirische sowieso. Wird gelöscht, erfährt der Betroffene zwar davon – so ähnlich wie beim ‚Recht auf Vergessenwerden‘, dem zum Beispiel die Suchmaschine von Google unterliegt –, aber dagegen wehren muss er sich vor Gericht, was in der Regel bedeuten wird, dass eine letztgültige Entscheidung über die Streichung erst fällt, wenn über diese längst Gras gewachsen ist.

+++ Die Comic-Autorin Sarah Glidden hat in ihrem Comic „Im Schatten des Krieges“ versucht zu erklären, wie Journalismus funktioniert und ist dafür - natürlich - kritisiert worden. Im Tagesspiegel-Interview mit Moritz Honert erklärt sie unter anderem, was sie für die falschen Gründe hält, in den Journalismus zu gehen: „Falsche Gründe wären wohl, zu glauben, man könne die Welt direkt verändern, oder dass man berühmt werden will.“

+++ Wo hier so oft die Rede von schlechtem Fernsehen ist, hier nun der Hinweis auf ein Interview mit jemandem, der gutes Fernsehen macht - jedenfalls sehen das viele so. Mit seinem Landkrimi "Höhenstraße" hat David Schalko gerade den Deutschen Fernsehkrimi-Preis gewonnen. Und diese Antwort hier ist eine schöne Erklärung dafür, was im Deutschen Fernsehen etwas besser laufen könnte. „Die Angst vor dem Erzählen muss wegfallen, das Erzählen ist eine so große Freiheit. Je primitiver wir erzählen, desto primitiver wird auch unser Denken als Gesellschaft. Wir müssen da wieder experimentierfreudiger werden und mehr erzählen dürfen. Es geht ja inzwischen nicht mehr um den Inhalt sondern darum, ob es funktioniert oder nicht. Es sollte umgekehrt sein. Man sollte etwas machen, was man erzählen will und was dringlich ist. Dann schaut man, ob es funktioniert oder nicht.

+++ Die oben Angst davor, die gut gesicherten Wege zu verlassen ist war auch Inhalt der Kritik an Matthias Schweighöfers Serienpremiere (Altpapier vom Montag). Torsten Zarges dagegen ist hellauf begeistert und nennt „Are you Wanted“ bei DWDL „den wichtigsten Serienstart des Jahres“. Bild.de hält es sogar für möglich, dass die Serie Schweighöfer zum Weltstar macht - und formuliert das schon mal als Gewissheit. +++ Amazon-Prime-Chef Christoph Schneider spricht mit Meedia schon über die Fortsetzung der Serie, und ich meine da sogar den Satz gelesen zu haben: „Wir arbeiten ganz hervorragend mit den Öffentlich-Rechtlichen zusammen.

+++ Unbedingt erwähnen möchte ich auch ein Thema, das sich vielleicht im Sommer noch mal für eine Spiegel-Titelgeschichte eignen könnte. Marie Kilg berichtet auf der taz-Medienseite: „Seit mindestens vierzig Jahren seien junge Menschen nicht so desinteressiert an Alkohol, Zigaretten und illegalen Drogen gewesen, wie heute. Und zwar unabhängig von demographischen Merkmalen wie Einkommen oder Wohnort. Auch in Deutschland nehmen Jugendliche immer weniger Drogen – während die Zeit, die sie am Smartphone verbringen, bekanntermaßen stetig steigt.“ Unter anderem zitiert sie dazu aus der New York Times den schönen Satz: „Die Leute schleppen eine tragbare Dopaminpumpe mit sich herum.“ 

+++ Zum Abschluss der Hinweis auf ein interessantes Kress-Interview mit Christoph Zürcher, Ressortleiter Gesellschaft der NZZ am Sonntag. Der Interviewer Marc Bartl bemerkt, Zürchers Stil erinnere ein wenig am das Magazin Tempo. Und Zürcher antwortet: „‚Tempo’ würde ich nicht als meinen grössten Einfluss bezeichnen. Ein Niklaus Meienberg war für mich viel bedeutender. Seine Leidenschaftlichkeit habe ich sehr geschätzt und vermisse sie im heutigen Journalismus. Diese Art Radikalität ist irgendwie verloren gegangen. Journalismus ist ein Job wie jeder andere geworden, den man erlernt und dann einfach nach Schema F praktiziert. Eine Art Informationsservice. (…) Es ist tatsächlich so, dass ich für einen Journalisten, der nicht ein wenig vereinsamt ist, nur schwer Respekt haben kann. Journalismus ist für mich in erster Linie eine Haltung. Und die ist: Ich gehöre zu niemandem. Man muss sich immer fragen: Ist das wirklich wahr, was alle schreiben? Ist das wirklich eine interessante Geschichte? Alles andere ist graduell PR. Man schreibt für Interessengruppen. Das ist für mich das Schlimmste.

Das nächste Altpapier gibt es am Freitag.

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