Im Schlafwagen mit Helmut Schmidt

Im Schlafwagen mit Helmut Schmidt
Ist der „beste Journalismus jener, der mit Politikern nichts zu tun hat“? Das könnte man heute, inspiriert von Theo Sommer, fragen. Außerdem: Kendrick Lamars TV-historischer Auftritt bei der Grammy-Verleihung und ein auf eine gewisse Weise barockes Playboy-Cover. Sowie die gar nicht mal kleine Frage, was eigentlich „Haltung“ bedeutet.

Fangen wir heute mal an mit meinen aktuellen Lieblings-Headlines. Sie lauten „Schweigekartell? Schön wär's!“ und „Lügenpresse? Pfeift doch drauf!" und stammen beide aus dem Hause Holtzbrinck, das in der gesamten Kolumne heute ohnehin nicht unterrepräsentiert sein wird, aber, hey, Ausgewogenheit gehört ja eh nicht zu unseren Stärken.

Die erstgenannte steht über einem Tagesspiegel-Text, in dem es generell um das „Glaubwürdigkeitsproblem“ des Journalismus geht, und in dem Sidney Gennies unter anderem aufgreift, dass sich nach #koelnhbf 

„nicht nur bei Pegida-Fans der Eindruck fest(setzte), die Medien hätten die Fälle bewusst verheimlicht, um Flüchtlinge nicht in ein schlechtes Licht zu rücken. Tatsächlich hätten auch die klassischen Medien besser noch länger geschwiegen, auf dem Höhepunkt dieser turbulenten Tage hatte das politische Feuilleton bereits die mangelnde sexuelle Revolution der gesamten arabischen Welt besprochen, ohne dass klar gewesen wäre, was genau in der Silvesternacht eigentlich passiert war. Ein Schweigekartell? Schön wär‘s ...“ 

Um es zuzuspitzen: Schön wär‘s gewesen, hätten die geschwiegen, denen man fälschlicherweise vorwarf, sie hätten es getan. 

Die andere Top-Überschrift - „Lügenpresse? Pfeift doch drauf!" - kommt leider mindestens ein Jahr zu spät. Die Lügenpresse hat die Lügenpresse-Schreier ja erst groß gemacht, das ist ja die große tragische Ironie - weniger sensible Gemüter würden sagen: ein Treppenwitz - der jüngeren deutschen Mediengeschichte. Zum einen haben die Journalisten ihren Feinden eine Aufmerksamkeit verschafft, die ihrer - anfänglichen - Bedeutung nicht entsprach, zum anderen gilt, was Thomas Fischer (Zeit Online) schreibt:

„‚Pegida‘ und AfD sind wahrlich die Letzten, die das Volk über die Angrenzung von Wahrheit und Lüge, Wirklichkeit und Bewertung aufzuklären in der Lage sind. Dass dies zurzeit von manchen geglaubt wird, ist nicht allein die Schuld des Schicksals, des sächsischen Essens oder der Schwäche der griechischen Volkswirtschaft. "Mitursächlich" sind vielmehr Systeme der medialen Vereinfachung, Verdummung und Fehlinformation.“

Mit „Lügenpresse? Pfeift doch drauf!" überschrieben ist ein von zwei leitenden Zeit-Redakteuren geführtes Streitgespräch zwischen der Zeit-Hamburg-Chefin Charlotte Parnack und dem früheren Zeit-Chefredakteur Theo Sommer zur Geschichte und Gegenwart der Wochenzeitung, das in deren aktueller Nabelschau-Ausgabe (siehe auch Altpapier von Dienstag) erschienen ist. Wobei das nicht so negativ gemeint ist, wie es klingt, es gibt schließlich uninteressantere Nabel als den der Zeit. Das Gespräch geht über drei Druckseiten (großzügiges Aufmacherfoto und Anzeigen inclusive), weshalb wir hier nun einen Aspekt hervorheben können. Nehmen wir aus nahe liegenden Gründen die Frage, wie nah Journalisten Politikern bzw. den Parteien kommen dürfen. Folgende Passage liest man vielleicht mit etwas anderen Augen, seitdem am Wochenende ein Bürschchen von Welt seinen Job verlor, weil er einem Verein, den er mit hochgeschrieben hatte, als teilnehmender Beobachter dienen wollte (siehe u.a. das erwähnte Altpapier von Dienstag). Sie beginnt mit einer Frage der Moderatoren an Sommer:

„Es gab auch eine Nähe des politischen und journalistischen Personals, wie sie heute nur noch schwer vorstellbar wäre. Michael Naumann war von 1998 bis 2001 Staatsminister unter dem SPD-Kanzler Schröder, dann wechselte er zur Zeit, wurde zunächst mit Josef Joffe ihr Herausgeber, dann ihr Chefredakteur, bevor er 2007 die Zeitung verließ, um für die SPD als Bürgermeister von Hamburg zu kandidieren. Danach kehrte er für kurze Zeit zurück in die Redaktion. Finden Sie dieses Wechselspiel völlig unbedenklich?

Sommer: Sie unterschlagen, dass Mike Naumann nicht als Sozialdemokrat zu uns gekommen ist. Er war hier schon in den siebziger Jahren ein hochgeschätzter, in seinem Urteil völlig unabhängiger Redakteur.

Parnack: Und Sie selbst waren mal Planungschef im Verteidigungsministerium.

Sommer: Also, ich finde, die heutige Generation hat kein Selbstvertrauen mehr. Das klingt ja so, als sei der beste Journalismus jener, der mit Politikern nichts zu tun hat (...) Wir haben uns doch nicht der Meinung der Leute angeschlossen, mit denen wir gearbeitet haben.“

Parnack findet, dass das „nicht besonders glaubwürdig“ klingt. Sie wirft dann noch die Frage auf, ob es „funktioniert“, dass man „beispielsweise der SPD dienen und hinterher unparteiisch über sie berichten kann“, und bezeichnet Sommers „Wechsel vom Journalismus ins Verteidigungsministerium und zurück“ als „schwierig“. Der Angegriffene kontert:

„Ich bin ein schlimmer Sünder. Ich habe Helmut Schmidt im Schlafwagen kennengelernt. Wir haben bis morgens um vier bei Fürstenberg Pils über Strategie geredet. Das war 1960 (...) Ich war einer von vielleicht fünf Journalisten damals, die überhaupt etwas von Verteidigungspolitik verstanden.“

Geilomat! Auf dicke Hose machen können ja auch heutige Journalisten, aber eine Formulierung à la „Ich bin einer von vielleicht fünf Journalisten, der überhaupt etwas von Verteidigungspolitik versteht“ (oder Agrarwirtschaft oder Badminton) hat man zuletzt ja eher selten gehört.

Und, ach ja, der Alkohol. Welche Rolle der einst spielte im Journalismus-und-Politik-Milieu - darum geht es auch in dem Buch „Der ambulante Schlachthof oder Wie man Politiker wieder das Fürchten lehrt“, das Dirk Koch, von 1973 bis 1997 Leiter des Bonner Spiegel-Büros, gerade veröffentlicht hat. Siehe dazu die am vorvergangenen Wochenende erschienene taz-Rezension Michael Sontheimers („Gesoffen wurde [...] in einem heute unvorstellbaren Ausmaß“) und einen offenbar auf dem Buch basierenden Cicero-Text Kochs (Blendle-Link). Da kommt unter anderem vor, dass seinerzeit der FDP-Mann Rudolf Augstein einen Artikel über die Flick-Parteispendenaffäre und die Rolle seines Parteifreundes Otto Graf von Lambsdorff zunächst aus dem Spiegel gekippt hatte - und was danach passierte:

„Mittags ging‘s in eine skandinavische Kneipe beim Spiegel-Hauptquartier, Chefredakteur Erich Böhme ist mitgekommen, man hat gegessen, hat über Politik und Politiker geredet, hat Bier und Linie Aquavit getrunken, nicht wenig, wie üblich mit den beiden (...) Augstein hat mich in der Kneipe im Beisein Böhmes gefragt, ob ich die ganze Angelegenheit nicht einfach vergessen könnte. ‚Wie viel willst du aus meiner Privatschatulle?‘ (...) ‚Auf diesem Ohr bin ich taub‘, habe ich geantwortet.“

Augstein besann sich dann bekanntlich zwar eines Anderen, und der Artikel erschien doch noch.

Als wissenschaftliche Ergänzung zum Thema „Nähe des politischen und journalistischen Personals“ (um die Zeit-Moderatoren zu zitieren) dienlich ist ein Interview, das Soziopolis in der vergangenen Woche mit dem dazu oft interviewten Uwe Krüger geführt hat.

[+++] Amerika, du hast es besser - da wir in dieser Kolumne ja nun nicht allzu häufig Goethe zitieren, tun wir es mal anlässlich von Kendrick Lamars Auftritt bei der Grammy-Verleihung bzw. tragen der Tatsache Rechnung, dass die USA „zum zweiten Mal in einer Woche (...) schwarzen Protest und schwarze Selbstermächtigung zur besten Sendezeit (erlebten)“, wie die SZ, Bezug nehmend auf Beyoncés Auftritt in der Super-Bowl-Pause, schreibt.

Um es mit dem New Yorker zu sagen: 

„Like Beyoncé’s ‚Formation‘, Lamar’s performance marks a more pronounced form of political advocacy by black pop stars in 2016.“

okayafrica.com meint:

„It might not be a stretch to call Kendrick Lamar’s 2016 Grammys performance one of the most powerful in live television history“,

Im Profil auf der SZ-Meinungsseite schreibt Jan Kedves:

„Das künstlerische Genie von Lamar liegt darin, dass er das Schwarzsein nicht allein an der Hautfarbe festmacht, sondern an geteilter Erfahrung und Geschichte. So wie sein Grammy-Auftritt eine Linie von Afrika in die Gefängnisse Amerikas zog, so verbindet er in seiner Musik ein Bewusstsein für die Probleme in den amerikanischen Ghettos (Drogen, Armut, Rassismus) mit einem fundiertem Wissen über die Geschichte schwarzer Musik (...) Jazz-Saxofon und afrikanische Stammestänze live zur Primetime, wann hat es das im amerikanischen Fernsehen zuletzt gegeben? Kendrick Lamar könnte sich jetzt also mal zufrieden ausruhen – für einen Tag oder eine Woche.“

Um Musik geht es auch auf Seite 1 der SZ, allerdings aus nur schwer erklärlichen Gründen. Das Foto des Tages oben auf der Seite zeigt die Rolling Stones. In der Bildunterschrift erfahren wir, die Musiker hätten „ganz offenbar einen Flug nach Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, gut überstanden. Dort begeisterten sie im Estadio Centenario 50.000 Fans. Das letzte Mal waren sie dort 1989 zu Gast.“ 

Hallo? Inwiefern ist das relevant für eine jenseits der Uruguay erscheinenden Seite 1? Naja, vielleicht war hier ja ein alter Rockist zugange, der sich dafür rächen wollte, dass zu viel über Kendrick Lamar im Blatt ist.

Da es hier heute musiklastig zugeht: Aus ganz anderen Gründen als die Auftritte Lamars und Beyoncés sehenswert ist ein Channel-4-Beitrag mit dem großen The-Fall-Diktator, Working-Class-Tresenphilosophen, Grantler und Arschloch Mark E. Smith, der beinahe dadaesk wirkt, unter anderem, weil Smith akustisch teilweise nicht zu verstehen ist: 

„Is he slurring his words? Hell, I’m not really sure that he’s even speaking actual words. Or trying to“,

bemerkt dazu Dangerous Minds. Unvorstellbar im deutschen Fernsehen, nicht nur, weil es hier keine Person gibt, die mit Mark E. Smith vergleichbar wäre. 

[+++] Amerika, du hast es besser? Darauf würden so manche Menschen, die im Altpapier vorkommen, mit ja antworten und das mit der Existenz des Silicon Valley begründen. Man kann aber auch fragen:

„Ist das Silicon Valley das Paradies unserer Gegenwart oder die Hölle der Zukunft?“ 

Das tut David Hugendick (Zeit Online), der ebendort für eine Reportage unterwegs war. Getroffen hat er u.a .Fred Turner. Der 54-Jährige „war früher Journalist, jetzt arbeitet er als Professor für Kommunikation in Stanford“:

„Turner ist kein Skeptiker des Silicon Valley, aber auch kein Fan, der den Adventismus des digitalen Zeitalters verkündet. Er beklagt, wenn überhaupt, den Utopieverlust: ‚Die Allianz von Technologie und Gegenkultur ist zerbrochen.‘ Turner verkörpert jene dialektische Haltung, die man in dieser auf Affirmation ausgelegten Gegend selten antrifft. Zu oft rede man bloß über die spaßige Seite vom Silicon Valley, über obskure Heldengeschichten, die mit Genies in Garagen zu tun haben. Doch man vergesse schnell, sagt Turner, wie sehr das Silicon Valley einem ganz normalen Industriestandort ähnele, mit Klassenkampf und Verschmutzung – das ganze Santa Clara County sei eine der schmutzigsten Landstriche der gesamten USA. Und wie eng gefasst die Begriffe von Spaß und Erfolg, diese kuriose kalifornische Verbindung von Hedonismus und Arbeit, hier inzwischen seien: Geld verdienen und unabhängig sein.“

[+++] Die medienpolitische Nachricht des Tages liefert uns Pro Sieben Sat 1. Die SZ berichtet, der Konzern ziehe

„vors Bundesverfassungsgericht, um das seit Jahresbeginn geltende gesetzliche Verbot von regionalisierter Werbung zu Fall zu bringen. Der Konzern hat am Dienstag eine entsprechende Verfassungsbeschwerde eingereicht. Regionalisierte Werbung bedeutet, dass Spots mit TV-Reklame in einem bundesweiten Programm nicht bundesweit laufen müssen - sondern dass zum Beispiel Zuschauer im Südwesten andere Spots mit anderen Produkten sehen als das Publikum auf den friesischen Inseln. Das ist vor allem für Werbekunden aus dem Mittelstand interessant.“

Sollte das Verfassungsgericht die Beschwerde annehmen und dann gar nicht im Sinne des Konzerns entscheiden, wäre das wiederum nicht im Sinne kleiner privater Lokalfernseh-Sender und auch der Regionalzeitungen.


Altpapierkorb

+++ „Wir müssen die Kritik annehmen, wir müssen nach meinem Gefühl auch anders erzählen. Anders erzählen bedeutet eine andere Sprache, Raum für Zweifel lassen." Das sagt Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer heute in einem „Zapp“-Beitrag zur Frage, wie „Medien Vertrauen zurückgewinnen können“. Der NDR hat vorab schon mal dieses und ein paar andere tendenziell werbeträchtige Statements rausgehauen. Raum für Zweifel lassen - da bin ich dafür angesichts dessen, dass so viele Journalisten gerade ihr Bescheidwisser-Kostümchen anhaben.

+++ Wie wird aus Wohlstandsbürgern ein Mob von Internet-Trollen? Tilman Baumgärtel (taz) greift bei der Beantwortung der Frage zurück auf das Buch „Die Psychologie der Massen“, das der französische Soziologe Gustave Le Bon vor 120 Jahren veröffentlicht hat: „Die Masse, die Le Bon 1895 beschreibt und die ich ‚Masse 1.0‘ nennen möchte, hat bemerkenswerte Gemeinsamkeiten mit den Online-Krakelern der Gegenwart: Die ‚Massen kennen weder Zweifel noch Ungewissheit und ergehen sich stets in Übertreibungen. Ihre Gefühle sind stets überschwänglich‘, schreibt Le Bon.“

+++ Noch weiter zurück in die Geschichte geht Felix Stephan (Zeit Online), um eine von mehreren „revolutionären Neuerungen“ zu analysieren, die ihm aufgefallen sind auf dem Cover der März-Ausgabe des amerikanischen Playboy, das die 20-jährige Instagram- und Snapchat-Berühmtheit Sarah McDaniel zeigt: „Auf einem der bekanntesten Aktbilder des Barock, der ‚Venus vor dem Spiegel‘ von Velázquez, liegt die Nackte quer auf einem Bett und schaut in den Spiegel. Allerdings wird der Spiegel von einem Engel genau so angewinkelt, dass man unmöglich sagen kann, ob sich die Nackte selbst anschaut oder den Betrachter, der hinter ihr steht. Ganz ähnlich verhält es sich jetzt mit dem Playboy-Cover, nur eben übertragen auf digitale Verhältnisse: Auch Sarah McDaniel schaut in einen Spiegel. Wenn man ein Selfie macht, sieht man auf dem Bildschirm des Telefons ausschließlich sich selbst. Und auch hier ist die Frage, wen sie eigentlich anschaut. Ähnlich wie die Venus von Velázquez lässt auch dieses Bild beide Möglichkeiten zu: sich selbst und den Betrachter. Allerdings hat der Betrachter die Position gewechselt: Er schaut jetzt nicht mehr durch das Schlüsselloch, sondern aus dem Spiegel heraus.“

+++ Seit zwei Wochen im Netz, aber jetzt frei verfügbar: eine Übermedien-Abrechnung mit jenen Ärzten und Psychologen, die mittlerweile nicht mehr nur bei den Machern „der Schmutzblättchen, die beim Frisör liegen“ beliebt sind, und Journalisten „Diagnosen“ zu Menschen liefern, die sie nie getroffen, geschweige denn untersucht haben.

+++ Übermedien-TV aktuell: Stefan Niggemeier hat bei einer Branchensause herumgefragt, ob Journalisten eine Haltung brauchen, und was das überhaupt ist: Haltung heißt, sich „grundsätzlich klar (zu) positionieren zu den Großfragen des Lebens, meint Anne Will, beziehungsweise ist etwas, „was man an Journalistenschulen vielleicht nicht lernen kann“ (Jens Weinreich).

+++ Eine zentrale Aussage aus einer Rede des russischen Premierministers Dmitri Medwedew bei der Münchner Sicherheitskonferenz hätten „die wichtigsten deutschen Nachrichtensendungen“ nicht mit der nötigen Präzision“ übersetzt, moniert Viktor Funk (FR). Konkret kritisiert er Arnd Henze (ARD) und Anne Gellinek (ZDF). Auch die dpa bekommt ihr Fett weg.

+++ Ex-Altpapier-Autor Matthias Dell zerpflückt fürs Neue Deutschland ein in der SZ erschienenes Porträt des Drehbuch-Vielschreibers Jürgen Werner, dem die Welt sowohl die Serie „Um Himmels willen“ als auch den „Tatort“ aus Dortmund verdankt: „Der ‚Tatort‘, und speziell der aus Dortmund, fungiert in der SZ-Geschichte (...) als unhinterfragt besseres Anderes gegenüber der Nonnen-Bürgermeister-Förster-Serien-‚Traumschiff‘-Welt, die Jürgen Werner mit seinen Drehbüchern bedient und die im Text auch ‚schlicht‘ genannt wird. Aber dann ist von dem ‚von Leben ramponierten Kommissar Faber‘ die Rede und der Schluss lautet: ‚Weiter weg vom Forsthaus kann eine Fernsehfigur kaum sein.‘ Das kann man so sehen, aber wenn man das tut: Seit wann wird Qualität und Komplexität in Asozialität gemessen? Oder anders gefragt: Könnte nicht der Kommissar in seiner Ramponiertheit immer noch genauso schlicht sein wie der Förster aus Falkenau in seiner Heileweltgottgleichheit?“

+++ Falls es wem gerade zu gut geht: „Print’s dead — but so is digital“, die Headline eines aktuellen Michael-Wolff-Artikels für USA Today, könnte als Gegengift hilfreich sein. Wolff bezieht sich auf einen Beitrag der Financial Times, den er aus folgenden Gründen lobt: „In a way, it might be good news to have at least clarified the point that digital is not the future of the news business. And to acknowledge that, in some farsighted new thinking, print might have some striking advantages — such that ads can’t be blocked. Of course, the bad news is to have realized this well after the digital promise has all but destroyed the business. But better late than never.“

+++ BBC 3, ein auf ein jüngeres Publikum zugeschnittenes Programm, gibt‘s künftig nicht mehr offline bzw. „becomes the first in the world to make the transition from TV broadcast to a solely online platform“ (The Guardian). Siehe auch digitalfernsehen.de.

+++ Mediengeschichte in fiktionalisierter Form interessiert uns hier im Altpapier ja generell, und deshalb sei aus dem Überblick über aktuelle Amazon-Serien, den Manfred Riepe für die Medienkorrespondenz liefert, „Good Girls Revolt“ hervorgehoben, „(zweifellos) der thematisch interessanteste“ Serien-Entwurf der „gegenwärtigen ‚Pilot Season‘“: „Die einstündige Pilotfolge kreist um das berühmte Altamont Free Concert von 1969, auf dem seinerzeit ein den Hells Angels zugehöriger Ordner einen Zuschauer erstach. Aufgerollt werden die Ereignisse aus der Perspektive einer ambitionierten Reporterin. Ihre hartnäckigen Recherchen decken jene skandalösen Ereignisse auf, die bekanntlich zur Folge hatten, dass die Hippie-Bewegung ihre Unschuld verlor. Veröffentlicht werden soll die Story der Reporterin aber unter dem Namen eines männlichen Kollegen. Die Redaktion des im Film thematisierten Magazins News of the Week ist das Abbild der damaligen Gesellschaft, in der berufstätige Frauen ihren männlichen Kollegen nur den Kaffee reichen durften.“

+++ Was Arte will und plant (für 2016 und 2017) - darüber habe ich für die Medienkorrespondenz geschrieben.

+++ Heute bei Arte: die Doku „Cinékino – Kinospaziergänge zwischen Frankreich und Deutschland“. Der Tagesspiegel meint: „Eine Flut von Zitaten breitet sich aus, kluge Kommentare erhöhen den Wissensstand, doch was fehlt, sind Fragen, die zum Mitdenken herausfordern.“ 

+++ Ein neues Medienmagazin bzw. ein Medienmagazin, das gaaanz lange ein Branchendienst war, legt seine erste Ausgabe vor: Aus dem Kressreport ist Kress Pro geworden, erscheinen soll die Zeitschrift zehnmal pro Jahr. Das Editorial steht hier. Dass Kress Pro „noch einen Zacken ausgeruhter sein könnte“, meint turi2.

+++ Verstorben ist im Alter von 78 Jahren Rainer Flöhl, „der Pionier des deutschen Wissenschaftsjournalismus“, der einst die FAZ-Beilage „Natur und Wissenschaft“ mitgründete. Seine Zeitung widmet ihm einen Nachruf.

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.

weitere Blogs

Drei Kreuze mit Regenbogenfarben
Körper sind ein zentrales Thema in den Passionserzählungen. Eine gute Gelegenheit, einen Blick in eine queer-theologische Körperkonfigurationen zu Kreuz und Auferstehung zu werfen.
KI macht jetzt auch Musik – und das beunruhigend gut.
Aus gegebenem Anlass: zwei Briefe an den bayerischen Ministerpräsidenten.